Asse-Untersuchungsausschuss legt desaströsen Bericht vor – Geologe warnte schon 1979

Ein Entwurf zum Abschlussbericht des Asse-Untersuchungsausschusses im niedersächsischen Landtag legt einen desaströsen Eindruck vom Zustand im das ehemalige Endlagerbergwerk vor: das radioaktive Inventar ist möglicherweise höher, als offiziell deklariert worden. Ein Geologe betonte am Freitag in Dannenberg, er habe schon 1979 vor Risiken gewarnt.

Asse: Balast der Republik; Bild: publixviewing.de

Asse: Balast der Republik; Bild: publixviewing.de

Eckbert de Beyer veröffentlichte im März 1979 seine Diplomarbeit, in der er sich mit den gebirgsmechanischen Zuständen des Endlagers Asse-2 beschäftigte. Sein Auftraggeber wollte ein Jahr nach dem Ende der Atommüll-Einlagerungen eine Studie mit dem Ergebnis, der ehemalige Salzstock ist stabil. Das Ergebnis der umfangreichen Untersuchung war das Gegenteil – und wurde deswegen auch verschwiegen. Unbequem waren die Berechnungen des Geologen de Beyer, denn die Verantwortlichen und Bergleute waren von der „Sicherheit“ des Bergwerks, in dem bis heute 126.000 Fässer schwach- und mittelaktiver Müll lagern, überzeugt: „Ich wusste schon damals, diese Grube säuft ab“, sagte de Beyer bei seinem Vortrag am vergangenen Freitag, den die Bürgerinitiative Umweltschutz Lüchow-Dannenberg organisierte.

Er habe 8cm breite Risse im Gestein dokumentiert – potentielle Wasserwegsamkeiten. Laugenzuflüsse waren Ende der 70er Jahre bekannt – doch wurde immer nur auf die „schönen Seiten“ des Bergwerks geschaut: die Endlager“forschung“. Große Sorge habe ihm die Bewegung des Salzstocks gemacht. Die Einlagerungskammern und Stollen seien „zu schnell“ in den Berg getrieben worden, der Gebirgsdruck sorgt immer weiter für Instabilität. „Es ist erstaunlich, dass die Asse noch steht“, so de Beyer, der schon 1979 zu einer Verfüllung des Bergwerks mit Beton riet, um eine Standsicherheit zu gewährleisten. Der eingelagerte Atommüll war damals allerdings noch kein Thema. Der Geologe durfte in seiner Arbeit der „Instabilität“ der Asse dann auch keinen so großen Raum widmen, wie er plante. Es habe Druck gegeben, am Ende seien seine Ergebnisse dann sogar ignoriert worden.

Große Fehler hätten die Verantwortlichen laut de Beyer bei der bisherigen Verfüllung gemacht, denn es seien Hohlräume geblieben, die dem Berg weiter Bewegung ermöglichen würden. Die bisherigen Massnahmen seien „nutzlos“, so de Beyer. Das nicht aufzuhaltende Volllaufen der Grube mit Salzlauge und die vorhandenen Wasserwegsamkeiten würden langfristig dafür sorgen, dass die Radioaktivität an die Oberfläche gepresst wird.

Auf ein weiteres Problem machte Referent Udo Dettmann vom Koordinationskreis Asse-2 aufmerksam: eine eindeutige Kategorisierung des Atommülls fehle, denn damals seien die Fässer nicht nach ihrem Inhalt, sondern nach der nötigen Abschirmung für einen Transport bewertet worden. So stünden unter Tage tausende Fässer mit Betonabschirmungen als „schwachaktiver Müll“, die in Wahrheit ganz anderen Inhalt hätten.

Der Untersuchungsausschuss zur Asse will nach Angaben des CDU-Abgeordneten Martin Bäumer am 13. September zum letzten Mal tagen. Der Bericht soll dann Ende September im Landtag verabschiedet werden – ein erster Eindruck ist kürzlich erschienen: In dem Entwurf heißt es, in der Asse sei unter anderem für den Standort Gorleben, also die Endlagerung in Salz, geforscht worden. Unter dem Deckmantel der Forschung sei aber die Entsorgung von schwach- und mittelaktiven Abfällen in großer Menge erfolgt. Zum Teil sei bewusst gegen Annahmebedingungen für den Müll verstoßen worden. Vor allem die eingelagerten Mengen an Plutonium und Tritium seien nach Erkenntnissen des Ausschusses zu gering angesetzt worden. Mögliche Umlagerungen unter Tage könnten nicht nachvollzogen werden, es sei dabei aber zu Zwischenfällen mit Atommüll-Fässern gekommen. Alle beschwichtigenden Aussagen zu einem möglichen „Absaufen“ der Grube seien „wissenschaftlich nicht begründet“ und sollten nur „beruhigen“. Trotz der Kenntnis über dieses Problems gäbe es keine belastbare Sicherheitsanalyse. Darüber hinaus habe es in den Anfangsjahren kaum Schutz für die Mitarbeiter gegeben.

Vortrag am 13.7.2012 - Referenten Dettmann, de Beyer, Donat und Ehmke (beide BI)

Vortrag am 13.7.2012 in Dannenberg - Referenten Dettmann, de Beyer, Donat und Ehmke (beide BI)

Einigkeit herrschte bei beiden Referenten der Veranstaltung im Wendland über die notwendige Rückholung des Atommülls: man müsste schnellstens damit beginnen – vor allem aus Kammern, die bis heute offen zugänglich seien. Jedes Fass, das aus dem Bergwerk geholt wurde, mindere die Gefahr einer radioaktiven Verseuchung. Zur Zeit würde „ein Problem auf das nächste geschichtet“, so Dettmann, um die Rückholung zu verzögern. Auch die derzeit laufende Probebohrung sei eine Farce, denn die geschaffene Öffnung solle für eine Behälterbergung gar nicht genutzt werden. All diese Massnahmen würden den Zeitpunkt unnötig verzögern, bis das erste Fass wieder an die Erdoberfläche kommt.

Dass angesichts des Asse-Desasters jemals ein Castorbehälter in Gorleben unter die Erde gebracht würde, daran glaubt Geologe de Beyer, der selbst im Wendland lebt, nicht. Schon mit dem Bau des Standortes Gorleben sei der Salzstock hinsichtlich seiner Stabilität zerstört worden. Grund seien die riesigen Gewölbe, die aufgefahren wurden und die eckigen Gänge, die gebirgsmechanische Bewegung zulassen. Wasserwegsamkeiten seien nun vorprogrammiert. „Man hätte alles rund bauen müssen, damit es langfristig stabil ist“, so de Beyer. „Gorleben wurde durch die Erkundung kaputt gemacht“. Auch die Überlegung, einen massiven, schweren Atommüllbehälter in leichtes, eher flüssiges Salz zu stellen, sei eine Farce. Denn die Behälter würden schlicht wegsacken.

Es gehe um den Profit für einzelne Politiker, die sich mit der Asse oder Gorleben behaupten wollen. Im Frühjahr 2013 sind Landtagswahlen in Niedersachsen, die CDU wolle sich als die „Problemlöser“ der Asse darstellen, attestiert Dettmann. Lösungsorientiert seien die Politiker allerdings nicht.

Hinsichtlich der Suche nach Standorten wurde Dettmann sehr deutlich: „Wird die Bevölkerung an einem Standort hinter die Fichte geführt, ist der Standort raus. Egal, ob er geologisch geeignet ist oder nicht – das Vertrauen ist hin.“ Es fehle eine Basis für ein Konzept oder Kriterien, wie in der Atommüllfrage verfahren werden soll. Bis heute sei überall gelogen und vertuscht worden.

Quelle (Auszug): braunschweiger-zeitung.de, 14.7.2012