Flugblatt: Problematik des „Freimessens“ beim AKW-Rückbau

Weil der Rückbau von Atomkraftwerken in Zukunft eine immer größere Rolle spielen wird, haben Atomkraftgegner von atomkraftENDE.darmstadt ein Flugblatt entwickelt, in dem die Problematik des „Freimessens“ am Beispiel des AKW Neckarwestheim-1 kritisch betrachtet wird: es sei „eine per Verordnung legitimierte Verstrahlung der Bevölkerung mit tausenden von Toten“.

Wohin mit dem Atommüll beim Rückbau der Atomkraftwerke?

Wohin mit dem Atommüll beim Rückbau der Atomkraftwerke?

Wohin mit dem Atommüll beim Rückbau der Atomkraftwerke? Nach Schätzungen des Bundes-Umwelt-Ministeriums (BMU 2001) werden bei der Stilllegung aller Atomkraftwerke in Deutschland ca. 3,8 Millionen Tonnen Material anfallen, etwa 80% davon – also ca.3 Millionen Tonnen – sind nicht mit Radioaktivität in Berührung gekommen und strahlen sicherlich nicht (z.B. Bürogebäude, Kantine, Generatorhalle usw.).

Rund 800.000 Tonnen radioaktiven Materials müssen entsorgt werden. Jeder Einwohner von Deutschland erhält 100g Atommüll (etwa eine Tafel Schokolade).

In das geplante Atommülllager „Schacht Konrad“ könnten, falls es je in Betrieb geht, nur die 2% hochradioaktiver Abfälle einer Endlagerung zugeführt werden. Bleiben noch 72.000 Tonnen, die entsorgt werden müssen (siehe Graphik).

„In die Abwägung zur Festlegung entsprechender Vorsorgewerte fließen neben den in erster Linie zu berücksichtigenden Erkenntnissen der Risikobewertung zur Wirkung niedriger Strahlendosen auf Mensch und Umwelt auch Überlegungen der Risikoakzeptanz ein. Dabei müssen auch wirtschaftliche Erwägungen, z.B. die Kosten einer Endlagerentsorgung, einbezogen werden“. (Quelle: Bundes-Umwelt-Ministerium 2001)

Übersetzt: Welches Strahlenrisiko muss die Bevölkerung akzeptieren, damit es den Konzernen nicht zu viel kostet und wie kann man es so vernebeln, dass die BürgerInnen ihre Verstrahlung nicht bemerken?

Das Konzept der Freimessung

Große Mengen des Abbruchmaterials im Kontrollbereich eines Atomkraftwerks strahlen nur relativ gering. Wäre die Strahlung höher, so hätte man dort nicht mehr arbeiten können. In Frankreich wird der schwach strahlende Müll des Kontrollbereichs einer oberirdischen Endlagerung zugeführt. In Deutschland beschäftigt man Dutzende von Physikern, die sich ein hoch kompliziertes Regelwerk ausdenken (Strahlenschutzverordnung). Auf 100 Seiten Anhang wird genau geregelt, welcher Stoff mit welcher Aktivität strahlen darf. Es erfolgt eine exakte Festlegung von Freigrenzen, obwohl die Aktivität vieler Stoffe mit den angewendeten Nachweisverfahren gar nicht gemessen werden kann.

Eine Individualdosis von 10?Sv pro Jahr sei unbedenklich, da die Kollektivdosis aller BürgerInnen nur zu 10 Toten pro Jahr in Deutschland führt. Zynismus pur!

Wird der Wert unterschritten, so ist das strahlende Material kein Atommüll sondern ganz normaler Müll, der auf die Bauschuttdeponie verbracht, in der Müllverbrennung verfeuert oder eingeschmolzen werden kann. Diese Umdeklarierung nennt man Freimessung. Aus dem recycelten Müll entstehen Bratpfanne oder Schotter für Spielstraßen.

In der Hauptrückbauphase von 2020 bis 2030 fallen pro Jahr mehr als 100.000 Tonnen Abbruchmaterial an. Bei solchen Mengen versagt das schon unzureichende 10?Sv Konzept, da es zur Addition der Einzeleffekte kommt. Wer Pech hat, bei dem strahlt nicht nur die Bratpfanne, sondern auch der Kochtopf, das Fahrrad oder noch der Fußballplatz usw.

In der Rückbauphase erwarten etliche Wissenschaftler Kollektivbelastungen, die zu mehr als 1000 Toten in Deutschland führen können.

Im Antrag zum Rückbau von Biblis finden sich keine belastbaren Zahlen zum radioaktivem Inventar, nur grobe sich sogar widersprechende Schätzungen. Gerade durch das sehr komplizierte nicht zu kontrollierende Verfahren zur Freigabe von Atommüll ergibt sich für RWE die Möglichkeit die wirkliche Strahlenbelastung der Bevölkerung zu verschleiern.

Der Bock wird zum Gärtner – das Freimessen des strahlenden Atommülls erfolgt durch die RWE.

Das Ministerium kommt ab und zu nach Anmeldung vorbei und prüft. Wir trauen schon dem Ministerium nicht, das jahrzehntelang den Pannenbetrieb von Biblis gewährleistet hat. Nach 850 Störfällen im AKW Biblis jetzt dem Betreiber RWE per Verordnung einen Freibrief zur Umdeklaration von radioaktivem Müll zu geben, ist Wahnsinn pur.

Das Konzept der Freimessung ist:

  • ein überzogenes Regelwerk, das sich bewusst jeder demokratischen Kontrolle entzieht
  • eine Methode mit der die Konzerne den atomaren Müll billig los werden
  • eine per Verordnung legitimierte Verstrahlung der Bevölkerung mit tausenden von Toten

Download des Flyers & weitere Infos: www.atomkraftende.de

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Quelle: atomkraftendedarmstadt.blogsport.de