Massive Sicherheitsprobleme im AKW Gundremmingen

Das Atomkraftwerk Gundremmingen ist sicher, sagt Bayerns Umweltminister Huber. Sein Kollege Untersteller aus Baden-Württemberg hatte Zweifel geäußert. Er bekommt Unterstützung von Experten: die beiden Reaktoren erfüllen längst nicht alle Vorgaben, besagt eine Stellungnahme der Gesellschaft für Anlagen- und Reaktorsicherheit (GRS). Das müssen sie aber, um die Betriebserlaubnis zu behalten. Atomkraftgegner fordern die sofortige Stilllegung.

Unfall-Szenario AKW Gundremmingen-B mit meteorologischen Daten am 5. Mai 1995

Unfall-Szenario AKW Gundremmingen-B mit meteorologischen Daten am 5. Mai 1995

In Gundremmingen steht Deutschlands größtes Atomkraftwerk – zwei alte Siedewasserreaktoren, die letzten ihrer Art. Alle weiteren baugleichen Anlagen mussten nach dem GAU von Fukushima vom Netz. Laut Atomausstiegsbeschluss sollen die Blöcke noch bis 2017 bzw. 2021 betrieben werden. Mit „massiven Sicherheitsproblemen“, attestieren Experten: In einer 60-seitigen Stellungnahme notiert die GRS, dass „die Anlage für den Fall eines Bemessungserdbebens die Anforderungen“ nach den geltenden wie bisherigen technischen Regeln „nicht erfüllt“. Streitpunkt sind die Not- und Nachkühlsysteme, die gewährleisten müssen, dass der Reaktor bei einem Störfall nicht überhitzt. Zwar verfügen die Blöcke über je vier solcher Kühlstränge. Doch zwei seien baugleich und könnten durch eine einzige Ursache ausfallen. Das dritte Rohrsystem ist nicht erdbebensicher. Das Vierte genügt den Qualitätskriterien für Sicherheitssysteme nicht. Auch der Tüv Süd bestätigt diese Aussage.

Alle denkbaren Naturereignisse und technischen Störungen dürfen nicht zur Havarie einer Atomanlage führen. Dazu gehört auch, dass die zwei Reaktoren in Gundremmingen ein Erdbeben, das alle 100 000 Jahre auftritt, sicher überstehen müssen. Und das ist nicht der Fall, so Professor Wolfgang Renneberg, Physiker, Jurist und zehn Jahre lang Abteilungsleiter Reaktorsicherheit im Bundesumweltministerium. Seine Kritik geht noch weiter: es fehlen auch Nachweise für Sicherheit bei einem 10.000-jährigen Hochwasser. Um in diesem Fall zum Beispiel von einem Gebäude zum anderen zu kommen, plane man, Boote einzusetzen. Es sei „nicht belegt“, ob die Folgen eines Hochwassers und Erdbebens beherrscht werden, was nach dem Regelwerk vorgeschrieben sei.

Laut Rennenberg gibt es in Gunremmingen aber auch weitere massive Sicherheitsprobleme: Der Reaktordruckbehälter entspreche längst nicht mehr dem verlangten Stand von Wissenschaft und Technik. Die Schwachstelle ist die gekrümmte Bodenkalotte, die mit dem Bau angeschweißt wurde. Schon damals vor 30 Jahren gabe es Zweifel, ob die Schweißnaht dem Druck von 70 bar gewachsen ist, so Renneberg. Inzwischen hätten zahlreiche Tests der TU Berlin ergeben, dass in dem Stahlteil Spannungen bis zur Elastizitätsgrenze auftreten – Risse sind damit „unvermeidlich“. Eine Überprüfung ist nicht möglich, da Pumpenstutzen in diesem Bereich eine lückenlose Kontrolle verhindern. Diese schreibt das kerntechnische Regelwerk aber zwingend vor.

  • Laut Bayerns Umweltminister Huber liegen die Nachweise vor und die Kühlsysteme würden die „Sicherheitsanforderungen vollständig erfüllen“. Professor Renneberg, die gemeinnützige Organisation GRS, die seit 1976 vor allem für die Atomaufsichtsbehörden Atomkraftwerke prüft und der Tüv widersprechen: Die Regeln müssen eingehalten werden. Sie sind ausschlaggebend für den Weiterbetrieb eines Kraftwerks.

Atomkraftgegner fordern wegen der Zweifel die sofortige Stilllegung der Kraftwerke: keine Technologie ist in der Lage, nach einem GAU durch etwa die Verkettung von Defekten oder menschliches Versagen ganze Landstriche unbewohnbar zu machen. Kein Gramm Atommüll ist sicher entsorgt.

„Bayern klammert sich an das AKW, weil das Land jahrzehntelang auf eine falsche Energiepolitik gesetzt hat“, so Jan Becker von contrAtom. „Das ist Kalkül zu Lasten der Sicherheit der Menschen in Deutschland und den angrenzenden Ländern. Gundremmingen muss wegen der massiven Defizite sofort stillgelegt werden!“

  • AKW Gundremmingen: Keine Experimente mit verrosteten, undichten plutoniumhaltigen MOX-Spaltelementen!
    4. Mai 2014 – Das AKW Gundremmingen will jetzt die wegen auffällig vieler Leckagen aus den Blöcken B und C entfernten MOX-Spaltelemente wieder in die Reaktoren setzen. Mehrfach fielen in den letzten Jahren undichte Spaltelemente im AKW Gundremmingen auf. Nie haben die Betreiber erklärt, wieso jetzt so viele Spaltelemente in dem alten, abgenutzten AKW Lecks hatten. Und warum gerade die plutoniumhaltigen MOX-Spaltelemente und die russischen WAU-Elemente so häufig undicht wurden.
  • AKW Gundremmingen: Baden-Württemberg will vorzeitiges Ende´
    18. April 2014 – Die grün-rote Landesregierung in Baden-Württemberg fordert aufgrund von Sicherheitsdefiziten eine vorzeitige Stilllegung des Atomkraftwerks Gundremmingen. Ein entsprechendes Schreiben habe die Landesregierung an Bayern gesandt. Atomkraftgegner warnen ebenfalls vor Risiken und fordern die sofortige Stilllegung der zwei Siedewasserreaktoren.
  • Gefährlich hoher Druck im Reaktor: Akute Unfallgefahr im Atomkraftwerk Gundremmingen
    4. April 2014 – Nach Informationen der Ärzteorganisation IPPNW geht von dem Atomkraftwerk Gundremmingen eine erhebliche Gefahr aus: „Der Turbinenkondensator kann jederzeit und mit erschreckend hoher Wahrscheinlichkeit ausfallen. Die Folge wäre ein plötzlicher Druckstoß im Reaktor, der den so genannten Auslegungsdruck weit überschreitet“, warnt IPPNW-Atomenergieexperte Henrik Paulitz.
  • 30 Jahre Groß-AKW Gundremmingen – ohne ausreichende Haftpflichtversicherung und ohne Entsorgung
    4. April 2014 – Der zweite Teil des AKW Gundremmingen wird in diesen Tagen 30 Jahre alt. Er hat viel Strom geliefert und einige hundert Bürger wohlhabend gemacht. Bisher hatte dieser Teil keinen Unfall mit Totalschaden wie ihn im Jahre 1977 mit Block A der erste Teil hatte. Block B und C haben zugleich – angeblich unter Einhaltung der Grenzwerte – krankmachende Radioaktivität in die Luft und das Donauwasser abgegeben. Und sie haben Atommüll erzeugt, von dem noch kein Kilo entsorgt worden ist. Wofür unsere Nachkommen uns verfluchen werden.
  • Bayerische Atomaufsicht zögert schuldhaft: Abschalten bis Sicherheitsnachweise vorliegen!
    7. März 2014 – Existenzielle Sicherheitsnachweise fehlen dem AKW Gundremmingen. Und dennoch greift die verantwortliche Bayerische Atomaufsicht nicht ein. Ohnehin gilt dieses größte Kernkraftwerk Deutschlands wegen seiner zwei veralteten Siedewasserreaktoren als das gefährlichste AKW Deutschlands. Es muss zum Schutze der Menschen mindestens so lange abgeschaltet werden, bis die Sicherheitsnachweise vorliegen.

Quelle (Auszug): swp.de, 29.04.2014