Atomausstieg – Die Wahrheit Teil 5: Die Entsorgungsperspektive ist keine

Deutschland steigt aus. Bis 2022 sollen in einem Stufenplan alle Atomkraftwerke abgeschaltet werden, das erste bereits 2015. Schwarz/gelb feiert das eigene Einknicken im Fortbestand der Atomenergie als Erfolg, rot/grün stimmt mit dem Argument “alternativlos” zu. Doch eine Perspektive für Entsorgung des Atommülls – weder für die Mengen, die bislang existieren, noch für die, die dazukommen werden, gibt es nicht.

  • Seit 1957 wird in deutschen Atomreaktoren Uran gespalten und dadurch Atommüll erzeugt. Bis Sommer 08 wurden in Deutschland schätzungsweise 12.500.000 Kilo dieses Brennelementmülls erzeugt.
  • Bis zur Abschaltung des letzten Atomkraftwerk in Deutschland – Neckarwestheim-2 im Jahre 2022 – werden weitere 2.565 Tonnen hochradioaktiver Atommüll produziert. Allein die zwei Blöcke des AKW Gundremmingen produzieren täglich etwa 170 kg strahlenden Atommüll neu. Darin sind ca. 1,7 kg Plutonium enthalten.

Und noch kein Kilo ist entsorgt!

Durch AKW-Betrieb entstanden bis Ende 1986 in Deutschland 2.568 Tonnen abgebrannter Brennelemente. Bis zum Jahr 2000 waren es schon 8.472 Tonnen verbrauchte und 1.188 Tonnen teilverbrauchte hochradioaktive Brennelemente. Mit Betrieb der 17 Meiler wurden bundesweit jährlich weitere ca. 450 Tonnen Brennelemente „verbrannt“ und damit zu Atommüll. Zur Effizienzsteigerung werden in Brennelemente heute stärker angereichert und noch länger im Reaktor benutzt („höherer Abbrand“). Dabei wird zwar die jährliche Menge des Atommülls etwas vermindert, die dabei künstlich geschaffenen Radioaktivität jedoch nicht. Im Gegenteil: Durch stärkere Anreicherung und höheren Abbrand entsteht Atommüll mit noch mehr Problemen: höhere Toxizität und längere Abklingzeiten.

Die Entsorgungsperspektive: Keine!

  • atomwirtschaft 6/1961: Vor über 45 Jahren schrieb die atomwirtschaft, quasi die Verbandszeitung der Atomindustrie, die Atommüllfrage sei erledigt
  • Beschluß der Regierungschefs von Bund und Ländern zur Entsorgung der KKW vom 28.9.1979: „Sie (die Regierungschefs) bekräftigen den Grundsatz, daß die sichere Gewährleistung der Entsorgung der Kernkraftwerke eine der unabdingbaren Voraussetzungen für die weitere Nutzung und für den weiteren begrenzten Ausbau der Kernenergie bildet.“
  • Grundsätze zur Entsorgungsvorsorge für Kernkraftwerke (29.2.1980): „Entsorgung ist die sachgerechte und sichere Verbringung der während der gesamten Betriebszeit der Anlage anfallenden bestrahlten Brennelemente in ein für diesen Zweck geeignetes Lager mit dem Ziel ihrer Verwertung durch Wiederaufarbeitung oder ihrer Behandlung zur Endlagerung ohne Wiederaufarbeitung und die Behandlung und Beseitigung der hierbei erhaltenen radioaktiven Abfälle“
  • Bundeskanzler Kohl in der Regierungserklärung vom 4. Mai 1983: „Die Entsorgung muss und wird zügig verwirklicht werden.“
  • Bundesminister für Forschung und Technologie Riesenhuber am 7. Juni 1983: „Die Entsorgung im eigentlichen Sinn findet erst bei der Endlagerung statt.“ (Broschüre der dt. Bundesregierung: Wohin mit dem nuklearen Abfall?“, Okt. 83)
  • Verband der Elektrizitätswirtschaft e.V. am 28.2.1997: „Entsorgung radioaktiver Abfälle gelöst“
  • SPD und Grüne beschließen im Deutschen Bundestag am 14. Dezember 2001 bei der Verabschiedung des neuen Atomgesetzes den Entschließungsantrag 14/7840: „Die Verantwortung für die Endlagerung liegt beim Bund. Da die politischen Entscheidungen eine große Tragweite haben, sieht sich der Gesetzgeber in der Pflicht, die Arbeits- und Entscheidungsprozesse kontinuierlich zu verfolgen. Er beauftragt deshalb den Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, ihm in der 15. Legislaturperiode einen nationalen Entsorgungsplan vorzulegen, in dem Sachstand, weiteres Vorgehen und Zeitplan für Entsorgung und Endlagerung dargelegt werden. Dieser Entsorgungsplan ist fortzuschreiben und dem deutschen Bundestag jeweils ein Jahr nach dem Zusammentritt vorzulegen. … Bis zum Jahr 2010 sollte Klarheit über den oder die Standorte bestehen, die untertägig auf ihre Eignung als Endlager erkundet werden sollen. Spätestens bis zum Jahr 2030 sollte ein Endlager für hochradioaktive Abfälle in Betrieb genommen sein.“
  • Gemeinsam für Deutschland – mit Mut und Menschlichkeit Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD vom 11.11.2005: CDU, CSU und SPD bekennen sich zur nationalen Verantwortung für die sichere Endlagerung radioaktiver Abfälle und gehen die Lösung dieser Frage zügig und ergebnisorientiert an. Sie beabsichtigen in dieser Legislaturperiode zu einer Lösung zu kommen.
  • 15.10.08 Erklärung der CDU/CSU-Bundestagsfraktion: „Endlagerfrage ist lösbar. Unser heutiges Fachgespräch hat gezeigt, dass eine Lösung der Endlagerfrage möglich ist“.
  • Umweltminister Röttgen im  März 2010: „Die Endlagerfrage ist auch nach 40 Jahren Nutzung von Kernenergie bis heute ungelöst. Völlig unabhängig davon, wie man zur Nutzung der Kernenergie steht, darf sich kein Entscheidungsträger in Politik und Gesellschaft vor dieser Frage drücken. (10 Jahre Moratorium in Gorleben: …) Damit wurde die Aufgabe, eine Lösung für die Endlagerung dieser Abfälle zu finden, bereits zu unrecht auf die nächste Generation verlagert. Damit daraus nicht die übernächste Generation wird, werden die Erkundungsarbeiten in Gorleben so zügig wie möglich aufgenommen, um die notwendige Datengrundlage für die Eignungsprüfung zu schaffen.“
  • Schwarz/gelb will die Endlagerfrage noch in dieser Legislaturperiode klären: Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) erklärte Ende April 2011, dass er sich dafür einsetzen will, dass die Endlagerung von Atommüll Teil des geplanten Energiepakets wird.
  • Ende Mai 2011 empfiehlt die Ethikkommission der Bundesregierung, dass der radioaktive Abfall rückholbar gelagert wird. Unterstützung findet dieser Vorstoß bei etlichen Politikern, auch aus der Union. Atomkraftgegner sehen darin den Offenbarungseid, dass die Konzepte zur Tieflagerung gescheitert sind. Man steht damit wieder am Anfang aller Überlegungen.

Die Lösungen? Keine.

Gorleben: Die Endlagerfrage sollte mit der Verbringung aller hochradioaktiven Abfälle in den Gorlebener Salzstock gelöst werden. Doch seit 30 Jahren reissen Kritik und Zweifel nicht ab. Denn letztlich war die Standortentscheidung eine politische – und keine geologische. Unter Ministerpräsident Albrecht sollte den „Ostzonalen eins ausgewischt“ werden, weil man der damaligen Bundesrepublik das DDR-Endlager Morsleben vor die Tür gebaut hatte. Seitdem gibt es Gefälligkeitsgutachten der Atomlobby, die eine Eignung belegen sollen.

Schacht Konrad: Zwar erhielt das ehemalige Eisenerzbergwerk 2007 die Genehmigung für den Endlagerausbau, eine Eignung für eine langfristige, sichere Lagerung für tausende Tonnen schwach- und mittelaktiven Müll existert nicht. Etliche Betreiber von Atomanlagen verweisen auf Schacht Konrad als Endlager für ihre Atommüllberge – die insbeonderes durch den Abbau der AKW entstehen (werden). Doch die Inbetriebnahme des geplante Endlagers verzögert sich immer weiter, heute ist 2019 geplant, und die Kosten explodieren.

Asse-II und Morsleben, die zwei havarierten Endlagerbergwerke in Deutschland haben eindrücklich gezeigt, dass Tiefenlagerung von Atommüll gescheitert ist. Morsleben bricht zusammen und muss stetig stabilisiert werden. Aus der Asse-II soll sämtlicher Atommüll wieder geborgen werden.

  • Tag für Tag werden in den deutschen AKW-Blöcken jeweils 70 Kilo Brennelementmüll produziert. Und die Entsorgungs-Perspektive ist derzeit keine.

Angesichts der Erfahrungen mit ASSE II und Morsleben muss das Konzept der „wartungsfreien“, nicht rückholbaren Endlagerung grundsätzlich neu bewertet werden.

Die Projekte Schacht KONRAD und Gorleben müssen aufgegeben – und die weitere Produktion von Atommüll sofort unterbunden werden!

  • Transmutation
    Atommüll-Transmutation – teuer, ungewiss und gefährlich. “Transmutation” – die Lösung für das Atommüllproblems? Mithilfe chemischer und physikalischer Verfahren sollen langlebige Isotope, die Jahrtausende gefährlich strahlen, unschädlicher gemacht werden. Ihre Halbwertzeit soll drastisch reduziert werden und damit auch der Aufwand für eine Endlagerung. Eines der gewichtigsten Argumente gegen den Weiterbetrieb der Atomkraftwerke wäre relativiert: die Frage nach der Langzeitsicherheit von Atommülllagern. Doch erstmal kostet die Entwicklung erheblich Geld, ist gefährlich und grundsätzlich ist ungewiss, ob sie im großen Stil funktioniert.

Quellen (Auszug): atommuell-lager.de, ippnw-ulm.de; 26.06.2011