Kritik an zentralistischer Energiepolitik nimmt zu

Eine zügige Energiewende sei mit den Konzernen alleine nicht zu machen, darin sind sich mittelständische Unternehmer sicher und einig – für den schnellen Umstieg braucht es dezentrale Projekte. Mathias Müller, Chefredakteur beim AT-Fachverlag wandte sich kürzlich an seine Leser: „Bei den Kapriolen, die unsere Regierung in puncto Energiepolitik schlägt, kann es dem Betrachter schwindelig werden. Zuerst ist die gelernte Physikerin und heutige Kanzlerin Angela Merkel aus dem Atomausstieg ausgestiegen und hat die Laufzeiten verlängert und nun, nach Fukushima, will sie grüner als die Grünen werden und die Atomkraftwerke im Schweinsgalopp abschalten. Dabei ist ihr der Bestandsschutz wurscht. Sie will Wahlen gewinnen.“

„Die RWE klagt zu Recht gegen die Zwangsabschaltung der Atomkraftwerke. Denn wegen Fukushima sind die ja nicht unsicherer geworden als sie es ohnehin schon waren. Letztendlich wird der Steuerzahler den dilettantischen und durchsichtigen Wahlkampfaktionismus von Frau Merkel bezahlen müssen. Seriöse Energiepolitik sieht anders aus.“

Den unzähligen Handwerks- und Montagebetrieben, die nicht mehr ruhig schlafen können, seit die CDU-FDP-Regierung ihre Arbeit aufgenommen hat, dürfte er damit aus der Seele sprechen. Immer häufiger über mittelständische Unternehmer offene Kritik „Während wir dreistellige Milliardenbeträge an marode Banken zahlen können, diskutiert diese Regierung ernsthaft über die Wirtschaftlichkeit der Energiewende. Das wirtschaftliche Wohlergehen einiger weniger Milliardenkonzerne scheint der Regierung wichtiger zu sein, als das Überleben der Menschheit, die Erhaltung der Lebensqualität und das Wohl der eigenen Wähler.

Dies zeige sich auch darin, dass man zwar bereitwillig die „Milliarden-Subventionsorgie Abwrackprämie“, ins Leben gerufen habe, um wettbewerbsunfähige Großkonzerne vor dem Niedergang zu schützen, während der ganzen Aktion wenig volkswirtschaftlicher Nutzen gegenüber stand.

Der Umstieg auf eine erneuerbare, dezentrale Energieversorgung wäre ein nationales Beschäftigungsprogramm mit nachhaltiger Wirkung. Neben zigtausenden mittelständischen Arbeitsplätzen bringen regenerative Energien Wertschöpfung ohne Ressourcenverbrauch. Finanzexperten betonen dabei auch: „Im Gegensatz zu Großkonzernen sind die kleinen und mittleren Unternehmen in der Summe die besseren Steuerzahler.“

Die Regierung scheint dies zu ignorieren. So hat der „Energiekoordinator“ der CDU im Bundestag, Thomas Bareiß, kurz vor Ostern in einem Schreiben seine Ansicht bekräftigt, dass die Atomkraft notwendig sei, um den Einstieg in die Erneuerbaren Energien zu finanzieren. Vor einigen Monaten hatte er in der Financial Times Deutschland sogar geäußert, die „überzogenen Sicherheitsanforderungen an Atomkraftwerke“ wären eine „Gefährdung der Wirtschaftlichkeit“.

Zu diesem Zeitpunkt lag dem Wirtschaftsministerium bereits eine Studie vor, nach der der Umstieg auf Erneuerbare Energien mit stabilen Strompreisen und volkswirtschaftlichem Gewinn vor sich gehen kann. Obwohl die Studie bereits im Juni 2010 vorlag, wurde sie monatelang vom Wirtschaftsministerium unter Verschluss gehalten, um den „Ausstieg aus dem Atomausstieg“, der auf Drängen der Atomlobby angeschoben worden war, nicht zu gefährden.

Bürgerrechtler kritisieren: „Wenn eine Regierung bereits weiß, dass man kostenneutral auf Erneuerbare Energien umsteigen kann und dies dem Volks vorenthält und so tut, als wäre der Energieumstieg nicht bezahlbar, erinnert das an die britisch-amerikanische Vorgehensweise bei der Rechtfertigung des Irak-Krieges.“ Eine solche Regierung hintergeht ihr Volk gezielt und hat damit ihre demokratische Legitimation verloren.Auch mittelständische Unternehmer kritisieren die Regierung scharf: Mit aller Macht wolle man an einer zentralistischen Energieversorgung festhalten. „Das ist der Grund, warum man krampfhaft von der Atomkraft als Brückentechnologie spricht“. Anstatt die Energieversorgung endlich zu dezentralisieren, wolle man so lange an der Atomkraft festhalten, bis es für die Energieriesen große Alternativlösungen gebe, mit der sie ihre Macht sichern können – „Das Desertec-Projekt und Offshore-Windparks sind die bekanntesten Beweise dafür.“

Dagegen wären dezentrale Projekte wie Photovoltaik-Dachanalagen und Freiland-Solarparks schnell realisierbar. Das mittelständische Solarunternehmen relatio zum Beispiel hat mehrere Projekte entwickelt und geplant. Die komplett genehmigten und braureifen Projekte liegen in der Schublade. „Sobald die Politik die Rahmenbedingungen schafft, können wir loslegen“, sagt Solarunternehmer Bernd Bodmer. Noch in diesem Jahr könnte sein Unternehmen einen Beitrag zur Alternativen Stromversorgung mit einem Zubau im zweistelligen Megawatt-Bereich leisten.

Doch das, was aus Berlin derzeit an Informationen durchsickert, macht ihm und seinen mittelständischen Unternehmer-Kollegen wenig Hoffnung: Vor wenigen Tagen haben die Minister Röttgen (Umwelt, CDU) und Brüderle (Wirtschaft, FDP) einen Sechs-Punkte-Plan zum Energieumstieg veröffentlicht. Photovoltaik kommt darin nicht vor.

Quelle: sonnenseite.com, 30.04.2011