Vor 30 Jahren Baubeginn des AKW Emsland

Mit dem Bau des Atomkraftwerks Emsland bei Lingen wurde am 10.08.1982 begonnen. Es sollte als Ersatz für das benachbarte und stillgelegte AKW Lingen dienen. Heute gehört es zu den letzten neun Reaktoren, die in Deutschland noch betrieben werden. Doch „sicher“ ist es ncht. Atomkraftgegner fordern am 30. Jahrestag des Baubeginns die sofortige Stilllegung!

Atomkraftwerk Emsland; Foto: journeyfan47 / Panoramio

Atomkraftwerk Emsland; Foto: journeyfan47 / Panoramio

Der Bau des Atomreaktors Emsland (KKE) wurde am 10.08.1982 durch die Siemens-Kraftwerks-Union (KWU) begonnen, nach fast sechs Jahren wurde der Meiler im März 1988 erstmals kritisch. Am 20. Juni 1988 nahm der Druckwasserreaktor vom Typ Konvoi, der 4. Druckwasserreaktor-Generation in Deutschland, den Leistungsbetrieb auf. Seit 2002 befindet sich auf dem Reaktorgelände auch ein eigenes Zwischenlager, in dem die verbrauchten Brennelemente für 40 Jahre in Castor-Behältern deponiert werden, bis eine Lösung für diesen jahrtausende gefährlichen Müll gefunden ist.

Gemäß des rot-grünen Atomausstiegs war eine rechnerische Stilllegung nach dem Verbrauch der zugeteilten Reststrommengen etwa 2018 zu erwarten gewesen. Der neue „Ausstieg“ bescherte dem niedersächsischen Meiler zwei zusätzliche Betriebsjahre: Spätestens am 31.12.2020 soll er nach derzeit gültigem Gesetz für immer abgeschaltet werden.

Als Brennstoff kommt im KKE neben Uranbrennelementen auch Misch-Oxid (MOX) zum Einsatz. Diese Brennstäbe enthalten hochgiftiges Plutonium, wovon schon Milligramm tödlich wirken. Der Transport und Umgang mit dem Stoff birgt die latente Gefahr einer großflächigen Verseuchung.

Größere Störfälle sind im AKW Emsland bisher nicht bekannt geworden. Das AKW Emsland gilt sicherheitstechnisch als vorbildlich. Dennoch wurden zwischen 1998 und 2005 wurden 40 kleinere Pannen gemeldet. Am 24. Juli 2009 kam es wegen eines zu niedrigen Dampferzeugerfüllstand zu einer Reaktorschnellabschaltung. In 2010 wurden fünf Ereignisse gemeldet, in 2011 eine Funktionsstörung im Reaktorschutzsystem und der Ausfall einer Notstromschiene. Seit dem 01.01.2012 mussten aus dem AKW Emsland aber schon neun Störfälle gemeldet werden, u.a. wurden vertauschte Anschlüsse und eine Leckage festgestellt. Seit Betriebsbeginn summieren sich die meldepflichtigen Ereignisse auf mehr als 130 – im Durchschnitt also alle 67 Tage eines.

Technik und Menschen sind auch in Lingen niemals perfekt. Ein Versagen oder eine Verkettung unglücklicher Umstände kann unweigerlich zum schweren Unfall führen. Trotz des vergleichsweise hohen Sicherheitsstandards muss zudem davon ausgeganen werden, dass mit zunehmendem Alter der Anlage auch das Risiko zunehmen wird. Derzeit beantragt ist eine Erhöhung der Reaktorleistung auf 3.950 Megawatt thermische Leistung, die eine zusätzliche Belastung für die alternden Komponenten bedeuten würde.

Um dem Risiko eines gezielten Terrorangriffs mithilfe eines Flugzeugs, gegen das kein Reaktor der Welt effektiv geschützt werden kann, zu begegnen, wurde in Emsland die Installation eines „Tarnschutzsystems“ beantragt. Nach den Anschlägen 2001 auf das World Trade Center waren Massnahmen beschlossen worden – mehr als zehn Jahre danach mangelt es an der Umsetzung. Neben „Nebelwerfern“, die den Reaktor in einen Kunstnebel hüllen sollen und damit ein gezieltes Ansteuern verhindern, wird um das Zwischenlager eine Mauer gebaut. Hier werden „neue Erkenntnisse über Täterverhalten“ angenommen. Atomkraftgegner kritisieren die Massnahmen schon vor der Fertigstellung als wenig wirkungsvoll, vielmehr handelt es sich um eine Alibihandlung, denn ein realistisches Unfallszenario wird ignoriert.

Atomstandort Lingen; Karte: maps.google.de

Atomstandort Lingen; Karte: maps.google.de

Derzeit kann der Katastrophenschutzplan, der bei einem Reaktorunfall die Bevölkerung schützen soll, eingesehen werden. Doch in der neuen Ausarbeitung werden aktuelle Erkenntnisse des Bundesamt für Strahlenschutz zur Ausbreitung von Radioaktivität nicht berücksichtigt. Deutsche Behörden planen noch immer die Evakuierung von Menschen in Umkreisen, die nach Erfahrungen von Tschernobyl und Fukushima viel zu klein sind. Zudem sind die Szenarien zur Rettung zehntausender Menschen vor Strahlung in der Realität niemals umsetzbar.

Hinsichtlich des mit jedem Betriebstag weiter wachsende Atommüllbergs bleibt die Feststellung, dass Betreiber RWE genauso wie alle anderen Atomkonzerne keine Lösung zu bieten hat. Hochradioaktive Brennelemente werden im nahen Standortzwischenlager geparkt, in der Hoffnung dass Folgegenerationen eine gute Idee haben, wie das Problem zu bewältigen sei.

Der Mythos, das „neuere“ Atomreaktoren in Deutschland „sicherer“ seien, als die bereits stillgelegten älteren ist widerlegt. Studien belegen, dass ab einer Betriebsdauer von etwa 20 Jahren das Risiko eines Reaktorunfalls deutlich zunimmt. Das KKE hat diesen Zeitpunkt lange überschritten.

„Wir fordern am 30. Jahrestags des Baubeginns die sofortige Stilllegung des AKW Emsland. Kein Gramm Atommüll ist bis heute sicher entsorgt, mit jedem Tag wächst das Risiko eines schweren Unfalls. Und die Sicherheit der Bevölkerung bei einem GAU ist eine Farce“, so Jan Becker von contrAtom. „Das KKE ist genauso wenig ’sicher‘ wie alle anderen Atomreaktoren – und muss deshalb jetzt vom Netz. Atomkraft ist ein kurzlebiges Dilemma, mit dessen Folgen zahlreiche Generationen leben müssen. Das ist nicht hinzunehmen.“

  • Atomausstieg? Die Wahrheit Teil 22: Sind die “neueren” AKW sicherer?
    3. August 2011 – Deutschland steigt aus. Bis 2022 sollen in einem Stufenplan alle Atomkraftwerke abgeschaltet werden, das erste bereits 2015. Schwarz/gelb feiert das eigene Einknicken im Fortbestand der Atomenergie als Erfolg, rot/grün stimmt mit dem Argument “alternativlos” zu. Die “neueren” Atomkraftwerke dürfen teilweise noch mehr als 10 Jahre laufen. Doch sicher sind die auch nicht.

Quellen (Auszug): nadir.org, de.wikipedia.org, umwelt.niedersachsen.de, robinwood.de; 10.08.2012