Mehr Krebsfälle um das AKW Hamm-Uentrop

Im September ist die Ruine 30 Jahre alt geworden: In Hamm-Uentrop steht der „Thorium-Hochtemperatur Reaktor“ (THTR) im sog. sicheren Einschluss und wartet auf seine Entsorgung. Rund um den Reaktor, der über den Versuchsbetrieb nie wirklich hinauskam und 1985 abgeschaltet wurde, häufen sich Krebsfälle.

THTR Hamm Uentrop; Bild: Tim Reckmann / wikipedia

THTR Hamm Uentrop; Bild: Tim Reckmann / wikipedia

Das radioaktive Restmaterial des Meilers wird von fünf Meter dickem Stahlbeton abgeschirmt. Damit keine Strahlung nach außen dringt, wurden sämtliche Zugänge und Türen mit Schweißnähten hermetisch verschlossen. Drei Millionen Euro kostet dieser Zustand pro Jahr. Und der geplante Abriss wird immer teurer: Der Rückbau soll 404 Mio. Euro kosten und damit deutlich mehr als bislang veranschlagt. Wer die Kosten trägt, ist unklar. Wegen der hohen Strahlenbelastung kann mit den Arbeiten erst zwischen 2023 und 2044 begonnen werden. 2011 war noch Kosten in Höhe von 347,1 Mio. Euro vermutet worden. Schon die Baukosten von damals 2,2 Milliarden Euro waren zu 80 Prozent aus der Staatskasse finanziert worden. Der Reaktor war auf 20 Betriebsjahre ausgelegt – lief aber wegen vieler Pannen nur drei Jahre.

  • Nun wurden rund um den stillgelegten Atomreaktor Hamm-Uentrop in Nordrhein-Westfalen vermehrt Fälle von Schilddrüsenkrebs bei Frauen festgestellt: es gebe eine „statistisch signifikant erhöhte Rate für Schildrüsenkrebs bei Frauen in den Jahren 2008 bis 2010“.

Es gebe „keine Hinweise auf den Atomreaktor als Verursacher, weil typische Strahlenkrebsarten und die Schilddrüsenkrebs-Rate bei Männern unauffällig seien“, teilte Nordrhein-Westfalens Umweltminister Johannes Remmel (Grüne) mit. Das Krebsregister NRW errechnete ein um 64 Prozent erhöhtes Risiko gegenüber einer Referenzregion. Als mögliche Ursache nennt das Land „häufigere Vorsorgeuntersuchungen“ als in anderern Regionen.

Am 4. Mai 1986 kam es im THTR zu einem schwerwiegenden Störfall: es traten radioaktive Aerosole aus. Zerbrochene Kugelbrennelemente verstopften Rohre der Beschickungsanlage, und man versuchte, sie mit hohem Gasdruck freizublasen. Weitere Versuche hatten zur Folge, dass sämtliche verklemmten Kugeln zerbrachen und Teile der Anlage verbogen wurden. Das tatsächliches Ausmaß des Störfalls wurde erst einige Tage später bekannt, weil der Betreiber versuchte das Ereignis zu vertuschen. Parallel befanden sich nämlich große Mengen an radioaktiver Strahlung aus dem GAU von Tschernobyl über Deutschland. Die Umgebung des THTR wies ein um ein Mehrfaches höhere Werte als im übrigen Landesgebiet auf, wissenschaftlich konnte die Herkunft der Emission aus dem THTR bewiesen werden. 2012 waren darüber hinaus um den Reaktor herum kleine Kügelchen gefunden worden.

Bei den Bewohnern rund um das alte Kraftwerk bleiben nun vor allem Fragen und die Angst vor Krebs. Die Landesregierung will der Häufung beim Schilddrüsenkrebs „mit Nachdruck“ nachgehen. Es waren aber auch erst besorgte Bürger, die diese Untersuchungen überhaupt durchgesetzt hatten.

Atomkraftgegner erinnern an die geheimnisvollen Funde in der Elbmarsch, rund um das Atomkraftwerk Krümmel und die Atomanlagen der GKSS Geesthacht. Dort wird bis heute ein Zusammenhang zwischen den Anlagen und dem weltweit höchsten Leukämiecluster unter Kindern bestritten. Kritiker sehen auch dank der „KIKK-Studie“ die Tatsache belegt, dass Menschen im Nahbereich von Atomanlagen signifikant häufiger an  Krebs erkranken, als anderswo. Die Betreiber und offiziellen Stellen bestreiten das selbstverständlich.

  • Möglicherweise radioaktive Partikel um Hamm-Uentrop
    22. Dezember 2012 – Um das ehemalige Atomkraftwerk Hamm-Uentrop wurden Mikro-Kügelchen gefunden, laut Experte Heinz-Werner Gabriel sind sie radioaktiv. Stammen sie aus dem THTR? Ein Störfall im Jahre 1986 könnte eine Erklärung sein. Damals waren große Mengen radioaktive Aerosole in die Umgebung gelangt.
  • Bundesrat lehnt strengere Regeln für AKW-Rückbau ab
    14. Dezember 2012 – Der Bundesrat hat einen Antrag abgelehnt, die Regeln für Rückbau von Atomkraftwerken zu verschärfen. Das Land Schleswig-Holstein hatte den Vorstoss gemacht, weil bislang abgeschaltete Anlagen für Jahrzehnte nicht rückgebaut werden müssen. Atomkraftgegner weisen auf weitere Risiken hin.
  • Erhöhtes Krebs- und Leukämie-Risiko durch AKW-Revisionen
    10. April 2012 – Einmal im Jahr werden die Atomkraftwerke abgeschaltet, um Wartungsarbeiten und einen Austausch von Brennelementen durchzuführen. In dieser etwa 14tägigen Zwangspause steigt anch Angaben des IPPNW die Radioaktivität im Nahbereich um die Reaktoren. Man solle in den Urlaub fahren, so die kritischen Ärzte. Das AKW Grohnde wurde am letzten Donnerstag zur Revision abgefahren.
  • IPPNW: Auch in Frankreich erkranken mehr Kinder im Umkreis von Atomkraftwerken an Leukämie
    19. Januar 2012 – Im Umfeld von französischen Atomkraftwerken sind laut der sogenannten Geocop-Studie des französischen Medizin-Instituts Inserm zwischen 2002 und 2007 fast doppelt so viele Kinder unter 15 Jahren an Leukämie erkrankt wie im Landesdurchschnitt. Die französische Studie ist für die atomkritische Ärzteorganisation IPPNW ein weiterer Beleg für den Zusammenhang zwischen ionisierender Strahlung und der Zunahme von Leukämieerkrankungen bei Kindern.
  • Erhöhte Zahl von Krebserkrankungen um AKW Brokdorf
    18. Januar 2012 – Die Wahrscheinlichkeit im Nahbereich eines Atomkraftwerkes an Leukämie zu erkranken, ist um 44 Prozent erhöht. Vor fünf Jahren hat die KIKK-Studie nachgewiesen, dass besonders Kinder betroffen sind, vor wenigen Tagen veröffentlichten französische Forscher eine Studie zu einer vermehrten Erkrankungsrate um die AKWs im eigenen Land. Um das Atomkraftwerk Brokdorf sind zwischen 1998 und 2008 fast 150 Menschen erkrankt. Nun fordern die Menschen Klarheit und die Stilllegung des Reaktors.
  • Neue Analyse belegt: Leukämierisiko im Umkreis von AKWs signifikant erhöht
    4. August 2011 – Kleinkinder im Nahbereich von Atomkraftwerken haben ein signifikant erhöhtes Risiko an Leukämie zu erkranken. Das belegt eine heute im Strahlentelex veröffentlichte Metaanalyse des Wissenschaftlers Dr. Alfred Körblein. Die gemeinsame Auswertung von Daten aus Deutschland, Großbritannien und der Schweiz zeigt im 5km-Bereich eine signifikant um 44 Prozent erhöhte Leukämierate gegenüber der Rate im Entfernungsbereich größer als 5 km (p=0,004).
  • Erhöhte Krebserkrankung um die Endlager Asse und Morsleben
    28. November 2010 – Um die zwei Endlagerbergwerke in Deutschland, in denen Atommüll eingelagert wurde, ist die Erkrankung an Blutkrebs signifikant erhöht. Laut Krebsregister sind doppelt soviele Menschen an Leukämie erkrankt, als im Bundesdurchschnitt. Nun müssen Untersuchungen folgen, um die Ursachen zu klären. Das es einen Zusammenhang mit dem Atommüll gibt, kann nicht ausgeschlossen werden. Erste “Experten” erklären einen Zusammenhang mit dem Atommüll schonmal als unwahrscheinlich.
  • Weniger Mädchen in der Umgebung von Atomkraftwerken
    23. November 2010 – In der Umgebung von Atomkraftwerken kommen in Deutschland und der Schweiz weniger Mädchen auf die Welt. Das geht aus einer im Oktober 2010 veröffentlichten wissenschaftlichen Studie von Ralf Kusmierz, Kristina Voigt und Hagen Scherb hervor. In den letzten 40 Jahren haben Mütter, die in Deutschland und in der Schweiz im Umkreis von 35 km einer der untersuchten 31 Atomanlagen leben, bis zu 15.000 Kinder weniger geboren als durchschnittlich zu erwarten gewesen wäre, die Mehrzahl davon Mädchen. Für die atomkritische Ärzteorganisation IPPNW untermauert diese Studie den ursächlichen Zusammenhang von radioaktiver Strahlung und einer Schädigung von Zellen – insbesondere bei Embryonen.

Quellen (Auszug): iwr.de, wa.de, soester-anzeiger.de, wdr.de; 02.12.2013