26 Castoren sind nur die Spitze des Eisbergs

Seit fast einem Jahr streiten sich Bund und Länder um 26 Castor-Behälter. Keiner will sie gerne haben. Bis Ostern soll nun eine Entscheidung gefallen sein, wohin die Behälter rollen. Nicht nach Gorleben, darin sind sich die beteiligten Politiker einig. Atomkraftgegner bemängeln, dass niemand über den Atommüll spricht, der in den noch laufenden Atomkraftwerken entsteht.

Zusätzliche Castoren, Quelle: ausgestrahlt

Zusätzliche Castoren, Quelle: ausgestrahlt

Allein 2013 seien in den neun AKW in Betrieb Atommüll für 24 weitere Castoren angefallen. Bis 2022, wenn die letzten sechs AKW vom Netz gehen sollen, werden insgesamt noch hochradioaktive Stoffe für weitere 165 Castor-Behälter produziert, hat ausgestrahlt errechnet. Die 26 Castoren, um die es heute geht, sind also nur die Spitze des Eisbergs. Die weitaus größeren Probleme blenden Bund und Länder aus, meint Jochen Stay, Sprecher von ausgestrahlt.

Umwelt-Staatssekretär Jochen Flasbarth sagte am Freitag in Berlin nach einem Bund/Länder-Treffen, er sei guten Mutes, dass es bis Ostern eine Lösung gebe. Deutschland muss noch 26 Atommüll-Behälter aus Wiederaufarbeitungsanlagen in Sellafield und La Hague zurücknehmen. Drei Bundesländer sollen gemäß Absprachen für eine neue Endlagersuche die 24 Castoren, die noch in England und Frankreich lagern, aufnehmen. Die Behälter sollen nicht mehr wie bisher in das Zwischenlager Gorleben, um keine weiteren Fakten für ein Endlager im nahe gelegenen Salzstock zu schaffen. Das unterstrich heute Baden-Württembergs Umweltminister Franz Untersteller: „Gorleben ist definitiv aus dem Spiel. Das ist im Standortauswahlgesetz festgelegt; auch mit Zustimmung der CDU.“ Bisher haben sich nur Baden-Württemberg und Schleswig-Holstein zur Aufnahme bereiterklärt. Eine weitere Option könnte Biblis in Hessen sein.

  • Doch laut Staatssekretär Flasbarth ist die Entscheidung für ein drittes Bundesland weiter offen, kein Standort würde ausgeschlossen. Grundsätzlich kämen auch Standorte beispielsweise in Bayern oder Hessen infrage. Kriterien für das Zwischenlager seien die Kosten, die Transportentfernung von den Wiederaufarbeitungsanlagen sowie die technische Ausstattung vor Ort.

Für schleswig-holsteins Energieminister Robert Habeck (Grüne) muss es „eine faire Lastenteilung“ geben. Die atompolitische Sprecherin der grünen Bundestagsfraktion, Sylvia Kotting-Uhl, fordert von Bayern, einem der größten Atommüllproduzenten der Republik, „sich nicht länger aus der Verantwortung zu stehlen“.

Doch auch an den ersten politischen Lösungen des Entsorgungsdebakels äußern Atomkraftgegner Kritik: Das Oberverwaltungsgericht Schleswig-Holstein hatte im vergangenen Jahr die Genehmigung für das Zwischenlager in Brunsbüttel aufgehoben, weil der Schutz gegen Flugzeugabstürze und Angriffe mit panzerbrechenden Waffen nicht nachgewiesen werden konnte. Die anderen Lagerhallen, über die Bund und Länder heute verhandelte, sind baugleich oder haben sogar dünnere Wände als das Lager in Brunsbüttel.

„Es gibt also bundesweit keine geeignete und sichere Möglichkeit, die Castoren aus Großbritannien und Frankreich, aber auch die aus den deutschen AKW, zu lagern“, so Stay. „Wir fordern: Mit der verantwortungslosen Produktion von Unmengen strahlender Abfälle, die heute nicht sicher gelagert werden können und die samt den Risiken an kommende Generationen vererbt werden, muss endlich Schluss sein – und zwar jetzt und nicht erst 2022“.

Aus Philippsburg und Biblis kamen heute erneut kritische Töne. Während in Philippsburg die CDU weiter gegen die Castoren wettert, fordert die Anti-Atom-Initiativen AKWEnde Bergstraße „Nichts rein, nichts raus“. Die radioaktiven Rückstände sollen in den Wiederaufbereitungsanlagen in England und Frankreich bleiben, internationale Verträge neu verhandelt werden. Für die sichere Unterbringung der Castorbehälter an ihrem derzeitigen Ort sollen die Unternehmen aufkommen, das am Atomstromgeschäft profitiert haben. Für den Fall, dass die Castoren aus dem Ausland doch auf den Weg nach Biblis geschickt werden sollten, kündigen die Aktivisten Blockaden an.

  • Castor-Kuddelmuddel: Antwort des BfS wirft neue Fragen auf
    7. Februar 2014 – Für die Gorleben-Gegner ist der angekündigte Castor-Stopp eine Beruhigungspille. Es solle abgelenkt werden von dem politischen und geologischen Desaster, dass Gorleben als Endlagerstandort in einem Suchverfahren fortgeschleppt wird.
  • Atommüll: Umweltministerin Hendricks macht Druck
    4. Februar 2014 – Die neue Umweltministerin Barbara Hendricks macht Druck bei den offenen Fragen für einen “Neustart” der Endlagersuche: Im Streit um den Verbleib der Castoren soll es zu neuen Gesprächen kommen. Und auch die Mitglieder Enquete-Kommission sollen benannt werden.
  • Castor stopp statt Gorleben stopp?
    1. Februar 2014 – Agenturmeldungen zu Folge ist nun Hessen doch bereit, Castor-Behälter aufzunehmen. Zuvor hatten Schleswig-Holstein und Baden-Württemberg ihre Bereitschaft erklärt, den Müll aus der Wiederaufbereitung abgebrannter Brennelemente zwischen zu lagern. Die Bürgerinitiative Umweltschutz Lüchow-Dannenberg (BI) warnt vor verfrühter Genugtuung. Die Genehmigungshürden zur Einlagerung der Wiederaufarbeitungsabfälle seien hoch, die Zwischenlagerung am Atomkraftwerk Brunsbüttel sei sogar gestoppt.

Quellen: PE ausgestrahlt, um.baden-wuerttemberg.de, dpa, ndr.de, handelsblatt.com, hr-online.de; 13./14.02.2014