AKW Obrigheim: Verhandlungstermin im Prozess zu Stilllegung und Abbau

Mehr als 9 Jahre nach dem Abschalten des AKW Obrigheim gehen noch Gefahren und Risiken von dieser stillgelegten Atomanlage aus. Seit Dezember 2011 führen vier Mitglieder der Initiative AtomErbe Obrigheim aus der nahen Umgebung des AKW einen Prozess zur 2. Stilllegungs- und Abbaugenehmigung. Das Ziel ist, mehr Sicherheit und Transparenz beim Rückbau des AKW Obrigheim zu erreichen. Nun hat das zuständige Gericht, der Verwaltungsgerichtshof Mannheim, einen Verhandlungstermin für den Prozess festgesetzt.

AKW Obrigheim, Bild: Gisela Geprägs; Panoramio

AKW Obrigheim, Bild: Gisela Geprägs; Panoramio

Die Initiative AtomErbe Obrigheim kritisiert, dass bei dem seit 2008 laufenden Rückbau aus Kostengründen nicht mit der größtmöglichen Sicherheit und Risikovorsorge vorgegangen wird. Der Abbau des Reaktors dieser wird nach Angaben des Betreibers EnBW noch rund 10 Jahre dauern und umfasst auch den Abbau der am stärksten radioaktiv verstrahlten Teile im Innern des Reaktorgebäudes. Eine zusätzliche Gefahr stellen die 342 hochradioaktiven abgebrannten Brennelemente dar, die sich immer noch in der Anlage befinden.

„Statt diese in einem seit 2005 geplanten und nach neuesten Sicherheitsstandards gebauten CASTOR-Zwischenlager zu verwahren, wird eine riskante, überflüssige und kostengünstige Verschiebung an den ca. 50 km entfernten AKW-Standort Neckarwestheim vorgezogen – wohl erst nach den nächsten Landtagswahlen 2016“, kritisieren die AktivistInnen. „Der Rückbau des AKW Obrigheim darf nicht zum Negativbeispiel werden!“

Seit 2009 fordert die Initiative von der zuständigen Genehmigungsbehörde, dem baden-württembergischen Umweltministerium, nicht nur für die 1. Stilllegungs- und Abbaugenehmigung (SAG), sondern auch für alle weiteren, eine Öffentlichkeitsbeteiligung nach Atomrecht durchzuführen. Leider ohne Erfolg. Das Atomkraftwerk Obrigheim ist das erste, das in Baden-Württemberg stillgelegt wurde. Es hat damit eine wichtige Pilotfunktion, wie vom Betreiber EnBW immer wieder angeführt wird. Inzwischen wurden drei Stilllegungs- und Abbaugenehmigungen im August 2008, Oktober 2011 und Mai 2013 erteilt. Zur 2. SAG haben vier Mitglieder der Initiative im Dezember 2011 mit fachlicher und juristischer Unterstützung eine Klage beim Verwaltungsgerichtshof in Mannheim eingereicht.

  • Der Prozess vor dem Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg in Mannheim beginnt am Dienstag, 28. und Mittwoch, 29. Oktober 2014, jeweils ab 10.15 Uhr.

Den AtomkraftgegnerInnen geht es insgesamt um mehr Transparenz, Sicherheit und Risikovorsorge beim Rückbau des AKW. Die Hauptklagegründe sind:

  • Bis mindestens 2016 verbleiben laut Umweltministerium die 342 hochradioaktiven abgebrannten Brennelemente noch in der Anlage und erhöhen die Risiken beim Rückbau. Besser wäre, mit dem Abbau zu warten, bis die Brennelemente ins geplante Standort-Zwischenlager gebracht worden sind.
  • Bei der 2. und 3. Genehmigung gab es keine Umweltverträglichkeitsprüfung und Öffentlichkeitsbeteiligung nach Atomrecht, obwohl es um den Abbau des nuklearen Teils und der am höchsten radioaktiv belasteten Teile im innersten Bereich des AKW geht.
  • Eine umfassende radiologische Charakterisierung der Anlagenteile fehlte zu Beginn des Rückbaus. D.h. es war nicht klar, welche Bearbeitungsmethoden angewendet werden sollen und was an radioaktiven Stoffen anfällt. Unklar ist, ob dies inzwischen nachgeholt wurde.
  • Die „Freigabe“ der 275.000 Tonnen, aus denen das AKW Obrigheim besteht, ist nicht in den Stilllegungs- und Abbaugenehmigungen geregelt. Stattdessen gibt es Freigabebescheide, die eine sehr großzügige Handhabung zulassen, so dass bei der „Freimessung“ des Abbaumaterials noch nicht einmal die Vorgaben der Strahlenschutzverordnung eingehalten werden müssen. Es wurden bereits mehrere Tausend Tonnen Abbaumaterial aus Obrigheim „freigemessen“. Daraufhin gilt es nicht mehr als Atommüll, sondern als gering radioaktiv belasteter Abfall, der wie normaler Müll behandelt werden muss oder sogar frei wiederverwertet werden darf. Mehrere Hundert Tonnen wurden so bisher auf die Mülldeponien in Buchen und in Sinsheim gebracht oder im Müllheizkraftwerk Mannheim verbrannt. Der größte Teil der 275.000 Tonnen wird überhaupt nicht systematisch gemessen, da er als „kontaminationsfrei“ deklariert ist.

Mit dem Prozess soll juristisch geklärt werden, ob das so zulässig ist.

Die Initiative AtomErbe Obrigheim wünscht sich zur Unterstützung ihrer Klage einerseits Präsenz bei der Verhandlung, andererseits werden aber auch noch dringend Spenden gebraucht.

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Quelle (Auszug): atomerbe-obrigheim.de, 21.10.2014