Sind die Atomkraftwerke in Schleswig-Holstein erdbebensicher?

Die Initiative Brokdorf-akut stellt mit einer Pressemitteilung die Frage: „Sind die Atomkraftwerke in Schleswig-Holstein erdbebensicher?“ Zwar seien Krümmel und Brunsbüttel vom Netz, dennoch lagern dort weiterhin hochradioaktive Brennelemente außerhalb des Sicherheitsbehälters. Auch das AKW Brokdorf sei unzureichend gesichert. Morgen findet in Elmshorn aus Protest eine Demonstration statt.

Das Niedersächsische Landesamt für Bodenforschung habe im Jahr 1994 für das Geologische Landesamt Schleswig-Holstein ein seismologisches Gutachten (sG) zum Standort des AKW Brunsbüttel erarbeitet. Es empfiehlt, ein Bemessungserdbeben der Intensitätsskala I = 7 nach Medvedev, Sponheuer und Karnik (MSK) festzulegen. Die Vorgehensweise im sG war entsprechend den Vorgaben des Kerntechnischen Ausschuss (KTA 2201) zur „Auslegung von Kernkraftwerken gegen seismische Einwirkungen“ wie folgt: Als sog. Bemessungserdbeben ist das stärkste bekannte Erdbeben in einem Umkreis von 200 km um die Atomanlage zu berücksichtigen. Die sicherheitsrelevanten Anlagenteile müssen den Beschleunigungen aus dem Bemessungserdbeben standhalten.

Das stärkste für AKW in Schleswig-Holstein zu berücksichtigende Erdbeben ist das von Alfhausen, nördlich Osnabrück, aus dem Jahr 1770. Da Alfhausen und Brunsbüttel laut KTA 2201 als „tektonische Einheit“ zu betrachten sind, wurde als potentieller Erdbebenherd die Sockelstörung durch den Salzstock Belmhusen, ca. 5 km nordwestlich vom AKW Brunsbüttel, identifiziert. Erdbebenwellen benötigen von dort nur ca. 2 Sekunden bis zum AKW Brunsbüttel.

  • Die Initiative Brokdorf-akut verurteilt die Vorgehensweise bei der Definition des Bemessungserdbebens als fahrlässig und unzureichend. Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass sich in der norddeutschen Tiefebene, in deren Untergrund sich viele Salzstöcke befinden, stärkere Erdbeben ereignen als das von Alfhausen.

Das AKW Brokdorf liegt ca. 15 km vom Salzstock Belmhusen und ca. 9 km vom Salzstock von Krempe entfernt. Der geringe Abstand zwischen dem AKW Brokdorf und der Sockelstörung liesse nur ca. 3 Sekunden Zeit, um die sicherheitsrelevanten Anlagenteile abzufahren. Das AKW Brokdorf sei auf Grundlage der Anforderungen aus dem KTA allenfalls gegen ein Erdbeben der Stärke I = 7 (MSK) ausgelegt.

Kontamination nach simuliertem GAU im AKW Brokdorf, Wetterdaten Mai 1995; Quelle: http://flexrisk.boku.ac.at

Kontamination nach simuliertem GAU im AKW Brokdorf, Wetterdaten Mai 1995; Grün: belasteter Bereich; Gelb: große Einschränkungen bei der Bodennutzung; Rot: Dauerhaftes Leben nicht mehr möglich. Quelle: http://flexrisk.boku.ac.at

Jüngst schlug der Bericht zum EU-Stresstest für das AKW Brokdorf die Nachrüstung mit einem Erdbebenwarngerät auf der Reaktorplatte vor, was derzeit installiert wird. Dadurch wird nach Ansicht der Atomkraftgegner aber keinerlei Sicherheitsgewinn erzielt. Mit dem Gerät könne lediglich dokumentiert werden, dass Erdbebenwellen das AKW erreicht haben.

  • Die Initiative Brokdorf-akut weist darauf hin, dass das AKW Brokdorf von weiteren starken Erschütterungen getroffen werden kann: Absturz eines großen Verkehrsflugzeugs, Explosionen auf Schiffen und Beschuss mit Beton- und stahlbrechenden Waffen.

Mittlerweile sind die AKW Brunsbüttel und Krümmel vom Netz. Jedoch befinden sich in den noch weniger geschützten Anlagen hochradioaktive Brennelemente, die ständig gekühlt werden müssen. Andernfalls kann es zu einer Nuklidfreisetzungen kommen.

Laut Brokdorf-Betreiber E.ON ist das Kraftwerk „- wie alle deutschen Kernkraftwerke – gegen das 100 000-jährige Erdbeben („Bemessungserdbeben“) ausgelegt“, sowohl der Störfall als auch auslegungsüberschreitende Vorkommnisse würden „sicher beherrscht werden“. Die Aussage von „Brokdorf akut“, dass es jederzeit auch in Brokdorf zu einem Kernschmelzunfall kommen könne, „entbehre jeglicher Grundlage“. Bestünde auch nur „der geringste Zweifel“ daran, müsste die für die Aufsicht verantwortliche Behörde unverzüglich tätig werden, so E.ON.

  • Am morgigen Samstag (10.11.2012) findet in Elmshorn ein Demonstration für die Stilllegung des AKW Brokdorf statt. Auf dem „Alten Markt“ findet ab 11.30 Uhr eine Kundgebung statt. Infos: www.brokdorf-akut.de / www.anti-atom-initiative.de
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Quelle (Auszug): umweltfairaendern.de, brokdorf-akut.de; shz.de; 09.11.2012