Vor 50 Jahren kam es zur größten atomaren Verseuchung durch eine Nuklearexplosion

Die im gesamten Atomzeitalter massivste radioaktive Verseuchung geschah am 6. Juli 1962 – vor 50 Jahren auf dem US-Testgelände Yucca Flat in der Wüste von Nevada wurde die Atombombe „Storax Sedan“ gezündet. Die Sprengkraft von fast dem Zehnfache der Hiroshima-Bombe riss einen riesigen Krater in den Boden, eine radioaktive Wolke rieselte auf 13 Mio. Einwohner angrenzender Städte nieder.

12 Mio. Tonnen Gestein wurden durch die Explosion in die Luft geschleudert und die radioaktive Wolke erreichte eine Höhe von rund 4 km. Sie trieb zunächst nordöstlich und später nach Osten in Richtung Mississippi. Der lebensgefährliche radioaktive Fallout rieselte herab auf rund 13 Mio. Einwohner in den Bundesstaaten Iowa, Nebraska, South Dakota und Illinois bis hin an den Stadtrand von Chicago.

Für die Bewohner der betroffenen Testgebiete der USA, China, Russland, Frankreich und England bedeuteten die Atomversuche oftmals den Strahlentod oder Gesundheitsschäden. Viele Menschen erkrankten an Schilddrüsenkrebs und Leukämie. Zum Teil leiden sie bis heute an genetischen Schäden, Erbkrankheiten und Schwächungen der Immunsysteme.

Die Testgebiete sind für Jahrzehnte radioaktiv verseucht. So kann beispielsweise die Pazifikinsel Bikini, Stätte zahlreicher US-amerikanischer Nukleartests, nach wissenschaftlichen Prognosen möglicherweise erst 2040 wieder bewohnt werden. Die Krebsrate unter der Bevölkerung im Gebiet um das kasachische Semipalatinsk, dem Hauptversuchsgelände der Sowjetunion, ist 300 bis 400 Mal größer als anderswo.

Diese verheerenden Folgen führte schließlich zur Einstellung von Atombombentests durch die Unterzeichnung eines Teststopvertrags im Jahre 1963 durch die USA, Großbritannien und der ehem. Sowjetunion. Mehr als drei weitere Jahrzehnte sollte es noch dauern, bis 1996 ein umfassender Teststoppvertrag auf dem Tisch lag. Bis heute haben ihn 183 Staaten unterschrieben, 157 sogar ratifiziert. Dennoch ist das Abkommen bisher nicht rechtswirksam, weil noch acht der 44 Staaten fehlen, die prinzipiell über das technische Know-how zum Atomwaffenbau verfügen und deren Mitgliedschaft Voraussetzung für das Inkrafttreten ist. Zu ihnen gehören außer den Atommächten China, USA, Indien, Pakistan, Israel und Nordkorea auch Ägypten sowie der Iran.

Die Europäische Kommission für Strahlenrisiken (ECRR) veröffentlichte in ihrer Studie „The Health Effects of Ionising Radiation Exposure at Low Doses for Radiation Protection Purposes“ Zahlen über die Opfer von Atomwaffentests. Danach sind bislang 61,7 Millionen Menschen an Krebs aufgrund radioaktiver Einflüsse gestorben, darunter 1,5 Millionen Kindern. 1,9 Millionen Babys starben bereits im Mutterleib. Die ECRR kommt zu dem Schluss, dass der Anstieg der Krebserkrankungen vor allem eine Folge des radioaktiven Fallouts der atmosphärischen Atombombentests der Jahre 1957 bis 1963 ist, dem Höhepunkt des atomaren Testens. Die Wissenschaftler gehen davon aus, dass die Abgabe von Radioisotopen in die Umwelt im Rahmen ziviler Atomkraftnutzung in den letzten Jahren bald für einen weiteren Anstieg von Krebs und anderen Krankheiten sorgen wird.

Chronik: Unfälle, Pannen und gefährliche Zwischenfälle bei Atomwaffentests

  • 19. Mai 1953 – Die USA testen in der Wüste von Nevada die 32-kt-Bombe „Harry“, die wegen des enormen Fallouts, später den Namen „Dirty Harry“ („Schmutziger Harry“) bekommt. Winde tragen die radioaktive Wolke 220 km weit bis nach St. George im Bundesstaat Utah.
  • 1. März 1954 – Auf dem Bikini-Atoll im Südpazifik unternehmen die USA den Wasserstoffbombentest „Bravo“ mit einer Zerstörungskraft von 15 Megatonnen. Der unvorhergesehen nach Südost drehende Wind treibt die radioaktive Wolke direkt über die benachbarten Marshall-Inseln Rongelap, Rongerik und Utirik hinweg und fügte deren Bewohnern schmerzhafte Verbrennungen und Verstrahlungen zu. Auch die 23 ahnungslosen Matrosen, auf dem 150 km entfernten japanischen Fischerboot „Fukurya Maru“ – „Glücksdrachen“ werden von dem atomaren Ascheregen heimgesucht. Zwölf Beatzungsmitglieder sterben danach an Lebererkrankungen oder Blutstörungen.
  • 7. März 1955 – Nach der Explosion der Bombe „Turk“ auf dem Testgelände in Nevada ändert sich unerwartet die Windrichtung und trägt den Fallout eines US-Testes nach Las Vegas, wo sie einen sogenannten „hot spot“ bildet – eine Fläche, in der sich besonders viel Radioaktivität sammelt.
  • 22. November 1955 – Die Sowjetunion testet ihre erste Fusionswaffe. Die 1,6-Megatonnen-Bombe ist die erste Wasserstoffbombe, die von einem Flugzeug abgeworfen wird. Die Druckwelle ist stärker als angenommen, da es zu einer unerwarteten Brechung der Stoßwelle an der Atmosphäre kommt. Drei Menschen sterben.
  • 28. April 1958 – Britische Soldaten sitzen an Bord des Kriegsschiffes „Dunera“, drei km von den Christmas-Islands entfernt, wo eine Atombombe der Testreihe „Grapple“ detonieren soll. Dreimal passiert nach dem Countdown nichts. Als auch beim vierten Mal nichts geschieht, schauen einige Neugierige zur Küste. In diesem Moment erfolgt die Explosion – einige Soldaten erblinden.
  • 26. Juli 1961 – Auf der Johnston-Insel im pazifischen Ozean findet der US-Kernwaffentest „Bluegill Prime“ statt. Die Trägerrakete erleidet bereits bei der Zündung einen Fehlstart, sodass die Sicherheitseinrichtung die Zerstörung der Rakete auslöst. Die Abschusseinrichtungen werden dadurch schwer beschädigt und mit Plutonium kontaminiert.
  • 13. März 1964 – Erhöhter Jod-131-Gehalt tritt in der Milch kalifornischer Kühe auf. Er ist die Folge einer radioaktiven Wolke, die nach dem Test „Pike“ über den US-Bundesstaat treibt.
  • 2. Juli 1966 – Die Explosion der französischen Bombe „Aldebaran“ im Südpazifik ist stärker als erwartet und verseucht die Lagune des Moruroa-Atolls derart, dass kein dort gefangener Fisch mehr gegessen werden darf.
  • 10. September 1966 – Der französische Staatspräsident de Gaulle besteht auf einem Nukleartest den er vom Kriegsschiff „De Grasse“ aus beobachten will, obwohl der Wind in Richtung der bewohnten Tuamotu- und Fidschi-Inseln weht.
  • 8. Dezember 1968 – Auf der „Nevada Test Site explodiert in 300 m Tiefe die Bombe „Banebury“ und schleudert eine radioaktive Wolke in drei km Höhe. Zwei Helfer sterben später an Leukämie. Gefährlich hohe Dosen von Jod-131 werden in Nevada und Utah in den Schilddrüsen von Kühen, Schafen und Rehen gefunden.
  • 5. Juni 1975 – Eine französische Testexplosion in 623 m Tiefe des Tuamotu-Atolls zerreißt den Betondeckel des Bohrlochs, aus dem Radioaktivität austritt.
  • 25. Juli 1979 – Eine französische Bombe, die in 1.000 m Tiefe des Moruroa-Atolls gezündet werden soll, verklemmt sich in 500 m Tiefe. Der Sprengsatz wird dennoch gezündet. Er verursacht eine Flutwelle, die sieben Menschen verletzt, und reißt einen 40 cm breiten und 2 km langen Riss ins Atoll.
  • Sommer 1981 – Chinesischen Expertenberichten zufolge treten in der Umgebung des Testgebiets Lop Nor im Nordwesten Chinas ungewöhnlich viele Fälle von Lungen- und Hautkrebs auf.
  • 14. April 1986 – Bei einem horizontal angeordneten Atomwaffenversuch im Tal Rainier Mesa in Nevada schließen eingebaute Drucktüren nicht vorschriftsmäßig. Arbeiter und weite Teile des Tals werden verseucht.
  • 13. August 1987 – Laut sowjetischen Angaben ist bei einem Nukleartest Anfang des Monats „eine bedeutende Menge Gas“ ausgetreten. Es sei aber keine Radioaktivität entwichen. Norwegische, schwedische und deutsche Strahlenschutzbehörden messen demgegenüber erhöhte radioaktive Werte.
  • 13. August 1987 – Durch einen Atomwaffenversuch der USA wird ein Erdbeben der Stärke 5,7 auf der Richterskala ausgelöst.
  • 27. September 1991 – Bei einem Raketentest im Weißen Meer entdeckt die Besatzung eines sowjetischen U-Bootes ein technisches Problem. Als das Boot auftaucht, beginnt die Rakete beim Kontakt mit der Luft zu brennen und verlässt den Startschacht als Feuerball.
  • Atomausstieg? Die Wahrheit Teil 17: Das AKW und die Bombe
    Deutschland steigt aus. Bis 2022 sollen in einem Stufenplan alle Atomkraftwerke abgeschaltet werden, das erste bereits 2015. Schwarz/gelb feiert das eigene Einknicken im Fortbestand der Atomenergie als Erfolg, rot/grün stimmt mit dem Argument “alternativlos” zu. Doch die weitere Nutzung der Atomenergie ist ethisch ncht vertretbar, denn die Herkunft der “zivilen Nutzung der Kernenergie”  ist die Atombombe!
  • 50 Jahre französische Atomwaffentests
    Am 13.02.1960 fand in der algerischen Wüste der erste französische Atomwaffentest statt – der erste von etwa 200 zum Teil oberirdischen Explosionen. Gesundheitliche Folgen in der Bevölkerung werden bis heute offiziell bestritten.
  • Heute vor 60 Jahren: Erster “Truppenversuch” mit Atombombe
    1. November 2011 – Am 01. November 1951 fand auf dem amerikanischen Testgelände Nevada Test Site der erste “Truppentest” im Zusammenhang mit einer Atombomben statt, bei dem sich US-Soldaten im Nahbereich der Explosion aufhielten. 2.796 Soldaten beobachten im Rahmen des Manövers “Desert Rock I” des amerikanischen Verteidigungsministeriums aus knapp 11 Kilometern Entfernung den Test, nach der Detonation rückten 883 Soldaten bis auf 450 Meter an die Abwurfstelle heran. Heute weiss man, dass die radioaktive Strahlung tödlich war.

Quellen (Auszug): http://www.lebenshaus-alb.de, ippnw.de; 09.07.2012