Russland nimmt „Schnellen Reaktor“ in Betrieb

In Russland soll heute ein Atomkraftwerk vom Typ „Schneller Reaktor“ in Betrieb genommen werden, um Atombombenmaterial zu vernichten. In Europa ist die Technik des vergleichbaren „Schnellen Brüters“ schon vor Jahrzehnten gescheitert, weil sie auf dem Ultragift Plutonium beruht.

Belojarsk BN-800, Bild: gorynch / maps.google.com

Belojarsk BN-800, Bild: gorynch / maps.google.com

Nach rund acht Jahren Bauzeit steht die Schnelle Reaktoreinheit vom Typ BN-800 in Belojarsk, östlich des Urals, 50 km von der Millionenstadt Jekaterinburg entfernt, kurz vor der Inbetriebnahme, teilte der russische Staatskonzern Rosatom am 18. Juni 2014 mit. Der Kern sei mit 460 Brennelementen sowie 22 Steuer- und Instrumentierungselementen beladen worden und solle heute (Donnerstag) erstmals kritisch werden.

Bereits in den 1980er-Jahren war mit dem Bau begonnen worden. Wegen der Katastrophe von Tschernobyl wurde das Projekt 1986 eingefroren. 1997 wurde beschlossen den Bau wieder aufzunehmen, die Arbeiten setzten sich aber erst 2006 fort. Russland erwartet sich von dem Schnellen Brüter einen „Brennstoffkreislauf“, der auch die abbauschwachen Uranminen schonen soll. Der Betreiber Rosenergoatom warb früher damit, dass der Schnelle Brüter „einer der umweltfreundlichsten und sichersten Reaktoren der Welt“ sei, „da er so gut wie keine krebserregenden Stoffe freisetze“.

Am Standort befindet sich ein seit 1980 betriebener kleinerer „Schneller Reaktor“, der eigentlich 2010 abgeschaltet werden sollte. Nach Aufrüstungen und Modernisierungen soll der Reaktor nun noch bis Ende 2021 in Betrieb bleiben. Weiterhin ist in Belojarsk der Bau einer weit größere Version mit 1.800 MW geplant.

Die Technik des „Schnellen Brüters“, die wie der „Schnelle Reaktor“ auf dem Ultragift Plutonium beruht, ist weltweit umstritten. Im Rahmen von Abrüstungsverträgen soll in Belojarsk Plutonium für 8.500 Atomsprengköpfe vernichtet werden. Doch Kritiker sprechen von einem „hochkomplexen System“, dass einmalig auf der Welt ist – und so noch nie betrieben wurde. Es sei unter enormen Zeitdruck installiert worden und sehr störungsanfällig. Wie im „Schnellen Brüter“ dient auch hier Natrium als Kühlmittel – das bei Luftkontakt sofort Feuer fängt und unter hoher Temperatur im Reaktor zirkuliert.

Die allgemeine Kritik richtet sich vor allem auf die Errichtung einer Plutoniumwirtschaft, die zum einen den Betrieb von Wiederaufarbeitungsanlagen (WAA) und das Hantieren, Transportieren und Lagern des Ultragifts Plutonium nötig machen. Nachweislich verseuchen die WAA die Umwelt durch die kontinuierliche Freisetzung von Radioaktivität. Immer wieder kommt es zu Defekten oder Unfällen.

Die Atomlobby träumt von der „Lösung des Energieproblems“ durch die Installation einer wahnsinnig gefährlichen und katastrophalen Großtechnologie. Doch selbst wenn der „Ausnutzungsgrad“ des Brennstoffs erhöht wird – eine Endlagerung der hochradioaktiven Reststoffe ist trotzdem nötig, und nirgends auf der Welt realisiert. Schnelle Reaktoren werden in Russland als Zukunftstechnik gefeiert, während sie im Westen als gescheitert gelten.

  • DER SPIEGEL 36/2012 – Wie sollen wir das schaffen?
    Bomben zu Strom: Plutonium für 8500 Atomsprengköpfe wollen die Russen vernichten – in einem Reaktor, der schon in einem Jahr in Betrieb gehen soll. Doch Zeitdruck und die anfällige Natriumkühlung machen das Projekt zum Wagnis. – zum Artikel
  • Der Schnelle Brüter: Vom Wunderkind zur Nullnummer
    28. März 2011 – Als die “Atomkraftwerke der 2. Generation” feierte man sie in den 70er Jahren: Den schnellen Brüter, der den Brennstoffengpass, der aufgrund beschränkter Uranreserven auskommen muss, beheben sollte und durch die Nutzung des bislang nutzlosen Uran 238 einen effizienteren Betrieb des Brennstoffkreislaufes darstellen sollte.

Quellen (Auszug): spiegel.de, nuklearforum.ch; 25.6.2014