Belgische AKW: Atomkraftgegner fordern unabhängige Untersuchungen von tausenden Rissen

Die belgische Atomaufsicht verweigert erneut die Beteiligung von unabhängigen Experten bei der Untersuchung der wegen drastischer Sicherheitsmängel abgeschalteten AKWs in Tihange und Doel. Darauf weisen Atomkraftgegner hin und fordern umfassende Untersuchungen der Meiler, in denen tausende Risse im Reaktordruckbehäkter festgestellt wurden.

Belgisches AKW Tihange; Bild: google street view

Belgisches AKW Tihange; Bild: google street view

Die Geschichte um die Risse in den beiden AKW-Blöcken Doel 3 und Tihange 2 geht in die nächste Runde. Beide AKWs waren im März 2014 vom Betreiber panikartig abgeschaltet worden, nach dem Testergebnisse eine absolut kritische Situation im Reaktordruckbehälter gezeigt hatten, berichtet das Aachener Aktionsbündnis gegen Atomenergie. Diese Testergebnisse entsprachen weitestgehend den warnenden Voraussagen einer wissenschaftlichen Konferenz, die im Januar 2014 von den AtomkraftgegnerInnendurchgeführt wurde. Der AKW-Betreiber Electrabel habe mittlerweile weitere Tests durchgeführt – „vermutlich in der Hoffnung, doch noch etwas zu finden, was die finale Abschaltung beider AKWs verhindern könnte“, so die Aktivisten.

Alle Testergebnisse liegen jetzt der belgischen Atomaufsicht (FANC) vor. Diese habe – im Gegenteil zu einer ersten Expertenrunde bis Februar 2013, an der ausschließlich Experten teilgenommen haben, die in einem ökonomischen Abhängigkeitsverhältnis zur Nukleartechnik stehen, nun ein internationales Team berufen. Das soll eine seriösere Bewertung dieser Testergebnisse vornehmen. 2013 hatte die Kommission noch das Wiederanschalten beider AKW-Blöcke befürwortet. Nach erheblichen Protesten durch AtomkraftgegnerInnen und in der Folge neuen Untersuchungen durch den Betreiber wurden Tihange-2 und Doel-3 dann aber keine zwölf Monate später wieder abgeschaltet.

„Leider wurden bisher weder die Namen der Experten noch deren fachliche Qualifizierung veröffentlicht“, kritisieren die Atomkraftgegner und fordern „dass bei Berufung solch einer Kommission auch unabhängige ExpertenInnen hinzu genommen werden müssen.“

Zu den Vorschlägen der Kritiker gehören Prof. Wolfgang Renneberg, langjähriger Leiter der bundesdeutschen Atomaufsicht, Prof. Wolfgang Kromp, Materialwissenschaftler, Dr. Ilse Tweer, Materialwissenschaflerin, Dipl.-Ing Dieter Majer, technischer Leiter der deutschen Atomaufsicht und Dr. Rainer Moormann, Chemiker und Experte für nukleare Anlagen. Die FANC hat die Hinzuziehung unabhängiger Experten abgelehnt. Die Begründung: die vorgeschlagenen Wissenschaftler wären für die anstehende Expertise nicht qualifiziert. Zu den Namen der eigenen Experten schweigt die Behörde aber.

Für die Aachener AKW-Gegner ist völlig unverständlich, wieso die FANC keine Lehren aus dem blamablen Versagen ihrer ersten strategischen Expertenrunde gezogen hat. Schließlich war es eine Expertenkommission, die das Anschalten zweier AKWs empfiehlt und keine zwölf Monate später durch Testergebnisse den Beweis ihrer Fehlentscheidung vorgeführt bekommt. Solch eine Expertenkommission habe „offensichtlich defizitär gearbeitet“.

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    17. August 2012 – Laut Willy de Roovere, Chef der belgischen Atomaufsichtsbehörde AFCN, sind 8.000 Risse am unteren Teil des dritten Reaktorblocks des belgischen AKW Doel entdeckt worden. Heute wurde ein zweiter betroffener Reaktor abgeschaltet. Die Atomaufsicht zweifelt, dass Doel-3 jemals wieder ans Netz gehen wird. Atomkraftgegner sind entsetzt, denn die Risse wurden erst mit einem “neuen Messverfahren” gefunden.

Quelle (Auszug): PE Aachener Aktionsbündnis gegen Atomenergie, 7.10.2014