Offener Brief an die Staatsanwaltschaft Osnabrück

Anlässlich eines Prozesses gegen eine Atomkraftgegnerin in Lingen (mehr Infos hier) haben einige Atomkraftgegner*innen einen offenen Brief an die Staatsanwaltschaft Osnabrück geschrieben:

Liebe Staatsanwaltschaft,

wir müssen reden. Wir haben echt schon viele Erfahrungen mit euch gemacht und zugegeben, so richtig gut waren die nicht. Als Aktivist*innen hatten wir das Gefühl, dass du als Staatsanwaltschaft, die nach dem Gesetz belastend, aber auch entlastend ermitteln solltest den Teil mit dem Entlasten nie so wirklich ernst nimmst. Wir kennen das von unseren Verfahren als politisch aktive Menschen, vermuten aber dass das bei anderen nicht viel anders ist, insbesondere wenn gegen Menschen ermittelt wird, die eure Vorurteile bestätigen.

Als ob das nicht schon schlimm genug wäre, kommt jetzt noch dazu, dass außerdem bestehende Diskriminierungen durch deine Ermittlungsarbeit verstärkt werden. Das gilt dann, wenn in einem Ermittlungsbericht steht, ein Behinderter käme als Täter oder Tatbeteiligter nicht in Frage (ja das haben wir ernsthaft schon in einer Akte als Einschätzung gefunden). Das gilt aber auch, wenn Behinderungen und Fähigkeiten von Menschen in Frage gestellt werden und du dir anmaßt zu wissen, was körperlich eingeschränkte Menschen können oder nicht. Ganz ehrlich: Wir glauben, du hast da ganz viel echt nicht kapiert. Menschen mit Beinprothesen können 100m in 12,1 Sekunden laufen und Menschen mit amputierten Unterschenkeln 7,54m weit springen. Warum sollen nicht Menschen klettern können, aber eben nicht fähig sein, ewig im Gerichtssaal aufmerksam zu sitzen? Das sind doch ganz verschiedene Dinge.
Warum ist es nicht möglich, den Betroffenen zuzuhören und einfach mal  zu glauben? In einem Fall wollt ihr jetzt gar eine Amtsärztin oder einen Sachverständigen bestellen, ganz unabhängig davon, dass die Ärzt*innen gerade vielleicht auch besseres zu tun haben als sich für euch zu Gehilfen eurer Diskriminierung zu machen.  Es ist schon absurd genug, dass du ein Verfahren wegen Widerstand auf Grund von Anziehen einer Rollstuhlhandbremse einleitest und partout nicht einstellen willst. Stattdessen setzt du weiter auf einen Gerichtsprozess gegen einen Mensch mit schwerer chronischer Krankheit, der dadurch durchaus zur Covid19-Risikogruppe zählt und daher besser nicht zu Prozessen reisen sollen müsste.

Aber was wundern wir uns, es reiht sich eigentlich nur ein in deinen ganz alltäglichen Wahnsinn. Ein schwacher Punkt, in dem du weiter bohren kannst, Folgen für Betroffene sind da egal, Hauptsache weiter mit der Verfolgung.  Naja, wir wollten es dir zumindest mal erklärt haben, dass das echt mies ist, oder eben „ableistisch“ – du magst ja sonst Fachtermini auch lieber als verständliche Sprache. Und damit es bei dir nicht einfach im Papierkorb landet, haben wir uns entschieden, diesen Brief (den du auch als Dienstaufsichtsbeschwerde interpretieren darfst) auch zu veröffentlichen, denn wir haben die Hoffnung noch nicht global aufgegeben.

Viele Grüße, Atomkraftgegner*innen

PS: Es sieht vermutlich bezogen auf Rassismus bei dir genauso schrecklich aus, das ist nur aktuell eben nicht Anlass unseres Briefes