Atomkraftwerk Philippsburg

Atomstandort in Baden-Württemberg, an dem sich zwei Atomkraftwerke befinden. Block Philippsburg-1 wurde im März 2011 abgeschaltet, Block 2 darf noch bis Ende 2019 in Betrieb bleiben. Für die Lagerung der verbrauchten Brennelemente befindet sich ein Zwischenlager neben dem AKW.

Atomkraftwerk Philippsburg, Bild: mhy design

Atomkraftwerk Philippsburg, Bild: mhy design

Der Atomstandort befindet sich nahe Philippsburg im Landkreis Karlsruhe, im Bundesland Baden-Württemberg. Kühlwasser bezieht das Kraftwerk aus dem Rhein. Wegen seiner zwei Kühltürme mit einer Höhe von jeweils 150 Metern ist das Kraftwerk schon von Weitem zu sehen.

Am Standort wurden zwei Reaktoren gebaut:

Philippsburg-1 (KKP-1)

  • Siedewasserreaktor der Baureihe 69
  • Abgeschaltet seit März 2011

Philippsburg-2 (KKP-2)

  • Druckwasserreaktor der „Vor-Konvoi-Generation“
  • Im Leistungsbetrieb

Standortzwischenlager (SZL)

  • Das SZL dient der Aufbewahrung abgebrannter Brennstäbe in 152 Transport- und Lagerbehältern vom Typ „Castor“ bis ein Atommülllager gefunden wird. Die Lagergenehmigung endet 40 Jahre nach Betriebsbeginn.
  • Mit Verbot der Castor-Transporte aus der Wiederaufarbeitung im Ausland nach Gorleben wurde von der baden-württembergischen Regierung zugesagt, sich für die Einlagerung von Behältern in Philippsburg einzusetzen. Der Betreiber muss die dafür nötigen Anträge stellen.

Ein Standort – zwei Reaktortypen
Dass an einem Standort mehrere Reaktoren gebaut wurden, ist nicht ungewöhnlich. Das Abweichen von einem Reaktorkonzept auf mehrere – so wie in Philippsburg – fällt aber auf. Ursprünglich war die Errichtung von vier identischen Blöcken geplant, von denen aber nur der erste als Siedewasserreaktor der Baureihe 69 gebaut wurde. Aus politischen Gründen wurde 1977 der Block 2 nicht wie ursprünglich vorgesehen auch als Siedewasserreaktor, sondern als Druckwasserreaktor der Vor-Konvoi-Generation ausgeführt.

Stilllegung nach rot-grünem Atomkonsens
Gemäß der 2000 zugeteilten Strommengen sollte Block 1 rechnerisch 2011 vom Netz gehen, Block 2 im Jahre 2016 folgen. Von Block 1 wurden 5,5 Terawattstunden auf das AKW Obrigheim übertragen und damit die Laufzeit verkürzt.

Laufzeitverlängerung im Herbst 2010
Nach der Novellierung des Atomgesetzes 2010 („Laufzeitverlängerung“) durch CDU/CSU und FDP war die endgültige Abschaltung von KKP 1 für 2026 und von KKP 2 für 2032 vorgesehen.

Atomkonsens 2011
Nach dem Super-GAU von Fukushima und dem anschließenden Atomausstieg in Deutschland wurde Block 1 am 17. März 2011 endgültig abgeschaltet. Block 2 erhielt eine Betriebserlaubnis bis Ende 2019.

weitere Atomanlagen geplant
Am Standort sind ein Zwischenlager für schwach- und mittelradioaktive Abfälle und ein „Reststoffbearbeitungszentrum“ geplant. Beides hängt mit dem Rückbau der Anlage zusammen.

Technik

  • Betreiber: EnBW Kernkraft GmbH
  • Eigentümer: EnBW Kraftwerke AG

Philippsburg-1 (KKP-1)

  • Siedewasserreaktor Baureihe 69
  • Hersteller: Siemens/KWU
  • Leistung: 890 MW (netto) / 926 MW (brutto)
  • thermische Leistung: 2.575 MW, daraus errechnet sich ein Nettowirkungsgrad von 34,5 %
  • 592 Brennelemente mit je 96 Brennstäben (das entspricht 102 Tonnen Uran) und 145 Steuerstäben
  • Kühlung: Naturzug-Nasskühlturm mit 152 m Höhe, der im Ablaufbetrieb oder im Rückkühlbetrieb einsetzbar ist.

Philippsburg-2 (KKP-2)

  • Druckwasserreaktor der 3. Generation (Vor-Konvoi-Anlage)
  • Leistung: 1.392 MW (netto) / 1.468 MW (brutto)
  • thermische Reaktorleistung von 3.950 MW, Nettowirkungsgrad 35,3 %
  • 193 Brennelemente (das entspricht rund 103 Tonnen Uran) und 61 Steuerstäbe
  • vier Kühlmittelpumpen im Primärkreislauf
  • vier Dampferzeuger
  • Kühlung: Naturzug-Nasskühlturm (Höhe 153,5 Meter), der im Ablaufbetrieb oder im Rückkühlbetrieb einsetzbar ist.

Standortzwischenlager

  • Lagerhalle für abgebrannte Kernbrennelemente mit einem Schwermetallgewicht von 1.600 Tonnen.
  • 152 Stellplätze für Castoren
  • Inbetriebnahme: 2007

Betriebsablauf

Philippsburg-1 (KKP-1)

2011:

  • 17.06.2011 – Laut Betreiber EnBW bleibt der Reaktor endgültig abgeschaltet
  • 17.03.2011 – Reaktor nach Regierungsmoratorium wegen der Störfälle in Japan vom Netz
  • 18.-25.02.2011 – Reaktor für Revision vom Netz. Während des Stillstands soll unter anderem eine undichte Stelle im Turbinensystem innerhalb des Maschinenhauses beseitigt werden.

2010:

  • 11.-25.10.2010 – Reaktor zur Austausch eines defekten Brennelements abgeschaltet
  • 12.04.-14.05. – Reaktor für Revision vom Netz

2009:

  • 18.05.-30.06. – Reaktor für Revision mit Brennelementewechsel vom Netz

2008:

  • 13.12. – Leckage an einer Leitung des Reaktorabgassystems, über das beim Betrieb entstehender Wasserstoff abgeführt wird
  • 03.12.-07.12. – Reaktorschnellabschaltung nach Turbinendefekt. Ursache sei ein falschen Messsignals gewesen
  • 29.10. – Reaktorschnellabschaltung nach Fehler in Prüfverfahren
  • 22.10. – An der Isolierung einer Entleerungsleitung des Nebenkühlwassersystems wird eine Tropfleckage festgestellt
  • 06.06.-13.06. – Abschaltung nach Druckabfall im Reaktor
  • 24.04. – Aufgrund eines fehlerhaft geöffneten Schalters wurde ein Teil des Notstromsystems außer Betrieb gesetzt
  • 14.04.-03.06. – Reaktorschnellabschaltung während Abfahrens zur Revision

Philippsburg-2 (KKP-2)

2015:

  • 19.6.-24.7.2015 – Reaktor für jährliche Revision vom Netz. U.a. werden Inspektionen an einer der vier Hauptkühlmittelpumpen, Druckprüfung an zwei der vier Dampferzeuger durchgeführt, sechs Hauptkühlwasserstraßen inspiziert und an einer von sechs Hauptkühlwasserpumpen wird der Pumpenläufer ausgetauscht. Die Motoren von vier der acht Notstromaggregate werden einer Wartung unterzogen. Außerdem wird ein im vergangenen Jahr ausgetauschter und vom Hersteller erneuerter Transformator wieder eingebaut.

2014:

  • 21.6.-25.8. – Reaktor für Revision mit Brennelementewechsel und umfangreichen Wartungs- und Reparaturarbeiten vom Netz.Es findet laut Betreiber ENBW eine Grundüberholung von einer der drei Speisewasserpumpens statt, an einer weiteren wird der Motor inspiziert. Eine Inspektion findet auch an einer der vier Hauptkühlmittelpumpen statt. Eine Wirbelstromprüfung wird an zwei der vier Dampferzeuger durchgeführt. An einer von sechs Hauptkühlwasserpumpen findet eine Motor- und Pumpeninspektion statt, an einer weiteren wird der Motor getauscht. Außerdem wird eine der sechs Hauptkühlwasserstraßen inspiziert. Die Motoren und Generatoren von vier der acht Notstromaggregate werden einer Wartung unterzogen.
    Der während der Revision eingebaute Maschinentransformator für die Einspeisung von Energie ins Stromnetz war grundüberholt worden, zeigte bei den anschließend durchgeführten Messungen allerdings Auffälligkeiten und wurde gegen einen Austauschtrafo ersetzt.

2013:

  • 04.05.-12.08. – Jahresrevision mit Austausch von Brennelementen und Inspektion von einer der vier Hauptkühlmittelpumpen und von zwei der vier Dampferzeuger. Der Speisewasserbehälter und die beiden Wasserabscheider-Zwischenüberhitzer wurden einer Druckprüfung unterzogen. An einer der drei Speisewasserpumpen wurden die Pumpe und an einer weiteren der Motor inspiziert. Auch an zwei Notstromdieseln wurden Inspektions- und Wartungsarbeiten durchgeführt. Außerdem sind Austausch- und Instandhaltungsarbeiten an Transformatoren durchgeführt worden. Zudem fand ein Untersuchungs- und Austauschprogramm an sogenannten Brennelementzentrierstiften statt.

2012:

  • 29.05.-20.07. – Reaktor für Revision und Brennelementewechsel vom Netz.

2011:

  • 12.-14.11. – Reaktor wegen defekter Dichtung im Speisewassersystem unplanmäßig vom Netz
  • 30.07.-01.08. – Reaktor für den Austausch von 54 Elektrobaugruppen vom Netz. Es konnte nicht restlos ausgeschlossen werden, dass die Baugruppen defektanfällig sind.
  • 16.05.-14.06. – Reaktor für Revision mehrwöchig vom Netz.

2010:

  • 07.06.-01.07.2010 – Reaktor für Jahresrevision vom Netz.

2009:

  • 18.12.-21.12. – Reaktor für Ölprobenentnahme abgeschaltet
  • 24.07.-27.07. – Reaktor wegen Problemen am Maschinentrafo vom Netz
  • 29.06.-22.07. – Reaktor für Revision mit Brennelementewechsel vom Netz.

2008:

  • 18.08. – An drei Schweißnähten einer Rohrleitung von einem Kühlmittelbehälter zum daran angeschlossenen Abgassystem wurden geringfügige Leckagen festgestellt
  • 26.06.-02./03.08. – Reaktor zur Revision vom Netz. Während des Abfahrens kam es zur Reaktorschnellabschaltung.
  • 09.05. – In der Elektronik des Reaktorschutzsystems wurde eine defekte Baugruppe festgestellt
  • 13.03. – ein Notstromdiesel springt aufgrund von Kontaktproblemen an einem Anschlussstecker nicht an
  • 22.02. – eine Gebäudeabschlussarmatur des Reinigungssystems für das Brennelement-Lagerbecken schließt nicht wie vorgesehen
  • 07.02. – ein Notstromdiesel konnte bei einer regelmäßigen Routineprüfung beim ersten Versuch nicht gestartet werden. Weitere Startversuche seien hingegen erfolgreich gewesen.
  • 19.01. – Eine Undichtigkeit in einem Probenahmekühler führte zu einer geringfügigen Leckage von radioaktivem Primärkühlmittel in einen Zwischenkühlkreis

Kritik

Störfälle seit Betriebsbeginn

  • AKW Philippsburg-1: 368 (Stand 02/2016)
  • AKW Philippsburg-2: 247 (Stand 02/2016)

Störfälle Block 1

  • 1981: Stillstand wegen mangelhafter Rohrleitungen
    Um 1980 wurde bekannt, dass in den AKW der Baulinie 69 Rohrleitungen mit schweren Mängeln eingebaut worden waren. 1980/81 musste Philippsburg-1 zum Austausch der Rohre über ein Jahr lang stillstehen.
  • 1983: Durch Lecks in etwa 20 Brennelementen kommt es am 1. Juli 1983 in Block 1 zu erhöhter Radioaktivität im Kühlwasser.
  • 2002 und 2004: Radioaktives Wasser frei gesetzt
    Am 24.9.2002 gelangten bei Reinigungsarbeiten, etwa 700 Liter radioaktiv verseuchtes Wasser mit einer Gesamtaktivität von etwa 2,2 Millionen Becquerel in die Regenwasserkanalisation auf dem Gelände. Das Wasser war aus dem Wasserreinigungssystem des Reaktors unbemerkt in den Wassertank eines Reinigungsfahrzeuges geströmt, der dann in die Kanalisation entleert worden war. Laut Betreiber habe sich der Großteil der Radioaktivität in den Leitungen der Kanalisation abgesetzt und keine Gefahr für die Bevölkerung bestanden. 2004 gelangten bei Wartungsarbeiten erneut 30 Kubikmeter leicht radioaktives Wasser unplanmäßig in den Rhein.
  • 2006: Im März 2006 verschwand ein Schlüsselbund, der unter anderem Schlüssel zu den Sicherheitsredundanzen von Block 1 enthält, spurlos, woraufhin die Staatsanwaltschaft eingeschaltet wurde. Einige hundert entsprechende Schlösser wurden ausgetauscht. Ob die Schlüssel entwendet oder verlegt wurden, konnte bis heute nicht festgestellt werden.
  • Am 17. April 2006 kam es beim Abfahren des KKP 1 zur Revision zu einer automatischen Reaktorschnellabschaltung. Ursache für diese Schutzaktion war ein im Zuge der Leistungsreduktion auf 10 % entstandener Füllstandsabfall im Reaktordruckbehälter.
  • Vom 18. bis zum 22. November 2006 musste der Reaktorblock 1 aufgrund einer Lecklage im Primärsammelrohr des Generators herunter gefahren werden.
  • 2007: Am 7. Mai 2007 kam es in Block 1 zu einem weiteren meldepflichtigen Ereignis: das Schließen zweier Kleinarmaturen an der Personenschleuse des Sicherheitsbehälters wurde beim Anfahren vergessen und es trat beim Inertisieren Stickstoff aus. Dieses Ereignis wurde der Kategorie E (Eilmeldung) INES 1 zugeordnet.
  • 06. Juni 2008 – Druckabfall im Reaktorbehälter
    Anfang Juni wurde im Sicherheitsbehälter des AKW Philippsburg-I ein Leck entdeckt. Der Behälter, der wichtige Teile des Reaktors einschließt und mit Stickstoff gefüllt ist, hat im normalen Betrieb einen leichten Überdruck von 20 Millibar. Der ermittelte Druckabfall betrug laut Ministerium ein Millibar pro Stunde und war auf eine undichte Stelle zurückzuführen. Daraufhin wurde der Meiler vom Netz genommen. Als Ursache wurde ermittelt, dass im Bereich der Nebenschleuse Messleitungsanschlüsse einer Druckanzeige vertauscht waren. Der Vorfall wurde auf INES 1 eingestuft.
  • 2010: Zu einem Wasserverlust von 280 000 Litern aus dem Brennelementbecken (BE-Becken) kam es am 17. Juni 2010, es fehlten nur noch 6 cm, bis ein Strang des BE-Beckenkühlsystems ausgefallen wäre. Dies wurde der Aufsichtsbehörde nicht gemäß AtSMV gemeldet. Der Umstand wurde durch einen Insider am 15. März 2011 bekannt gegeben. Eine Meldepflicht nach AtSMV ist bis heute umstritten.
  • Sicherheit Baulinie 69 – Bauartbedingte Schwachstellen
    Philippsburg-1 gehört zu den Siedewasserreaktoren der Baulinie 69, dem ältesten Reaktortyp in Deutschland. Diese Baulinie, zu der noch Isar-1, Brunsbüttel und Krümmel gehören, weist deutliche Sicherheitsdefizite gegenüber den neueren Reaktortypen auf und ist für eine besondere Häufung von Störfällen bekannt. Besonders problematisch ist der kleinvolumige und dünne Sicherheitsbehälter, der bei größeren Störfällen besonders leicht durch Überdruck versagen kann und bei einer Kernschmelze innerhalb von Minuten durchschmelzen würde – massive Freisetzungen radioaktiven Materials mit kurzer Vorwarnzeit wären die Folge.
    Weitere grundlegende Sicherheitsdefizite sind eine eingeschränkte, zerstörungsfreie Prüffähigkeit der Konstruktion, der schwächer ausgelegte Reaktordruckbehälter ohne nahtlose Schmiederinge, das schwach ausgelegte Notkühlsystem (unter anderem fehlt ein Mitteldruckeinspeisesystem) sowie die schwächer ausgelegte und teilweise vermaschte Notstromversorgung.
    Hinzu kommen die grundlegenden Schwachstellen von Siedewasserreaktoren: Da der Primärkreislauf den Sicherheitsbehälter verlässt und der gesamte Dampfkreislauf radioaktiv ist, kann ein Rohrbruch z.B. im Maschinenhaus zu direkter Freisetzung radioaktiven Dampfes und zu großem Kühlmittelverlust führen, ohne dass ausgetretenes Kühlmittel über die Notkühlsysteme zurück geführt werden kann – in diesem Fall droht eine Kernschmelze. Bei Lecks im Kondensator ist auch eine Freisetzung direkt in das Flusswasser denkbar.
    Zur Reaktorabschaltung müssen die Absorberstäbe, anders als bei Druckwasserreaktoren, gegen die Schwerkraft mittels Hydraulik in den Reaktor eingefahren werden, das Abschaltsystem ist also nicht „ausfallsicher“. Auch das alternative Abschaltsystem, die Borsäureeinspeisung, verlässt sich auf aktive Systeme (Hochdruckpumpen).
    In deutschen Siedewasserreaktoren kam es schon mehrmals zur Beschädigung von Anlagenkomponenten durch kleinere oder mittelgroße Explosionen von angesammeltem Knallgas (Radiolysegas). Auch wenn in Deutschland diese Meilertypen abgeschaltet sein – Siedewasserreaktoren werden in Gundremmingen noch betrieben.
  • Mangelnder Schutz gegen Flugzeugabsturz
    Philippsburg 1 gehört zu den drei durch Flugzeugabstürze (insbesondere Terrorangriffe) am stärksten verwundbaren Atomkraftwerken in Deutschland. Sein Reaktorgebäude ist nur gegen den Absturz eines kleinen Sportflugzeuges ausgelegt. Alle anderen deutschen AKW sollen mindestens den Absturz eines Starfighters, die meisten neueren Anlagen einen wesentlich schwereren „Phantom“-Kampfjet überstehen. Diese schwächere Auslegung würde bei einem tatsächlichen Absturz oder Terrorangriff in jedem Fall ein wesentlich höheres Risiko eines Super-GAUs bedeuten, auch wenn es sich z.B. um einen voll getankten Passagierjet handelt, für den auch die neueren Reaktoren nicht ausgelegt sind. Auch der Präsident des Bundesamtes für Strahlenschutz, Wolfram König, hatte bereits im Februar 2002 aufgrund einer Studie der Gesellschaft für Reaktorsicherheit (GRS) gefordert, Philippsburg-1 wegen des Terror-Risikos zugunsten besser geschützter Reaktoren stillzulegen. Auch nach der Stilllegung ist eine Gefahr von Freisetzung nicht gebannt, solange sich die Brennelemente weiterhin im Reaktor (Abklingbecken) befinden.

Störfälle Block 2

  • Auffällig am AKW Philippsburg-2 sind besonders häufige gravierende Fehler, die die Notkühlsysteme betreffen. Das Notkühlsystem ist entscheidend, um beim Abschalten des Reaktors und bei Störfällen die so genannte Nachzerfallswärme abzuführen und eine Kernschmelze zu verhindern.
  • 1998: Falsch ausgelegte Notkühlpumpen
    1998 wurde entdeckt – nach einem Zwischenfall in einem spanischen AKW – dass die Pumpen des Not- und Nachkühlsystems sowie die Kühlpumpen des Lagerbeckens unzureichend ausgelegt waren und sich im Ernstfall möglicherweise überhitzt hätten.
  • 2001: Der „Flutbehälter-Skandal“
    Beim Wiederanfahren des Reaktors am 12. August 2001 wurde entdeckt, dass der Füllstand in allen vier Flutbehältern des Notkühlsystems nicht die vorgeschriebene Höhe hatte – ein Verstoß gegen das Betriebshandbuch. Die Betriebsmannschaft füllte die Behälter auf und fuhr mit dem Betrieb fort. Die Flutbehälter enthalten den Vorrat an Kühlwasser für die Reaktorkühlung, das außerdem mit Bor angereichert ist, das Neutronen absorbiert und bei Störfällen helfen soll, die Kettenreaktion zu stoppen. Erst gute zwei Wochen später wurde entdeckt, dass in dreien der Behälter die geforderte Borkonzentration in den Behältern nicht eingehalten wurde – offenbar war beim Auffüllen vergessen worden, auch die entsprechende Menge Borsäure hinzuzugeben.
    Damit stand das Notkühlsystem nicht wie vorgeschrieben zur Verfügung, und der Reaktor hätte eigentlich sofort abgeschaltet werden müssen. Trotzdem wurde lediglich – bei laufenden Betrieb im Zeitraum zwischen 28. August und 9. September – Borsäure nachdosiert und der Vorfall in der niedrigsten Kategorie (INES 0 – „keine oder geringe sicherheitstechnische Bedeutung“) der Aufsichtsbehörde gemeldet.
    Der Vorfall löste heftige politische Diskussionen zwischen dem Baden-Württembergischen Umweltministerium und dem BMU aus, und der Reaktor wurde am 8. Oktober vorerst abgeschaltet. Sogar das CDU-geführte Baden-Württembergische Umweltministerium sah schließlich jedoch „ernsthafte Zweifel an einer hinreichend zuverlässigen Betriebsführung der Anlage“. Der Vorfall hatte bei der EnBW auch personelle Konsequenzen: Die technischen Vorstände der EnBW Kraftwerke AG und der EnBW AG mussten ihre Posten räumen.
    Schließlich wurde sogar bekannt, dass der Reaktor 17 Jahre lang nach Revisionen regelmäßig mit zu niedrigen Flutbehälter-Füllständen angefahren worden war, also jedes Mal das Risiko einer nicht ausreichenden Notkühlung eingegangen worden war. Auch in den anderen Atomkraftwerken der EnBW, Obrigheim und Neckarwestheim, war es zu ähnlichen Nachlässigkeiten gekommen. Philippsburg-2 ging im Dezember 2001 nach 70 Tagen Stillstand wieder ans Netz.
  • 2004: Befestigungsstifte an Notkühlpumpen fehlen
    Bei Instandhaltungsarbeiten an einer Notkühlpumpe, die im laufenden Betrieb druchgeführt wurden, wurde entdeckt, dass die eigentlich vorgesehenen Befestigungsstifte fehlten. Kontrollen ergaben, dass der Fehler System hatte – an insgesamt 29 Pumpen des Notkühlsystems und in anderen Bereichen fehlten die Stifte.
  • 2005: Am 28. Dezember 2005 kam es in KKP 2 zu einer TUSA (Turbinenschnellabschaltung) aufgrund der Überfüllung des Generator-Primärwasserbehälters.
  • 2005: Totvolumen bei der Notkühlung nicht berücksichtigt
    Auch 2005 riss die Serie von Mängeln an der Notkühlung nicht ab. Zu Beginn des Jahres wurde festgestellt, dass bei Kühlmittellecks am Reaktordruckbehälter oder in dessen unmittelbarer Nähe ein Teil des Kühlwassers im Zwischenraum zwischen dem Druckbehälter und der Betonumhüllung verloren gehen kann – und dass dies bei der Auslegung der Kühlsysteme nicht berücksichtigt worden war. Wenn die Notkühlpumpen Luft ansaugen, können sie dadurch beschädigt werden. Der Betreiber hatte sich bei der Aufklärung des Sachverhaltes unkooperativ gezeigt und wichtige Informationen zurück gehalten.
  • 2006: Vom 18. bis zum 22. November 2006 musste der Block 2 heruntergefahren werden, aufgrund einer Leckage im Primärwassersammelrohr (Teil der Generatorkühlung).
  • 2011: Am 12. November 2011 wurde Philipsburg 2 für Reparaturarbeiten an einer defekten Dichtung abgeschaltet.
  • Sicherheit Vor-Konvoi-Anlagen
    Das Basisdesign der Druckwasserreaktoren der dritten deutschen Generation, sog. Vor-Konvoi-Anlagen,stammt aus den 70er Jahren des letzten Jahrhunderts, d.h. die Anlage ist sicherheitstechnisch veraltet.

Chronik

1969

  • Die damalige Kernkraftwerk-Baden-Württemberg-Planungsgesellschaft mbH (KBWP) plant den Bau von vier baugleichen Siedewasser-Reaktorblöcken der Baulinie 69 auf der Gemarkung der benachbarten Gemeinde Oberhausen-Rheinhausen.
  • Oktober 1969 – Bauantrag für KKP 1

1970

  • 9. Oktober 1970 – Erteilung der ersten Teilerrichtungsgenehmigung für KKP-1
  • 01.10.1970 – Baubeginn Philippsburg-1 (KKP-1)

1971

  • Aus der KBWP geht die Kernkraftwerk Philippsburg GmbH (KKP) hervor.
  • Die Standort-Planungen werden überarbeitet, man reduzierte die Zahl der Blöcke von vier auf zwei.

1975

  • Juni 1975 – Bauantrag für KKP 2 beim damaligen Ministerium für Wirtschaft, Mittelstand und Verkehr in Stuttgart

1977

  • Beschluss, Block 2 nicht als Siedewasser- sondern als Druckwasserreaktor auszulegen.
  • Juli 1977 – Baubeginn Philippsburg-2

1979

  • 09.03.1979 – Erstkritikalität in Block 1

1980

  • 18. Februar 1980 – Nach einem Jahr Probebetrieb übenimmt der Betreiber die Anlage KKP-1 bei 100 Prozent Leistung.

1981

  • Ende 1981 – KKP-2: Fertigstellung des Rohbaus, bis Ende 1983 Einbau der technischen Komponenten

1984

  • Oktober 1984 – Der Warmprobebetrieb mit Brennelementen im KKP-2 beginnt
  • 13.12.1984 – Erstkritikalität in Block 2
  • 17.12.1984 – KKP-2: Generator wird erstmals mit dem Stromnetz synchronisiert

1985

  • 6. Februar 1985: KKP-2 erreicht erstmals Volllast.
  • 13. April 1985, KKP-2: Ende des vierwöchige Probebetrieb bei voller Leistung
  • 17. April 1985 – Übergabe des Anlage KKP-2 vom Hersteller an den Betreiber.

1988

  • 08.02.1988: Leichte Deckenwölbung an endkonditionierten 200-l-Fässern mit hochdruckverpressten Mischabfällen im Zwischenlager.

1999

  • 20.12.1999 – Erstantrag zu Bau eines Interimslagers, mobile Umhausung für Castorbehälter. Einlagerung von maximal 24 Behältern vom Typ Castor/V19 und Castor/V52 bis zur Fertigstellung des Standortzwischenlagers.

2000

  • Am 23. Februar 2000 kletterten 40 Aktivisten von Greenpeace auf einen der Kühltürme und entfalteten in etwa 150 Metern Höhe Transparente, nachdem sie um etwa 6 Uhr unbemerkt auf das Kraftwerksgelände gelangt waren.

2001

  • 31.7.2001 – Genehmigung vom BfS mit Sofortvollzug zum Bau des Interimslagers

2003

  • 17.2.2003 – Ergänzungsgenehmigung des BfS für Interimslager
  • Ende 2003 – 5 Behälter wurden in das Interimslager eingelagert

2006

  • Januar 2006 – Die EU stuft das Erdbebenrisiko in der Region höher ein, als während der Planung des Standortzwischenlagers zugrunde gelegt wurde.
  • 17.04. – Anfang/Mitte Mai – Jahresrevision in Block 1
  • Mitte Juli – 10.08. – Jahresrevision in Block 2
  • 24. Oktober 2006 – Standortzwischenlager nach zweieinhalb jähriger Bauzeit fertiggestellt
  • November 2006 – Die Einlagerung von Atommüllbehältern aus dem abgeschalteten AKW Obrigheim wird diskutiert, um diesem ein Zwischenlager für Atommüll zu ersparen. Es entstanden auf politischer Ebene erhebliche Widerstände, die das Konzept platzen liessen. Die Umweltministerin sprach von „erheblichen Akzeptanzproblemen“ in der Öffentlichkeit.

2007

  • 19.03.07 – Betriebsbeginn Standortzwischenlager
  • 08.04.-03.05. – Jahresrevision in Block 1
  • 30.06. – 22.07. – Jahresrevision in Block 2

2008

  • 14.04.-03.06. – Jahresrevision in Block 1
  • 28.06. – 03.08. – Jahresrevision in Block 2

2009

  • 18.05.-30.06. – Jahresrevision in Block 1
  • 29.06. – 22.07. – Jahresrevision in Block 2

2010

  • 12.04.-14.05. – Jahresrevision in Block 1
  • 07.06. – 01.07. – Jahresrevision in Block 2

2011

  • ab 17.03. – Stillstand in Block 1 nach Beginn der Katastrophe von Fukushima, dreimonatiges Atom-Moratorium.
  • Ende Mai 2011 – Die Umweltminister der Länder und des Bundes beschliessen, Block 1 dauerhaft stillzulegen.
  • 16.05. – 14.06. – Jahresrevision in Block 2
  • Block 2: Allein vom 15.2. – 29.8.2011 gab es 20 meldepflichtige Ereignisse.

2012

  • 29.05. – 20.07. – Jahresrevision in Block 2
  • 25.7.2012 – Der baden-württembergische Umweltminister Untersteller (Grüne) konstituiert die „Informationskommission zum AKW Philippsburg“, bestehend aus Kommunal- und LandespolitikerInnen sowie VertreterInnen von Bürgerinitiativen, BUND, Kreisbauernverband, ver.di und der Wirtschaft.

2013

  • 04.05. – 12.08. – Jahresrevision in Block 2
  • 24.04.2013 – Antrag nach § 7 Abs.3 AtG (1. SAG) auf vollständigen Rückbau von Block 1.
  • 27.11.2013 – Antrag auf Erteilung einer gehobenen wasserrechtlichen Erlaubnis für den Standort KKP (Blöcke KKP 1 und KKP 2) infolge der Einstellung des Leistungsbetriebs von KKP 1 sowie des Auslaufens der gehobenen wasserrechtlichen Erlaubnis zur Entnahme von Kühlwasser und Wiedereinleitung von Wasser von KKP 2 beim Landratsamt Karlsruhe

2014

  • 21.06. – 25.08. – Jahresrevision in Block 2
  • 18.06. und 30.06.2014 – Anträge für die Errichtung eines Reststoffbearbeitungszentrums (RBZ-P) und eines Standortabfalllagers nach §7 StrlSchV
  • 31.10.2014: EnBW legt eine Erheblichkeitsstudie vor, die besagt, dass vom RBZ-P keine erheblichem Umweltauswirkungen ausgehen würden und damit eine Umweltverträglichkeitsprüfung mit Öffentlichkeitsbeteiligung im Genehmigungsverfahren nicht erforderlich sei.
  • 31.12.2014, Standortzwischenlager: 36 CASTOR-Behälter eingelagert., Davon 25 Castor V/19; 11 Castor V/52

2015

  • 19.01.-18.03.2015 – Auslegung der Stilllegungsunterlagen für Block 1. Die vorgelegte Umweltverträglichkeitsuntersuchung umfasst auch die vorgesehene Errichtung und Betrieb eines Reststoffbearbeitungszentrums (KKP-RBZ) sowie eines Standortabfalllagers (SAL-P), die jeweils Gegenstand eines seperaten Bescheids nach §7 Strahlenschutzverordnung werden sollen. AtomkraftgegnerInnen erhoben Einsprüche.
  • 16.02.-15.04.2015: Öffentliche Auslegung der UVP-Unterlagen des SAL-P Standortabfalllager Philippsburg.
  • 14./15.07.2015 – Erörterungstermin der Einwendungen gegen den geplanten Rückbau von Block 1.
  • 19.06. – 24.07. – Jahresrevision in Block 2

2019

  • 31.12.2019 – Geplante Stilllegung Philippsburg-2

Standort-Nachrichten

https://www.contratom.de/rss/akwphilippsburg.xml

Störfall-Ticker

https://www.contratom.de/rss/stoerfall_akwphilippsburg.xml

twitter-Kanal

https://twitter.com/akwphilippsburg

weitere Informationen / Links:

Koordinaten

49.253773

8.437371