Das vorläufige Scheitern der Endlager-Gespräche ist auch eine Chance

Der Erwartungsdruck war gewaltig: Innerhalb weniger Monate sollte der jahrzehntelange Streit über ein Atommüllendlager in Deutschland beigelegt werden – mit einer Lösung, die dauerhaft von allen Beteiligten akzeptiert wird. Nun sind die Gespräche vorerst gescheitert, und die Enttäuschung ist groß. Ein Kommentar von Malte Kreutzfeldt in der „tageszeitung“.

Das Scheitern ist nicht zwangsläufig eine schlechte Nachricht. Schon seit einer Weile deutete sich an, dass es, anders als vor einem Jahr proklamiert, nicht um einen Neubeginn ging, sondern um ein Durchdrücken des umstrittenen Standorts Gorleben mit neuen Mitteln.

Dafür spricht das klare Bekenntnis, das die Kanzlerin kürzlich im Untersuchungsausschuss zu Gorleben abgab; dafür spricht, dass trotz der Verkündung des Baustopps die Gorleben-Mittel im Haushalt aufgestockt wurden; und dafür spricht, dass im Umweltministerium derselbe ehemalige Atomlobbyist die Gesetzentwürfe schreibt, der schon früher allein auf Gorleben setzte. Auch das intransparente Verfahren, bei dem im kleinen Kreis Fakten geschaffen werden sollten, war nicht gerade vertrauensbildend.

Ein echter Neubeginn ist weiterhin nötig und möglich. Aber er müsste anders aussehen als bisher: Wenn der Standort Gorleben trotz seiner problematischen Vorgeschichte bei einer neuen Suche nicht ausgeschlossen wird – und das ist wohl der Preis, den Grüne und Antiatombewegung für einen Konsens zahlen müssen –, dann muss das Verfahren über jeden Zweifel erhaben sein.

Dazu gehören neben einer frühzeitigen Einbeziehung der Zivilgesellschaft glaubwürdige Signale, dass Gorleben aufgegeben wird, wenn sich ein anderer Standort als besser erweist. Doch das ist vermutlich erst möglich, wenn die Gorleben-Hardliner nicht mehr im Amt sind.

Malte Kreutzfeldt
ist Redakteur für Wirtschaft und Umwelt im Parlamentsbüro der taz. Er twittert unter MKreutzfeldt.

  • Endlager-Verhandlungen vor dem Aus
    5. Oktober 2012 – Der “Spiegel” berichtet, dass Grüne und SPD die Verhandlungen um das geplante Endlagersuchgesetz platzen lassen. Ein anberaumtes Treffen am kommenden Donnerstag bei Bundesumweltminister Altmaier sei abgesagt worden: Sie bezeichnen die vergangenen zwei Monate als “Show”. Atomkraftgegner fordern eine Wiederaufnahme der Gespräche – aber unter kategorischem Ausschluss von Gorleben.

Quelle: taz.de, 08.10.2012