„Das ist doch Unsinn“: Unser Atommüll bleibt hier

Die vorgesehene 14. Änderung des Atomgesetzes schlägt Wellen. Insbesondere die Möglichkeit eines Exports von Atommüll steht im Mittelpunkt der öffentlichen Diskussion. Die Führungsspitze der CDU ist sich unterdessen einig: Unser Atommüll bleibt hier, sagt Frau Merkel. Denn ein Export wäre „Unsinn“ sagt Altmaier. Atomkraftgegner warnen vor Tricksereien und fordern die Verankerung eines Verbots von Atommüllschiebereien und das Umdeklarieren zu „Wertstoff“ im Grundgesetz.

Stoppt das dreckige Atomgeschäft!

Stoppt das dreckige Atomgeschäft!

Bislang ist die Gesetzeslage klar: Wer in Deutschland hochradioaktiven Atommüll besitzt, muss ihn bei einem Endlager im Besitz des Bundes abliefern. Das schreibt das Atomgesetz vor. Atomkraftgegner warnen vor der Änderung des Atomgesetzes anlässlich einer EU-Richtlinie, denn damit wird nicht nur der Export von Atommüll in andere Länder zugelassen, sondern auch der Import nach Deutschland.

Es sei klar, „dass wir unseren Abfall bei uns lagern“, sagte die Bundeskanzlerin am Samstag bei der Klausurtagung ihrer Partei im niedersächsischen Wilhelmshaven. Diese Haltung sei „sehr gefestigt“. Deutschland müsse sich um seine eigenen Abfälle kümmern. „Das war immer unsere Politik, und dafür ist auch schon viel Anstrengung übernommen worden.“

„Der Atommüll aus deutschen Kernkraftwerken wird in Deutschland endgelagert werden und nicht im Ausland“, sagte ein Sprecher von Umweltminister Peter Altmaier bereits am Freitag. Altmaier selbst sagte zu den Berichten kurz und bündig im WDR: „Das ist der größte Unsinn, den ich jemals gehört habe.“ Er hält weiter an einem „Allparteienkonsens“ fest, rasch nach der Niedersachsen-Wahl Einigung für ein Standortsuchgesetz zu erreichen – um dann in Deutschland nach einem Endlager zu suchen.

Es müssten nur entsprechende Abkommen geschlossen werden, dann könnte sogar der Import erlaubt sein, warnt Wolfgang Ehmke, Sprecher der BI Lüchow-Dannenberg. Und damit wächst der Druck auf Gorleben, denn der Standort hat schließlich einen Erkundungsvorsprung. Und die Richtlinie könnte dazu dienen, die Opposition für eine Zustimmung zu einem Standortsuchgesetz zu erpressen: Zur Not stünde eine Endlagerung im Ausland – etwa in Russland – zur Verfügung, sobald der Regierungsentwurf der AtG-Novelle Gesetz werde. Voraussetzung sei lediglich ein entsprechendes bilaterales Abkommen über eine „sichere“ Endlagerung mit dem betreffenden Staat.

„Altmaier lüftet den Deckel des russischen Atomklos. Meint der Bundesumweltminister es wirklich ernst damit, hochradioaktive Abfälle auf sibirischen Atommüllkippen endlagern zu wollen? Oder droht er nur damit, um ein Endlager in Gorleben mit dem Hinweis auf die russische Alternative leichter durchdrücken zu können? Der Minister muss diesen Gesetzentwurf in jedem Fall schleunigst zurückziehen“, fordert Tobias Münchmeyer, Atomexperte von Greenpeace.

„Die Bundesregierung rüttelt, ohne dies öffentlich zu thematisieren, an dem bei allen Auseinandersetzungen um die Atomenergie in Deutschland immer wieder bestätigten Konsens, wonach der hochradioaktive Atommüll, der in deutschen Atomkraftwerken entsteht, auch in Deutschland zu entsorgen sei“, sagt Michael Spielmann, Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe. Es sei nicht „erklärbar, warum die Regierung darauf verzichtet, einen klaren gesetzlichen Vorrang der Inlandsendlagerung im Gesetz festzuschreiben“.

Da sich die Regierung zur Zeit einig scheint, dass ein Export ins Ausland weder geplant noch in Zukunft gewollt wäre, könnte sie jetzt Fakten schaffen: Indem ein eindeutiges Verbot des Exports von radioaktiven Abfällen ins Grundgesetz geschrieben wird.

  • Die AKW-Betreiber haben ein Problem: Weder steht Schacht Konrad für die tausenden Tonnen schwach- und mittelaktive Abfälle zur Verfügung, noch gibt es eine Lösung für den hochaktiven Müll. Und eine realistische Perspektive gibt es nicht. Immer größere Zwischenlagerkapazitäten müssen geschaffen werden.

Damit ist die Verlockung zur Verschiebung der Abfälle groß, denn einerseits würde sich jeder Politiker über eine Lösung des Entsorgungsproblems freuen – denn dann käme das Endlager nicht in sein Bundesland -, andereseits wären die Energiekonzerne ihr größtes Legitimitäts-Problem mit ihren Atomkraftwerken los: Die Entsorgungsfrage wäre gelöst, die Reaktoren könnten weiterlaufen.

Doch in der Vergangenheit wurde dieser Export bereits praktiziert – allerdings mit einem Trick: Der Atommüll wurde zu „Wertstoff“ umdeklariert – und so landeten bereits zehntausende Tonnen Müll aus der Urananreicherungsanlage Gronau bereits in der russischen Steppe. Auch gab es mit der Wiederaufarbeitungsanlage Sellafield Tauschgeschäfte: weniger schwach- und mittelaktiven Müll gegen ein bisschen mehr stark strahlende Abfälle.

Im Rahmen der Debatte um „Transmutation“ und „Rückholbare Endlagerung“ wird aber auch heute schon deutlich, dass die Atomindustrie ihren jahrtausende tod-bringenden Müll schon jetzt als „Wertstoff“ betrachtet. Im November 2012 berichtete das Schweizer „nuklearforum“ über die Studien des britischen Milliardärs Sir Richard Branson, der „Atommüll“ als „wertvolle Ressource“ beschreibt und der Atomenergie so dem negativen Image der schwierigen Entsorgung ihrer Reststoffe nehmen will.

Atomkraftgegner fordern ein sofortiges Ende der Atommüll-Tricksereien:

  • Einerseits muss die Produktion von immer mehr Strahlenabfall sofort unterbunden werden: AKWs stilllegen!
  • andererseits muss der Export der jahrtausende gefährlichen Stoffe unwiderruflich verboten werden. Auch eine Deklaration von Atommüll zu „Wertstoff“ muss gesetzlich verhindert werden.
  • E.ON macht Druck auf Gorleben
    29. Dezember 2012 – Der Atomkonzern E.ON macht Druck auf Gorleben: Kommt das Endlager nicht, würden die atomaren Zwischenlager an den deutschen AKW-Standorten länger in Betrieb bleiben als vorgesehen. Atomkraftgegner fordern, die Produktion von neuem Müll zu verbieten.
  • EU-Richtlinie: Atommülltransfer soll erlaubt werden
    18. Dezember 2012 – Der Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz (BBU) und die Bürgerinitiative Umweltschutz Lüchow-Dannenberg e.V. (BI) reagieren empört auf die Aufforderung des Bundesumweltministeriums, innerhalb kürzester Zeit und zwischen Jahren den Entwurf für die 14. Änderung des Atomgesetzes im Rahmen der “Länder- und Verbändeanhörung” zu kommentieren. Denn im Kern geht es u.a. um Atommülltransfer, der innerhalb der EU erlaubt werden soll.
  • Bundesrat lehnt strengere Regeln für AKW-Rückbau ab
    14. Dezember 2012 – Der Bundesrat hat einen Antrag abgelehnt, die Regeln für Rückbau von Atomkraftwerken zu verschärfen. Das Land Schleswig-Holstein hatte den Vorstoss gemacht, weil bislang abgeschaltete Anlagen für Jahrzehnte nicht rückgebaut werden müssen. Atomkraftgegner weisen auf weitere Risiken hin.
  • Atommüll-Entsorgungsfiasko offenbart sich in Biblis
    10. November 2012 – Das Atomkraftwerk Biblis benötigt mehr Platz für radioaktiven Müll. Im kommenden Frühjahr soll deshalb der Bau eines weiteres Zwischenlagers beantragt werden. In Biblis offenbart sich die Entsorgungsmisere, attestieren Atomkraftgegner.
  • Furcht vor Abriss von Atomkraftwerken
    9. November 2012 – Die deutschen Atomkraftwerke sollen nach ihrer Abschaltung zurückgebaut und abgerissen werden. Übrig bleiben sollen grüne Wiesen. Bürgerinitiativen sehen viele Gefahren beim Abbau: In einem Artikel der “Deutschen Welle” bezieht contrAtom-Sprecher Jan Becker Position.
  • Atomabfallwirtschaft: Fortgesetzte Schlamperei
    27. September 2012 – Asse eine Katastrophe, Gorleben vorläufig gescheitert, Schacht Konrad mit ungewisser Zukunft – so lautet die düstere Bilanz eines halben Jahrhunderts deutscher Atomabfallwirtschaft. Die FAZ beschreibt in ihrer heutigen Ausgabe sehr treffend die Entsorgungsmisere: Eine Aufhellung dieser Bilanz ist nicht in Sicht.

Quellen (Auszug): handelsblatt.com, tagesschau.de, greenpeace.de, duh.de, endlagerdialog.de, taz.de; 04./05.01.2013 / nuklearforum.ch, 19.11.2012