Megaskandal: EU-Kommission genehmigt Subventionen für britisches Atomkraftwerk

Ohne staatliche Beihilfe kommt Atomkraft nicht aus, und in England geht es aktuell um vermutlich 19 Milliarden Euro für den Bau eines neuen Meilers. Heute hat die EU-Kommission entgegen aller Kritik und Zweifel ihre Zustimmung gegeben, dass England den künftigen Betreiber und französischen Stromkonzern EDF mit Steuergeldern unterstützen darf. Atomkraftgegner nennen die Genehmigung „klar illegal“ und einen „Kniefall vor der Atomlobby“.

Welcome to HinkleyDer Neubau von Atomkraftwerken hat sich in Großbritannien noch nie als wirtschaftlich erwiesen. Vor 15 Jahren meldete der Kernreaktorbetreiber British Energy Konkurs an. Jetzt will das Vereinigte Königreich einem AKW-Neubau zustimmen – und dafür staatliche Subventionen in noch nie dagewesenem Ausmaß bereitstellen. Dieses Vorhaben steht bereits seit vielen Monaten heftig in der Kritik weil es gegen EU-Wettbewerbsbestimmungen verstösst. Im Februar hiess es noch von der EU-Kommission, die geplanten Milliarden-Subventionen seien “EU-rechtswidrig”, es gäbe “schwere rechtliche Bedenken” gegen das geplante Fördermodell der britischen Regierung, denn es wäre eine “wettbewerbsverzerrende und rechtswidrige Subvention”. England will dem Betreiber über Jahrzehnte eine Preisgarantie für den verkauften Strom versprechen.

Heute hat die EU-Kommission die umstrittene Subventionen für Atomstrom genehmigt. Die staatliche Unterstützung „entspreche den europäischen Regeln“. Großbritannien „habe auf Druck der EU-Kommission die geplante Hilfe reduziert, so dass der Steuerzahler entlastet und der Wettbewerb gewahrt bleibe“. Die EU-Kommission nannte allerdings keine Zahl für die staatliche Beihilfe. Laut des Betreibers EDF sollen sich die Gesamtkosten für Hinkley Point-C auf 43 Milliarden Euro belaufen, die Baukosten auf 31,2 Mrd Euro. Die staatliche Beihilfen sollte urspünglich knapp 19 Milliarden Euro betragen.

  • EU-Wettbewerbskommissar Joaquín Almunia betonte, dass die staatliche Unterstützung absolut notwendig sei: „Das Projekt kann nicht durchgeführt werden, wenn es keine staatliche Hilfe gibt.“ Und nach dem EU-Vertrag könnten die EU-Staaten selbst über ihren Energiemix bestimmen.

Der Neubau am Standort Hinkley Point könnte „eines der teuersten Atomkraftwerke der Welt“ werden, meint Greenpeace. Diese Zustimmung sei ein „Kniefall vor der Atomlobby“. Atomkraftgegner der „Stop Hinkley Campaign“ nannten die Genehmigung „klar illegal“. Österreich will nun Klage vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) einreichen: Österreichs Ministerin für Landwirtschaft und Umwelt, Andra Rupprechter, kündigte an: „Im Falle einer Genehmigung muss dieser Skandal mit allen rechtlichen Mitteln bekämpft werden.“

Rebecca Harms, Fraktionsvorsitzende der Grünen im Europäischen Parlament, fordert die Bundesregierung auf sich der Klage anzuschließen. Entgegen aller vorherigen Festlegungen habe der deutsche Energie-Kommissar Günther Oettinger heute für die Finanzierung des Atomkraftwerks gestimmt. Wenn Angela Merkel es doch ernst meine mit der Energiewende, dann müsse sich die deutsche Bundesregierung den unter anderen von Österreich angekündigten Klagen beim Europäischen Gerichtshof anschließen, fordert Harms.

Denn dieser Beschluss hat Tragweite: Auch in anderen europäischen Länder wie Tschechien, Bulgarien, der Slowakei oder Polen spekulierte man auf den positiven Entscheid und erhofft sich eine entsprechende Subventionierungsmöglichkeit für eigen Neubauprojekte. Denn bei fast allen Projekten mangelt es an einer Finanzierung.

„Dieser Beschluss ist eine fatale Fehlentscheidung für die Zukunft der Energieversorgung in Europa“, so Jan Becker von contrAtom. „Ohne staaliche Beihilfe ist die Atomkraft nicht überlebensfähig, automatisch würden die Erneuerbvaren Energien die gefährlichen Meiler vom Markt verdrängen. Zugunsten einer lebenswerten Zukunft ohne weiter wachsende Atommüllberge und dem steigenden Risiko schwerer Atomunfälle fordern wir ein grundsätzliches Verbot von staatlichen Subventionen für Atomprojekte.“

„Die Reaktoren produzieren nicht nur Strom, sondern auch Atommüll, der auch in Großbritannien nicht sicher gelagert werden kann“, so BBU-Vorstandsmitglied Udo Buchholz, Vorstandsmitglied des Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz (BBU) e. V.

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Quellen (Auszug): greenpeace.de, dpa; 8.10.2014