„Schön, dass wir mal drüber geredet haben“ – Anti-Atom-Bewegung nicht beim Endlagerforum

Über 140 Bürgerinitiativen und Umweltverbände haben öffentlich erklärt, sich am heute in Berlin beginnenden „Forum Standortauswahlgesetz“ nicht zu beteiligen. Das „Forum“ wird vom Bundesumweltministerium und den vier Fraktionen des Bundestags ausgerichtet. Unter den Fernbleibenden sind Bürgerinitiativen von allen 17 Standorten, an denen in Deutschland derzeit größere Mengen hochradioaktiver Atommüll gelagert wird und alle an der Organisation der Anti-Atom-Protesten der letzten Jahre maßgeblich beteiligten Umweltverbände. Bundesumweltmninister Altmaier meint jedoch, es gäbe ein „riesiges Interesse“.

„Nicht wir verweigern uns der Mitarbeit in Sachen Atommüll, sondern die Politik verweigert den Bürgerinnen und Bürgern eine angemessene Beteiligung“, erklärt dazu Jochen Stay, Sprecher der Anti-Atom-Organisation .ausgestrahlt. „Das Forum ist eine Farce und nur Pseudo-Beteiligung. Denn das Endlagersuchgesetz hat schon die erste Lesung im Bundestag hinter sich und die beteiligten Politiker haben erklärt, wesentliche Änderungen seien nicht mehr möglich. Wer will schon an einem Fußballspiel teilnehmen, dessen Ergebnis bereits feststeht?“

Bei diesem Forum gehe es nicht darum, sich auf das bestmögliche Verfahren zum Umgang mit Atommüll zu einigen. Sondern es gehe darum, einem schlecht gemachten Gesetz zusätzliche Legitimation zu verschaffen, ohne es groß ändern zu müssen. Da machen wir nicht mit, bekräftigt Stay.

Gerade dass die Bürgerinitiativen von den Standorten, an denen der Atommüll derzeit zwischengelagert wird, nicht nach Berlin kommen, mache vieles deutlich: Denn das seien genau diejenigen, die darunter zu leiden haben, je länger es keinen dauerhaften Lagerplatz für den strahlenden Abfall gibt. Sie alle fehlen, weil sie sich weder vom Endlagersuchgesetz noch vom Forum etwas Positives erwarten.

Heute morgen bekräftigte der Bundesumweltminister im Deutschlandfunk, dass es „nicht stimme, dass die meisten Organisationen abgesagt haben, sondern es gäbe ein riesiges Interesse“ an dem „Bürgerforum“. „Wir haben eine sehr gute Beteiligung“, so Altmaier.

„Eine Showveranstaltung unter dem Motto ‚Schön, dass wir mal drüber geredet haben!‘ ersetzt keine Bürgerbeteiligung. Das Gesetz ist bereits so gut wie beschlossen. Heute dürfen die Betroffenen je fünf Minuten reden, ohne an dem Gesetz wesentliche Änderungen vornehmen zu können. Das ist Politzirkus!“, meint Mathias Edler, Atomexperte von Greenpeace.

Am Ende des DLF-Interviews bekräftigt Altmaier dann auch nocheinmal den Hintergrund des Beteiligungs-Forums: es läge bei den Fraktionen, die den Gesetzesentwurf eingebracht haben, „ob und welche Anregungen aus diesem Bürgerforum sie aufnehmen und in den Gesetzentwurf einfügen.“

„Wir fordern Bund, Länder und Bundestagsfraktionen auf: Setzen Sie zuerst eine die gesellschaftliche Breite repräsentierende Kommission ein, die einvernehmlich ein Suchverfahren entwickelt und machen danach daraus ein Gesetz – und nicht umgekehrt!“, so Jochen Stay abschließend.

„Ein verantwortungsvoller Umgang mit dem gefährlichsten Müll der Menschheit, der die Sicherheit von 30. 000 Generationen bedroht, sieht anders aus“, meint Mathias Edler.

Alle Anwohner der derzeitigen Standorte für Zwischenlager und künftiger Endlagerstandorte müssten an der Diskussion beteiligt werden. Wer heute ein Gesetz übers Knie bricht, wird am Ende länger brauchen. Denn ohne gesellschaftlichen Konsens würde der Suchprozess zur unendlichen Geschichte.

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Quellen (Auszug): dradio.de, ausgestrahlt.de, greenpeace.de, dpa; 31./31.05.2013