Dieses Gesetz wird den Atommüll-Konflikt nicht lösen

Jemand, der die Verhandlungen lange begleitet hat, sagt über den Plan für eine neue Atommüll-Endlagersuche: „Das ist handwerklich kein gutes Gesetz“, schreibt dpa. Atomkraftgegner untermauern am Tag, an dem der Bundestag dem Endlagersuchgesetz verabschieden will: Dieses Gesetz wird den Atommüll-Konflikt nicht lösen.

„Meine große Sorge ist, dass es mit diesem Gesetz nicht gelingen wird, den Konflikt um die Atommüll-Lagerung zu lösen. Ich bin enttäuscht und verärgert, dass die Politik nicht deutlicher auf die Bürgerinnen und Bürger zugeht, sondern immer noch meint, sie könne das Atommüll-Problem alleine lösen“, so Jochen Stay, Sprecher der Anti-Atom-Organisation .ausgestrahlt.

Eine ganze Reihe von Kritik bleibe:

  • Die im Gesetz vorgesehene Bürgerbeteiligung an den potentiellen Standorten ist marginal.
  • Noch bevor die geplante Kommission ihre Arbeit aufnimmt, wird im Gesetz schon vieles detailliert geregelt, was die Experten erst erarbeiten sollen.
  • Die Kommission soll bis 2015 erörtern, ob es zur Endlagersuche ein neues riesiges Bundesamt braucht. Dieses wird aber bereits 2014 eingerichtet. Da kann ich nur sagen: Bundesrechnungshof, übernehmen Sie!

Einige der jetzt beschlossenen Änderungen gehen zwar in die richtige Richtung, würden laut Stay aber viel zu kurz greifen:

  • Natürlich ist es sinnvoll, das Bundesamt nicht schon 2013 einzurichten. Aber 2014 macht genauso wenig Sinn.
  • Natürlich ist es sinnvoll, mehr Wissenschaftler in die Kommission aufzunehmen, aber wenn die hinterher doch nichts zu sagen haben, nutzt das auch nichts.
  • Natürlich ist es sinnvoll, den betroffenen Anwohnern und Gemeinden mehr Klagerechte einzuräumen. Aber warum gibt es die Möglichkeit der gerichtlichen Überprüfung dann nur bei einem einzigen Verfahrensschritt? Unterm Strich bedeutet das immer noch ein Abbau von Anwohnerrechten.

Zwei Passagen im Gesetz würden sogar an Täuschung der Öffentlichkeit grenzen:

  • Zwar wird ein Verbot weiterer Castor-Transporte nach Gorleben aufgenommen. Aber es ist jetzt schon absehbar, dass dieses Verbot vor Gericht nicht haltbar ist. Die AKW-Betreiber behalten sich Klagen dagegen ausdrücklich vor. Und wenn die Bundesländer von ihrem Vetorecht bezüglich der Castor-Zwischenlagerung Gebrauch machen, dann läuft sowieso alles wieder auf Gorleben hinaus.
  • Zwar wird die Dauer der Zwischenlagerung auf 40 Jahre beschränkt, aber es ist unter Experten ein offenes Geheimnis, dass diese Zeitspanne bei Weitem nicht ausreichen wird, um ein Endlager in Betrieb zu nehmen.

Und letztlich bliebe ein großes Problem: Weil der ungeeignete Salzstock Gorleben Teil des Suchverfahrens bleibt, wird weiter hauptsächlich über das Für und Wider von Gorleben gestritten werden, statt ohne Vorbehalte gemeinsam darüber nachzudenken, wie die schwere Hypothek Atommüll künftig gehandhabt werden kann.

„Absolut unverständlich ist es für mich, wieso trotz aller bekannten Probleme bei der Atommüll-Lagerung immer noch Tag für Tag in neun AKW hochradioaktive Abfälle in großen Mengen produziert werden können“, beklagt Stay weiter. „Niemand ist doch so verrückt und lässt bei einer überlaufenden Badewanne den Wasserhahn an und kümmert sich stattdessen nur ums Aufwischen.“

Susanne Neubronner, Atomexpertin vom Greenpeace, schließt sich der Kritik an:

„Das Endlagersuchgesetz wird zum Endlagervertagungsgesetz. Denn nach wie vor gibt es keine Lösung für die verbliebenen Castoren aus England und Frankreich. Auch der Start von Bundesumweltminister Altmaiers übermächtiger Behörde für kerntechnische Entsorgung, die wir ablehnen, wird einfach verschoben. Wenn aber alle umstrittenen Punkte erst im nächsten Jahr angepackt werden, stellt sich umso mehr die Frage, warum das mangelhafte Gesetz jetzt in größter Eile durch die Instanzen geboxt wird.“

Dahinter könne nur politisches Kalkül stecken, vermutet Neubronner. Denn mit dem Stempel eines parteienübergreifenden Konsenses könnten Kanzlerin Merkel und Minister Altmaier ein hastig durchgebrachtes Gesetz im Wahlkampf leichter als schwarz-gelben Erfolg verkaufen.

„Dass die Fraktionen auf den letzten Metern die Zusammensetzung der ‚Kommission Lagerung hochradioaktiver Abfälle’ geändert haben, begrüßen wir. Dennoch bleiben Zweifel. Denn die konkrete Besetzung ist nach wie vor offen. An der Kommission könnte sich entscheiden, wie ernst es der Umweltminister tatsächlich mit dem gesellschaftlichen Konsens meint. Greenpeace fordert daher eine Beteiligung aller Bürger, die derzeit vor der Haustür ein Zwischenlager dulden oder künftig von einem Endlager betroffen sein könnten“, so Neubronner.

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Quellen (Auszug): dpa, ausgestrahlt.de, greenpeace.de; 28.06.2013