Baden-Württemberg: „Mehr Kontrolle“ für Atommeiler angeordnet

Das Umweltministerium in Baden-Württemberg will die Aufsicht über die Atomkraftwerke im Land verstärken und ergänzen. Betreiber ENBW hatte Störfälle aus dem AKW Philippsburg-2 nicht gemeldet, ein anonymer Informant machte auf Defizite aufmerksam: Um Kosten zu senken, würde an Sicherheit gespart.

BUND-Flugblatt Philippsburg 2012„Wir werden das Aufsichtshandbuch in einigen wichtigen Punkten ergänzen“, hieß es am Dienstag aus dem Umweltministerium. Außerdem sollten öfter und zusätzlich externe Experten hinzugezogen werden, wenn Ereignisse in Atommeilern bewertet werden müssten. „Wir werden die Kommunikation zwischen Betreiber, Sachverständigen und Atomaufsicht intensivieren und präzisieren.“

Die Vorwürfe gegem Betreiber EnBW sind brisant: Ein anonymer Informant mit Insiderwissen hatte Mängel in dem AKW, das noch bis  Ende 2019 laufen soll, aufgelistet und behauptet, dass geschludert wurde und Vorfälle nicht an die Atomaufsicht gemeldet würden.

Das Ministerium nannte nun den Umgang der EnBW mit drei konkreten Ereignissen „insgesamt unsachgemäß“. „Umfang, Qualität und Dokumentation“ von Sicherheitsbetrachtungen seien unzureichend gewesen. Die Mängel seien „teilweise gehäuft und kombiniert“ aufgetreten. Gravierende sicherheitstechnische Auswirkungen hätten nicht ausgeschlossen werden können.

AKW-Betreiber EnBW hatte die Vorwürfe damals als „haltlos“ zurückgewiesen. Im März 2012 musste dann aber ein Ereignis aus 2010 als Störfall nachgemeldet und die Bewertung in zwei anderen Fällen nach oben korrigieren werden. Unter anderem war aus einem Brennelementelagerbecken Wasser ausgetreten.

Nun räumt EnBW die Fehler ein: „Wir haben im Frühjahr letzten Jahres die Ereignisse selbst umfassend analysiert und dabei Fehler und Verbesserungsmöglichkeiten identifiziert“.

Atomkraftgegner fordern die Stilllegung des Meilers durch den Entzug der Betriebsgenehmigung:

„Der Betreiber hat in gleich drei Fällen bewiesen und nunmehr auch eingestanden, nicht in der Lage zu sein, verantwortungsbewusst mit dem Hochrisiko-Reaktor Philippsburg umzugehen“, so Jan Becker von contrAtom. „Wir fühlen uns an die Schlampereien des norddeutschen AKW-Betreibers Vattenfall erinnert, der die Bevölkerung nach Störfällen in krümmel und Brunsbüttel belog und schließlich völlig an Glaubwürdigkeit verlor. Beide Meiler sind nun stillgelegt. Als einzige Konsequenz aus dem EnBW-Desaster fordern wir die sofortige Stilllegung aller von EnBW betriebenen Reaktoren: Philippsburg-2 und Neckarwestheim-2.“

  • Insider berichtet erneut von Schludereien im AKW Philippsburg
    15. Dezember 2012 – Die Vorwürfe sind einmal mehr brisant: Mitarbeiter des Atomkraftwerks Philippsburg beschuldigen Betreiber EnBW, aus Kostengründen bei Sicherheitsmaßnahmen zu schludern, die Atomaufsicht zu täuschen, Zwischenfälle zu verschweigen. Derartige Anschuldigungen sind nicht neu, der Konzern streitet wie immer alles ab und mauert. Atomkraftgegner fordern, die Anlage sofort stillzulegen! Philippsburg-2 führt auch in diesem Jahr die Störfallstatistik an.
  • Baden-Württemberg: Noch viele Jahre Atomrisiko?
    29. Juni 2012 – Der BUND Baden-Württemberg hat alle wichtigen Fakten gegen den Weiterbetrieb der Atomkraftwerke Neckarwestheim-2 und Philippsburg-2 zusammengefasst und fordert: Sofort abschalten und atomares Risiko vermindern!
  • Störfallserie und Schlamperei in deutschen AKW
    21. März 2012 – Nicht nur aus den Atomkraftwerken Neckarwestheim, Gundremmingen und Emsland sind in den letzten zehn Tagen Störfälle gemeldet worden. Der Betreiber des AKW Philippsburg musste ein Ereignis aus 2010 nachträglich in der INES-Bewertung hochstufen. Atomkraftgegner bekräftigen die Forderung nach sofortiger Stilllegung.
  • Skandal im Atomkraftwerk Philippsburg: Nachrüstung erst rund 25 Jahre nach Betriebsbeginn
    16. März 2012 – Aktuelle Untersuchungen der baden-württembergischen Atomaufsicht machen deutlich, dass gravierende Sicherheitslücken im Atomkraftwerk Philippsburg-2 spätestens seit 2004 bekannt waren, aber erst viereinhalb Jahre später behoben wurden. Nach Auffassung der atomkritischen Ärzteorganisation IPPNW macht das deutlich, dass Atomkraftwerke in Deutschland mit gefährlichen Sicherheitslücken betrieben werden, selbst wenn sie Betreibern, Gutachtern und Atombehörden bekannt sind.

Quellen (Auszug): welt.de, stuttgarter-zeitung.de; 30.01.2013