Atomkraftwerk Biblis

Atomkraftwerk Biblis

Im hessischen Biblis befinden sich zwei seit seit 2011 abgeschaltete Reaktoren (Biblis-A und -B). In den 70er Jahren gab es Planungen, dort zwei weitere Blöcke zu bauen. Für die Lagerung von Atommüll in Castorbehältern befindet sich neben den Meilern ein Standortzwischenlager.

AKW Biblis, Standortzwischenlager; Bild: google

AKW Biblis; Bild: google

Das Kraftwerk befindet sich in der südhessischen Gemeinde Biblis nahe der Einmündung der Weschnitz in den Rhein, etwa 25km südwestlich von Darmstadt. Am Standort befinden sich insgesamt zwei Druckwasserreaktoren. In den 70er Jahren waren zwei weitere Blöcke, Block C und D, geplant. Während Biblis D schnell verworfen wurde, endeten die Planungen für Biblis C erst 1995. Für Block C waren bereits die ersten Großkomponenten wie Reaktordruckbehälter und Dampferzeuger gefertigt.

Biblis wird von der Atomindustrie gerne als eine Art „Musteranlage“ dargestellt. Tatsache ist, daß an diesem Standort ein großer Sprung in der Leistungsgröße von Atomkraftwerken stattfand. Gegenüber den beiden noch älteren Druckwasserreaktoren Obrigheim (Nettoleistung 340 MWe) und Stade (640 MWe) erreichten die Blöcke in Biblis praktisch bereits die für neuere Anlagen typische Leistung um 1.300 MWe.

Laufzeitverlängerung nach rot/grünem Atomausstieg

Die endgültige Abschaltung – hochgerechnet aus der Reststrommenge laut Atomkonsens – war nach dem rot/grünen Atomausstieg von 2000 für Block A für Anfang 2009 vorgesehen. Block B sollte nach Verbrauch seiner Strommengen 2010 vom Netz gehen. Der Betreiber RWE AG beantragte für Block A die Strommengenübertragung aus dem stillgelegten und nie in Betrieb gegangenen AKW Mülheim-Kärlich. Dieser Hauptantrag wurde vom Umweltministerium im Mai 2007 abgelehnt. RWE stellte zudem einen Hilfsantrag zur Strommengenübertragung vom AKW Emsland. Bundesumweltminister Sigmar Gabriel lehnte mit der Begründung „mangelnde Sicherheitsreserven“ auch diesen Antrag ab. Auf Biblis B hätte RWE laut Atomkonsens ohne Genehmigung eine Reststrommenge bis zu 21,45 TWh vom AKW Mülheim-Kärlich übertragen dürfen. Dadurch wäre eine Laufzeit bis etwa 2013 möglich gewesen.

Im Herbst 2010 standen Bundestagswahlen an, CDU und FDP versprachen pauschale Laufzeitverlängerungen für alle AKW um etwa acht Jahre – und gewannen die Mehrheit im Parlament. RWE konnte auch ohne Strommengenübertragung seine Kraftwerke weiterbetreiben.

Fukushima brachte das Aus

Seit Beginn der Reaktorkatastrophe von Fukushima am 11. März 2011 sind beide Reaktoren nicht mehr in Betrieb. Im August 2011 erfolgte durch den Entzug der Betriebserlaubnis die offizielle Stilllegung. Seitdem befinden sich Biblis-A und -B in der Nachbetriebsphase und warten auf den Rückbau.

Im Sommer 2011 gab es Überlegungen, Block B als „Reservekraftwerk“ zwar heruntergefahren zu lassen, bei Stromengpässen jedoch wieder kurzzeitig hochfahren zu können. RWE war mit dieser Entscheidung nicht einverstanden und gab am 16. Juni 2011 bekannt, dass Biblis B nicht mehr ans Netz gehen wird.

Standortzwischenlager Biblis

Seit 2006 befindet sich das Standortzwischenlager für hochradioaktiven Atommüll aus dem Betrieb des AKW Biblis in Betrieb. Die Kapazität der Halle beläuft sich auf 135 Behälterstellplätze für den Typ „Castor V/19“, genug für die damals geplante Laufzeit. Anfang 2009 waren 41 CASTOR-Behältern im Hallenschiff 1 abgestellt. Im Hallenschiff 2 befanden sich zu dem Zeitpunkt 81 „MOSAIK“-Behälter, „Mobile Sammelbehälter im Kernkraftwerk“, die dort bis zum Abtransport in das Atommülllager Konrad verbleiben sollen.

Nachdem im Rahmen der „neuen Atommülllager-Suche“ keine Castortransporte aus den Wiederaufarbeitungsanlagen Sellafield und La Hague mehr nach Gorleben rollen dürfen, bot die hessische Regierung an, einen Teil der Behälter in Biblis zu parken. Wegen der verkürzten Betriebszeit der Meiler sind Stellplätze frei. Die Nutzungsdauer des Zwischenlagers ist auf 40 Jahre befristet – also bis ca. 2046 – dann soll ein nationales Atommülllager gefunden sein, in das die Behälter verbracht werden.

Technik

Reaktordaten Biblis-A

  • Betreiber und Eigentümer: RWE Power
  • Reaktortyp: Druckwasserreaktor
  • Leistung: 1167 MW (netto) / 1225 MW (brutto)
  • Baubeginn: 01.01.1970
  • Inbetriebnahme: 25.08.1974
  • Kommerzieller Betrieb: 26.02.1975
  • Abschaltung: 18. März 2011
  • Hersteller: Siemens/KWU
  • Kosten: ca. 800 Mio. DM

Reaktordaten Biblis-B

  • Betreiber und Eigentümer: RWE Power
  • Reaktortyp: Druckwasserreaktor
  • Leistung: 1.240MW (netto) / 1.300MW (brutto)
  • Baubeginn: 01.02.1972
  • Inbetriebnahme: 25.04.1976
  • Kommerzieller Betrieb: 31.01.1977
  • Abschaltung: März 2011
  • Hersteller: Siemens/KWU
  • Kosten: ca. 1 Mrd. DM

Chronik

2014

  • September: „Brillengestelle, Essbestecke, Kaffeekanne“: Der BUND warnt vor den Gefahren beim Abriss der Meiler von Biblis. Bei der aktuellen Strahlenschutzverordnung gelange zu schnell Material in den Stoffkreislauf zurück, welches noch gesundheitliche Risiken mit sich bringt.
  • Im März 2014 wurde der Untersuchungsausschuss 19/1 im Hessischen Landtag eingesetzt, um zu klären, was bei der vorläufigen Stilllegung im März 2011 geschah und wer dafür verantwortlich war. Seitdem schieben sich Bund und Land gegenseitig die Verantwortung zu, an die hohe Schadensersatzansprüche des Betreibers gekoppelt sind.

2012

  • Die RWE Power AG hat die Stilllegung und den Abbau des Kraftwerks Biblis, Block A und B, mit Schreiben vom 6. August 2012 beantragt.
  • Der Betreiber RWE gibt am 11. Mai 2012 bekannt, dass er einen direkten Abriss einem sicheren Einschluss vorziehe und die Vorbereitungen dafür treffe.

2011

  • 31. August – Die Bundesnetzagentur gibt bekannt, dass das Kraftwerk nicht mehr angefahren wird und auch nicht als „Kaltreserve“ zur Verfügung stehen soll.
  • ab 18.03. – Block A abgeschaltet
  • ab 26.02. – Revision in Block B, Inbetriebnahme 22.05. geplant

2o10

  • 17.09.-25.10. – Jahresrevision in Block A
  • Umzingelung des AKW Biblis: 20.000 Menschen nehmen an der Aktion teil

2009

  • 27.02. – 19.03.2010 – Reaktorblock A für Wartungsarbeiten vom Netz
  • 23.01. – 30.05. – 25. Jahres-Revision in Block B

2006

  • Einjähriger Stillstand wegen falscher Dübel
    Am 15.09.2006 wurde der Block Biblis A abgeschaltet, da Mängel bei einigen Spezialdübeln festgestellt wurden, an denen Rohrleitungen in Block A und Block B befestigt sind. Am 16.10.2006 folgte die Abschaltung von Block B.
    Die Abschaltung erfolgte, da die gesetzten Dübel nicht fachgerecht montiert wurden, was längere Zeit nicht bemerkt worden war. Die rund 15.000 Dübel sollten die Kraftwerksrohrleitungen erdbebensicher machen. Stichproben zeigten, dass etwa die Hälfte der Dübel nicht korrekt eingebaut wurden. Im Januar 2007 wurde berichtet, dass die fehlmontierten Spezialdübel durch längere Dübel ersetzt werden sollen; im Juni wurde bekannt, dass alle 15.000 Spezialdübel ersetzt würden. Anfang August 2007 teilte RWE mit, dass etwa 90 % der Dübel ausgetauscht wurden. Im September war die Sanierung der Dübel abgeschlossen und umfangreiche Tests zum Wiederanfahren begannen. Block B ging am 1. Dezember 2007 wieder in Betrieb. Block A folgte im Februar 2008.

2004:

  • 11.11.2004, Block A: Überschreitung des gleitenden Tritium Halbjahresgrenzwertes für die Tritiumabgabe. Damit Freisetzung von mehr Radioaktivität als erlaubt.

Betriebsablauf

AKW Biblis-A

2011:

  • 18.03.2011 – Reaktor nach Katastrophe in Japan/Fukushima und Regierungsmoratorium abgeschaltet.

2010:

  • 17.09.-25.10.2010 – Reaktor für 19 Tage wegen umfangreicher Prüfungen vom Netz
  • 19.03.2010 – Reaktor nach mehr als einem Jahr wartungsbedingtem Stillstand wieder in Betrieb

2009

  • 27./28.02.2009 – Anfang September: Reaktor für Wartungsarbeiten vom Netz

2008:

  • 30.04.-02.05. – Offline wegen Defekt im Kühlsystem
  • Anf. 08.08. – Leistungsreduktion wegen erhöhter Kühlwassertemperatur
  • 17.08.-18.08. – Abschaltung des Reaktors nach automatischem Öffnen eines Netzschalters der 380 kV-Leitung in der Umspannanlage Bürstadt. Nach Wiederaufnahme der Stromproduktion öffnete der Netzschalter in Bürstadt am 18. August gegen 6:51 Uhr erneut. Die Generatorleistung des AKW stabilisierte sich jeweils auf rund 50 MWe und sicherte den Eigenbedarf der Anlage. Die Reaktorleistung stellte sich auf circa 34 Prozent ein. Das automatische Öffnen des Netzschalters ist auf eine Überwachungseinrichtung des Netzes zurückzuführen. Der Netzschalter wird nun überprüft. Die Stromproduktion von Block A wurde am frühen Nachmittag des 18.08. wieder aufgenommen.

AKW Biblis-B

2011:

  • 26.02.2011 – Reaktor für 26. Jahres-Revision vom Netz. Am 22. Mai sollte der Meiler planmäßig wieder verfügbar sein. Nachrüstungen sollen vor allem die Sicherheit des Atomkraftwerks bei Erdbeben verbessern. Doch durch den GAU von Fukushima kam die Stilllegung.

2010:

  • 12.11.-06.12. – Reaktor wegen Turbinenschaden vom Netz; Verzögerung im Anfahrbetrieb wegen Defekt

2009:

  • 23.01. – Reaktor zur Revision abgeschaltet
  • 14.11. – Reaktor wieder am Netz
  • 17.11. – Reaktor wegen Ventilproblemen wieder vom Netz
  • 23.11. – Reaktor wieder am Netz
  • 25./26.11. – Reaktor für mehrere Stunden ohne Leistungsproduktion, 26.11. seit den morgenstunden wieder auf Volllast.

2008:

  • 02.03. – Abschaltung für einige Stunden für Reparatur an Turbine
  • 29.07.-30.07. – Reduktion der Leistung um 60% wegen Defekt an Hochspannungsmast
  • 04.12. – Leistungsreduktion um 130 MW
  • 15.12. – Leistungsreduktion im 300 MW (25%) zur Vorbereitung der Revision ab 31.01.09

Kritik

Störfälle seit Betriebsbeginn (Stand Feb. 2016):

  • Block A: 445 + 4 (betreffen beide Blöcke)
  • Block B: 453
  • Mangelhafter Schutz gegen Flugzeugabstürze. Block A wurde zu einer Zeit konzipiert und errichtet, zu der keine Schutzmaßnahmen gegen den Absturz eines Militärflugzeugs erfolgten.
  • Am 15. Juli 2009 wurde bekannt, dass Bundesumweltminister Sigmar Gabriel nach Bekanntgabe des Jahresberichts des Bundesamts für Strahlenschutz (BfS) und des Zwischenfalls im AKW Krümmel von dem Betreiber RWE vor dem Wiederanfahren von Block B nach der seit Januar 2009 stattfindenden Revision eine Nachrüstung von engmaschigeren Sumpfsieben, sowie einer Sumpfsiebrückspülung forderte.
  • Interne Dokumente aus dem hessischen Atomkraftwerk Biblis A belegten 2011 einen gefährlichen Störfall, der nicht gemeldet wurde. Die Dokumente wurden Greenpeace von einem Mitarbeiter des Kraftwerkes zugespielt. Das vorliegende Protokoll beschreibt, wie die innere Reaktordruckbehälter-Dichtung beim Anfahren des Reaktors am 20. Oktober 2010 undicht wurde und zu hohem Druck in der Reaktordruckbehälter-Doppelringdichtung führte. Nur die äußere Deckeldichtung des 37 Jahre alten Reaktors konnte ein Leck verhindern.
  • “Schon in weniger als 15 Minuten nach einem kleinen Riss in einer Schweißnaht kann es also in Biblis dazu kommen, dass die Bedienungsmannschaft fast hilflos zusehen muss, wie das Atomkraftwerk außer Kontrolle gerät und es zum Kernschmelzunfall kommt”, warnte Hendrick Paulitz von der atomkritischen Ärzteorganisation IPPNW 2011 erneut. Das u.a. zur Beherrschung kleiner Lecks zwingend notwendige „sekundärseitige Abfahren mit 100 K/h“ werde in Biblis nicht automatisch ausgelöst. Die Atomaufsicht bestätigte das Problem und nahm es in ihre „Nachrüstliste“ vom 3. September 2010 auf.

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