Schottland: Für den Atomausstieg und Ökostrom zu 100 Prozent bis 2020

Am 18. September 2014 entscheiden die BürgerInnen im Norden Großbritanniens in einem Referendum über ihre Unabhängigkeit vom Vereinigten Königreich. Dabei geht es auch um energiepolitische Fragen. Schon immer waren die Schotten anders wie die Engländer. Die Anti-AKW-Demos waren in Schottland größer und eindeutiger für Erneuerbare Energien.

Ökostrom

Im letzten Jahr deckte Schottland seinen Stromverbrauch bereits zu 46,5 Prozent aus erneuerbaren Quellen. Ende des vergangenen Jahres waren in Schottland Windkraftanlagen mit 4,5 Gigawatt an Land und 190 Megawatt auf See installiert. An der schottischen Küste steht seit Herbst auch die größte Windkraftanlage der Welt, nämlich in Methil, rund 20 Kilometer nordöstlich von Edinburgh. Die Turbine von Samsung hat Rotorblätter von 83,5 Meter Länge und eine Leistung von sieben Megawatt. 11 700 Menschen arbeiten in Schottland in der Branche der erneuerbaren Energien. Auch Firmen aus Deutschland sind dort längst präsent, wie etwa der Projektierer Abo Wind aus Wiesbaden, oder die Anlagenbauer Nordex, Enercon und Senvion (ehemals Repower).

Atomausstieg bis 2016

Schottland will aus der Atomkraft aussteigen und seinen Strombedarf im Jahr 2020 komplett aus erneuerbaren Energien decken – unabhängig vom Ausgang des anstehenden Referendums. Neue Atommeiler, so viel ist für die schottische Regierung in Edinburgh klar, wird es nicht mehr geben, vor allem, weil es „keine klare, verlässliche Aussage über die Lagerung von Atommüll“ gebe. Schottland sei „nicht bereit, solche hohen Kosten für diese und zukünftige Generationen zu tolerieren“, erklärte die schottische Regierung bereits 2007 gegenüber London. Die britische Zentralregierung hingegen will noch neue Reaktoren bauen, wie sie zuletzt mit der Planung des Projekts Hinkley Point an der Südwestküste Englands demonstrierte. Aktuell laufen in Schottland noch vier AKW-Blöcke: die beiden Atomreaktoren Hunterston B nahe Glasgow und die beiden Blöcke Torness nahe Edinburgh. Das Werk Hunterston soll als erstes im Jahr 2016 vom Netz gehen.

Zielvorgaben und Unabhängigkeit

Unterdessen soll es bei der Energiewende in Schottland aber nicht nur um umweltfreundliche Stromerzeugung gehen, sondern auch um den Aufbau dezentraler Strukturen. 500 Megawatt an Erzeugungskapazitäten sollen im Jahr 2020 im Besitz der Gemeinden und der örtlichen Bevölkerung sein. Vor allem auf den Inseln sind Kleinwindkraftanlagen mit zum Teil nur wenigen Kilowatt Leistung sehr populär. Ein Teil davon wird auf den landwirtschaftlichen Gehöften sogar netzautark betrieben – Unabhängigkeit steht bei den Schotten offensichtlich in jeder Hinsicht hoch im Kurs.

Schottland: Einfahrt Atomstandort Dounreay, Bild: google

Schottland: Einfahrt Atomstandort Dounreay, Bild: google

Der Atomstandort Dounreay hatte eine

  • Wiederaufarbeitungsanlagen (WAA) Dounreay:
  • MTR Fuel Reprocessing Plant D1204
  • MOX-Reprocessing Plant D1206
  • Schneller Brüter Dounreay PFR
  • Schneller Brüter Dounreay DFR

Dounreay liegt im äußersten Norden von Schottland. Einer der dreckigsten Atomstandorte der Welt. Die Strände sind verstrahlt, seit Mitte der 90er Jahre werden radioaktive Hotspots gefunden. Kleine Teilchen, die hochgradig strahlen. Teilchen, die möglicherweise auch aus der Aufarbeitung von hochradioaktiven Brennelementen aus deutschen Atomforschungsreaktoren stammen. Dazu gehört ein radioaktiver Schacht. Er ist 65 Meter tief, undicht, enthält mehr als 1000 Tonnen Atommüll unbekannter Zusammensetzung und wird die britischen Steuerzahler bis zu einer Milliarde Pfund (rund 1,5 Milliarden Euro) kosten. Mehr als 16 000 Abladungen wurden registriert. Am 10. Mai 1977 explodierte eine Gasblase über dem Wasser, riss den zwölf Tonnen schweren Schachtdeckel in Stücke und sprühte einen radioaktiven Nebelteppich über das Atomgelände.

Zwischen 1992 und 1996 wurde in der Plutoniumfabrik in Dounreay der Strahlenmüll aus diesen Reaktoren wiederaufgearbeitet. Der gesamte Atommüll aus dieser Aufarbeitung lagert noch dort, muss aber von Deutschland zurück genommen werden. Dass soll bald passieren, aber ganz anders als gedacht. Der Müll wird “geswapt”, verwandelt sich von viel leichtaktiv zu weniger hochradioaktiv und wird nicht aus Dounreay sondern aus Sellafield kommen. Eine komplizierte Geschichte aus der unendlichen Serie ungelöster Atommüllprobleme. Vor allem der hochgiftige Bombenstoff Plutonium war jahrzehntelang das Hauptgeschäft der Atomanlagen in Dounreay. Jahrelang wurden hier schnelle Brüter getestet und eine Wiederaufarbeitungsanlage betrieben. Dounreay gehört zum militär-zivilen Kernbereich des britischen Atomprogramms zwischen Atomwaffen, Stromerzeugung und atomar angetriebenen U-Booten. Jahrzehntelang wurde der Umgang mit Atommüll nicht ernst genommen.

Seit 1977 wurde am Atomstandort Dounreay eine Atomanlage nach der anderen abgeschaltet. 1988 wurde die Förderung für die Brütertechnologie gestrichen. Der UKAEA gehörten zuletzt noch drei Atomanlagen und wurden von ihr bis 31. März 2008 betrieben. Inzwischen wurde die Verarbeitung von Atombrennstoffen eingestellt und mit den Rückbauarbeiten begonnen. Am 1. April 2005 ging das Gelände in das Eigentum der Nuclear Decommissioning Authority (NDA) über, und seit 1. April 2008 werden die meisten Atomanlagen auch von dieser betrieben – zum Rückbau. In Dounreay ist ein Endlager für schwach- und mittelradioaktive Abfälle vorgesehen, um die Atomabfälle aufzunehmen, die beim Rückbau der oben genannten Atomanlagen anfallen.

Hochradioaktive Abfälle in England

Die Zuständigkeiten im Bereich der Atomenergie wurden 2005 in England neu verändert. Mit der Nuclear Decommissioning Authority (NDA) schuf man eine Atombehörde, die für die Stilllegung Atomanlagen sowie für die Entsorgung der radioaktiven Abfälle verantwortlich ist. Ein Expertengremium (Committee on Radioactive Waste Management – CoRWM) empfahl die Endlagerung in geologischen Formationen, gekoppelt mit sicherer Zwischenlagerung. Die Standortauswahl soll auf Freiwilligkeit und kommunaler Partnerschaft mit der jeweiligen Region basieren. Die britische Regierung akzeptierte die Empfehlungen im Jahr 2008 und hat mit der Umsetzung bereits begonnen. Konzeptionelle Endlagerplanungen werden gegenwärtig durchgeführt. Darüber hinaus werden Alternativen wie Transmutation Drei oder Recycling analysiert. Kommunale Gemeinden hatten bereits unverbindlich Interesse als Standort eines Endlagers angekündigt. Eine Entscheidung ist meines Wissens noch nicht gefallen.

Atomtransporte aus Schottland

Ob noch was nach Deutschland aus Schottland zurückkommt ist unklar. Ebenso ist nicht bekannt, ob zum Atomstandort Dounreay Absprachen und Verträge gibt, wenn Schottland unabhängig wird. Zwischen Schottland und England wurde das Referentum schon lange einvernehmlich diskutiert. Ob Schottland in der EU bleiben kann ist ungeklärt. Der Tag der Entscheidung kommt näher. Es wird spannend.

Dieter Kaufmann, Arbeitskreis gegen Atomanlagen Frankfurt am Main (12.08.2014)

Quellen:

  • Plutoniumfabrik Dounreay: Strahlende Strände und deutscher Atommüll. ( 17. Mai 2014)
    http://umweltfairaendern.de/2014/05/plutoniumfabrik-dounreay-strahlende-straende-und-deutscher-atommuell/#sthash.XF11e6h2.dpuf
  • Die Schotten wollen nur noch Ökostrom (Badische Zeitung, 11.08.2014
    http://www.badische-zeitung.de/nachrichten/wirtschaft/die-schotten-wollen-nur-noch-oekostrom–88573104.html
  • Gewagte Mixtur (Der Spiegel, 29.12.1997)
    http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-13944742.html
  • Blairs Tricks und der Testfall Dounreay (Die Zeit, 10.06.1998)
    http://www.zeit.de/1998/25/Blairs_Tricks_und_der_Testfall_Dounreay/komplettansicht
  • DBE – Endlagerung in Europa
    https://www.dbe.de/de/unsere-aufgabe/endlagerung-weltweit/europa/index.php
  • wikipedia
    http://de.wikipedia.org/wiki/Kernkraftwerk_Dounreay