Belgien: Rissige Reaktoren wieder am Netz

Nach knapp einem Jahr Zwangspause wurde der belgische Atomreaktor Doel 3 wieder in Betrieb genommen. Es waren im Reaktorbehälter von Doel 3 und Tihange 2 tausende Haarrisse festgestellt worden, die Atomaufsicht zweifelte daran, dass die Blöcke aus Sicherheitsgründen jemals wieder ans Netz gehen könnten. Atomkraftgegner rufen nun zu Protesten auf.

Tihange - DayXDoel 3 sei am Montagnachmittag wieder angelaufen, berichtete die belgische Nachrichtenagentur Belga unter Berufung auf den Betreiber Electrabel. Der Neustart sei ohne Probleme verlaufen, schreibt dpa. Der Twitteraccount „Stop Tihange“ meldet allerdings „Start of Doel 3 stopped – „..due to starting issue“. Der baugleiche Block Tihange 2, der ebenfalls für Monate offline war, soll am Mittwoch wieder in Betrieb genommen werden. Nach monatelangen Sicherheitsüberprüfungen hatte die Aufsichtsbehörde trotz anfänglicher Bedenken Mitte Mai grünes Licht für die Wiederinbetriebnahme gegeben.

Atomkraftgegner rufen nun zu Protesten auf und warnen vor den Risiken: Trotz der im Abschlussbericht der belgischen Atomaufsicht (FANC) angemerkten Mängel sei dieser Schritt nun vollzogen worden. Unabhängige Experten kämen zu einem noch kritischeren Urteil. Das Wiederanfahren der beiden Reaktoren sei nach der im Abschlussbericht veröffentlichten Daten „nicht zu verantworten“, sagt Dieter Majer, ehemaliger Leiter der Aufsicht über kerntechnische Einrichtungen in Deutschland. Die Herkunft der bis zu 2,4cm großen Risse sei nach wie vor nicht zweifelsfrei geklärt, auch könne der gesamte Behälter gar nicht untersucht werden. Die Genehmigung zum Wiederanfahren wurde aber immerhin an Kriterien gekoppelt: Druck- und Temperaturbelastungen seien schon im Normalbetrieb zu vermindern, der Reaktor muss künftig langsamer hoch- und runtergefahren werden. Problematisch könnten zum Beispiel automatische Schnellabschaltungen werden, bei denen die Anlage etwa bei einem Störfall in kürzester Zeit abgeschaltet werden muss. Dabei entstehen hohe Drücke und Temperaturen – für die dier Reaktorbehälter möglicherweise nicht mehr ausgelegt sind.

Am Samstag, den 8. Juni wird um 14 Uhr eine internationale Demonstration am Dreiländereck (Aachen/Vaals/Gemmenich) stattfinden. Das Aachener Bündnis gegen Atomenergie ruft gemeinsam mit belgischen und niederländischen Antiatomkraftgruppen alle Menschen, die sich mit dieser Entscheidung nicht abfinden wollen, auf sich zu beteiligen. Die Veranstalter organisieren damit vermutlich die erste Demonstration, die innerhalb von einer Stunde durch drei Länder führt.

  • Belgien nimmt rissige Reaktoren wieder in Betrieb
    17. Mai 2013 – Die belgischen Atomreaktoren Doel 2 und Tihange 2 waren nach dem Fund von tausenden möglichen Rissen zwangsabgeschaltet worden. Eine Reparatur des betroffenen Reaktorbehälters ist wirtschaftlich unmöglich. Trotzdem dürfen beide Meiler wieder ans Netz.
  • “Tihange 2 und Doel 3 nicht sicher”
    17. Februar 2013 – Die Problemreaktoren Tihange 2 und Doel 3 dürfen nicht mehr ans Netz gehen, sie sind nicht mehr sicher und durch zahlreiche Fehlstellen geschwächt. Diese Ansicht vertreten die Mitglieder des Aktionsbündnisses gegen Atomenergie Aachen – und rufen zu einer Demonstration auf.
  • Belgien: Ein Wiederanfahren von Doel 3 und Tihange 2 ist wegen ungeklärter Sicherheitsrisiken unverantwortlich
    11. Januar 2013 – Im August und September 2012 wurden Defekte in den Reaktoren Doel 3 und Tihange 2 in Belgien bekannt. Beide Reaktoren stehen deshalb zurzeit still. Die Empfehlung der belgischen Aufsichtsbehörden, ob die Reaktoren wieder angefahren werden können, wird in Kürze erwartet. Die Fraktion Grüne/EFA im Europaparlament hat deshalb die unabhängige Materialexpertin Dr. Ilse Tweer beauftragt die vorhandenen Informationen zu den Fällen zu sichten und zu bewerten. Diese Arbeit wurde heute im Europäischen Parlament vorgestellt.
  • 8.000 Risse in belgischem Reaktor!
    17. August 2012 – Laut Willy de Roovere, Chef der belgischen Atomaufsichtsbehörde AFCN, sind 8.000 Risse am unteren Teil des dritten Reaktorblocks des belgischen AKW Doel entdeckt worden. Heute wurde ein zweiter betroffener Reaktor abgeschaltet. Die Atomaufsicht zweifelt, dass Doel-3 jemals wieder ans Netz gehen wird. Atomkraftgegner sind entsetzt, denn die Risse wurden erst mit einem “neuen Messverfahren” gefunden.

Quellen (Auszug): dpa, stop-tihange.org; 03.06.2013