AKW Gundremmingen: Keine Experimente mit verrosteten, undichten plutoniumhaltigen MOX-Spaltelementen!

Das AKW Gundremmingen will jetzt die wegen auffällig vieler Leckagen aus den Blöcken B und C entfernten MOX-Spaltelemente wieder in die Reaktoren setzen. Mehrfach fielen in den letzten Jahren undichte Spaltelemente im AKW Gundremmingen auf. Nie haben die Betreiber erklärt, wieso jetzt so viele Spaltelemente in dem alten, abgenutzten AKW Lecks hatten. Und warum gerade die plutoniumhaltigen MOX-Spaltelemente und die russischen WAU-Elemente so häufig undicht wurden.

Proteste gegen MOX-Schiff, Nordenham, 18.11.2012 / Bild: publixviewing.de

Proteste gegen MOX-Schiff, Nordenham, 18.11.2012 / Bild: publixviewing.de

Jetzt heißt es, es habe sich eine ungewöhnliche Oxidschicht (Rost) gebildet. Wir Gesundheits- und Umweltschützer weisen immer wieder darauf hin, dass jede Undichtheit letztlich zu mehr Radioaktivitätsfreisetzungen über den Kamin oder das Abwasserrohr führen. Und dass das AKW Gundremmingen bisher nicht die Ursache für die erhöhte Zahl von Krebserkrankungen bei Kleinkindern im Umfeld des AKW gefunden beziehungsweise erklärt hat.

Auch der Bayerische Landtag hat hierüber diskutiert und über alle Fraktionen hinweg Aufklärung über Ursachen und Folgen dieser Leckagen gefordert. Bisher hat RWE als verantwortlicher Reaktorbetreiber nicht informiert sondern nur be­schwichtigt. Da allerdings ein Serienfehler bei den Spaltelementen zu befürchten war, hat man die ganze Fertigungscharge aus den zwei Blöcken B und C genommen. Jetzt will, wie der Bayerische Rundfunk meldete, RWE/LEW diese Spaltelemente wieder in die Reaktoren einsetzen und experimentell erkunden, ob sie dicht bleiben.

Das AKW Gundremmingen verspricht zwar immer wieder, dass es endlich besser informieren und ein „gläsernes Kraftwerk“ praktizieren will, aber es informiert nicht über die Ursachen und Folgen seiner undichten Spaltelemente. Das AKW Gundremmingen lässt seine Werbeleute auch verkünden, Sicherheit habe oberste Priorität, aber es beweist mit seinem Handeln das Gegenteil.

Tatsache ist, dass in Gundremmingen die letzten zwei von ehemals zehn Siedewasserreaktoren in Deutschland betrieben werden. Und dass diese Reaktoren bauartbedingt besondere Gefahren und höhere radioaktive Freisetzungen haben.

Das AKW Gundremmingen ist bereits seit Jahren abgeschrieben. Die Atomanlage ist abgenutzt und würde heute wegen gravierender Konstruktionsmängel auch keine Genehmigung mehr erhalten. Eine risikogerechte Haftpflichtversicherung wäre so teuer, dass das AKW nur betrieben werden kann, weil es von der Pflicht befreit ist, einen angemessenen Versicherungsschutz vorzuweisen.

Wir Gesundheits- und Umweltschützer fordern: Keine weiteren Experimente mit MOX! Das AKW Gundremmingen schnellstmöglich abschalten! Wir verstehen nicht, dass die bayerische Atomaufsicht die Pannen und Experimente duldet.

Hintergründe: MOX-Element-Einsatz im AKW Gundremmingen

Nach großen Diskussionen auch im Bayerischen Landtag zwischen März 1991 und 1993 wurde dem AKW Gundremmingen genehmigt (6. Änderungsgenehmigung vom 28.01.1994), bei den jeweils 784 Spaltelementen jedes Blockes maximal 300 MOX-Typen mit maximal 3,6 % Plutonium einzusetzen. Diese Mischoxid-Spaltelemente sind im Unterschied zu herkömmlichen Uranoxid-Spaltelementen auch mit Plutoniumoxid gefüllt. Mit MOX-Elementen war bereits im Versuchs-AKW Kahl (Unterfranken) und in den letzten Jahren des Betriebs vom Gundremminger Block A (Unfall mit Totalschaden am 13.1.1977) experimentiert worden.

Der Gundremminger Einsatz der plutoniumhaltigen MOX-Elemente war und ist wohl weltweit der größte MOX-Einsatz in Siedewasserreaktoren.

Weltweit gibt es Siedewasserreaktoren: zwei in der Schweiz, noch sieben in Schweden, noch über zwanzig derzeit alle stilliegende in Japan, zwei sehr kleine in Indien, einen in Spanien und etwa 35 in den USA. Ansonsten dominieren die Druckwasserreaktoren, die über zwei Hauptkreisläufe verfügen.

Der MOX-Einsatz begann im Sommer 1995. Mit der 8. Änderungsgenehmigung vom 09.01.1998 wurde eine stärkere Beimischung von Plutoniumoxid erlaubt. Mit der 14. Änderungsgenehmigung vom 3.02.2006 wird ein nochmals höherer Plutoniumanteil gestattet: 5,47 %. Dadurch wurden bei der Leistung der Spaltelemente die Voraussetzungen für eine im September 1999 beantragte, später revidierte und im Dezember 2013 gecancelte Leistungserhöhung der zwei Gundremminger Siedewasserreaktoren geschaffen.

Motiv des MOX-Einsatzes

Uran-Spaltelemente bestehen zu Beginn der Reaktorzeit aus Uranoxid und zwar rund 4 % U-235 und 96 % U-238. Direkt spaltbar ist nur das U-235. Aber in einem unvermeidlichen Brutprozess entsteht aus einem Teil des U-238 durch Neutroneneinfang Plutonium. Dieses wird zu grob einem Drittel gleich wieder gespalten und setzt dabei ebenfalls Neutronen frei und erzeugt viel Wärme. Wenn Uran-SE nach vier bis sechs Jahren Betriebszeit aus dem Reaktor geholt werden, bestehen sie grob aus: noch 1 % U-235, noch 94 % U-238, 4 % Spaltprodukten wie Jod 131 oder Cäsium 137 und etwa 1 % Plutonium (das meiste ist PU-239). In den 1970er und 1980er Jahren wollte man in sogenannten Wiederaufbereitungsanlagen, WAA, die ursprünglich zur Gewinnung von Bombenspaltstoff entwickeltet worden waren, noch nutzbares U-235 und PU abtrennen. Damit sollten Reaktoren des neuen Typs Schneller Brüter gefüttert werden. Nachdem diese Reaktoren sowohl in Frankreich (Phenix und Super-Phenix) wie auch in Deutschland (Kalkar) wegen zu großer Probleme, Risiken und Kosten gescheitert waren, sollte ersatzweise das Plutonium über MOX genutzt werden.

Da aber wegen der weltweit hinter den Ausbauplänen zurückbleibenden AKW-Zahlen Uran billig blieb, verloren die AKW-Betreiber die Lust an MOX. Das AKW Gundremmingen hat –auch darin als Pionier in Deutschland – sogar schon Ende 1994 seine Verträge mit den Plutonium-Fabriken („WAA“) gekündigt.

Denn im Reaktor ist Plutonium heikler als Uran und die verbrauchten MOX-SE müssen noch länger zwischengelagert werden. Auch steigert MOX die Risiken, dass Plutonium zum Bombenbau abgezweigt wird.

Quelle: FORUM, 03.05.2014