Sicherheitsrisiko Neckarwestheim I

Vom Reaktorbetreiber EnBW selbst im Jahr 2007 beantragte umfangreiche Sicherheitsnachrüstungen wurden bislang nicht umgesetzt. Die schwarz-gelben Koalitionen in Stuttgart und Berlin stört das nicht. Wegen konzeptioneller Sicherheitsmängel und alterungsbedingter Störanfälligkeit fällt Altreaktor GKN I weit hinter heute geltende technische Standards zurück. Die Deutsche Umwelthilfe nennt verlängerte Laufzeit des zweitältesten Atomkraftwerks in Deutschland „Spiel mit dem atomaren Feuer“!

Das Atomkraftwerk Neckarwestheim I ist der erste Meiler, der seinen Weiterbetrieb der von Schwarz-Gelb beschlossenen Laufzeitverlängerung verdankt. Doch ein neues Gutachten moniert, dass wichtige Sicherheitsnachrüstungen jahrelang verschleppt wurden.

Das Papier stammt vom Atom-Sicherheitsexperten Wolfgang Renneberg. Er leitete mehr als zehn Jahre lang die Abteilung Reaktorsicherheit im Berliner Umweltministerium. Die Deutsche Umwelthilfe stellte das Gutachten am Freitag in Stuttgart vor.

Die Sicherheitsnachrüstungen, die die EnBW Kernkraft GmbH im Zusammenhang mit der von ihr seit Ende 2006 angestrebten Strommengenübertragung vom jüngeren Block II auf Block I des AKW Neckarwestheim im September 2007 beantragt hatte, betrafen größtenteils den Kernbereich des Sicherheitskonzepts des Reaktors.

Konkret benennt das Gutachten folgende Schwachpunkte:

  • Im Fall von Lecks oder Rissen in Rohrleitungen sei das Risiko unbeherrschbarer Ereignisse vergleichsweise hoch. Die verwendeten Werkstoffe und die unterschiedliche Auslegung der Rohre könnten für Probleme in der Hauptkühlmittelleitung sorgen. So sei es möglich, dass Risse sich schnell entwickeln und wachsen könnten.
  • Die Notstromversorgung des Reaktors entspreche nicht dem heutigen Stand der Technik. So gebe es zu wenig zuverlässige Notstromdiesel. Dabei seien gerade die im ersten Block besonders wichtig. Denn sicherheitstechnisch relevante Anlagen dort hätten fünfmal öfter auf Strom aus den Notaggregaten zurückgreifen müssen als die im jüngeren Block II des Kraftwerks. Der ging 1988 in Betrieb und darf nach aktueller Planung bis 2036 laufen.
  • Im Falle einer Störung gebe es zu geringe Kapazitäten an Kühlmittel und Kühlpumpen. Damit stünden nur geringe Reserven zur Verfügung, um im Zweifelsfall eine Kernschmelze verhindern zu können.
  • Das System der Sicherheitsventile entspreche nicht dem Stand der Technik. Damit könnten Überdrücke nicht beseitigt werden – und das Kühlmittel würde im Störfall nicht in den Reaktor gedrückt werden können.
  • Das Personal werde stärker mit Strahlen belastet als das nach dem Stand der Technik nötig sei. Im Jahr 2006 sei die Jahresbelastung aller Mitarbeiter in der Summe etwa fünfmal höher gewesen als im Block II.

Dazu kämen Probleme beim Brandschutz sowie im Fall von Erdbeben oder einem Terroranschlag durch einen gezielten Flugzeugabsturz.

Die Tatsache, dass offenbar weder Bundesumweltminister Norbert Röttgen noch seine Stuttgarter Kollegin Tanja Gönner (beide CDU) die Umsetzung der von Neckarwestheim-Betreiber EnBW selbst vor mehr als drei Jahren beantragten Sicherheitsnachrüstungen als Voraussetzung für einen Weiterbetrieb einfordere, werfe „ein bezeichnendes Licht auf die Sicherheitsschwüre der heute für die Atomaufsicht Verantwortlichen“.

„Der Vorgang ist nicht nur einfach ein Skandal: Angesichts der von der Bundesregierung durchgesetzten Laufzeitverlängerung von mindestens acht Jahren für das AKW Neckarwestheim I bedeutet der Verzicht auf die geplanten Sicherheitsnachrüstungen ein unverantwortliches Spiel mit dem atomaren Feuer zu Lasten der Menschen in Baden-Württemberg und darüber hinaus“, sagte DUH-Bundesgeschäftsführer Rainer Baake unter Verweis auf die Vorgeschichte. Baake: „Niemals hätte Neckarwestheim I ohne Sicherheitsnachrüstungen in die Laufzeitverlängerung gehen dürfen“.

Derzeit läuft laut Betreiber EnBW in Neckarwestheim eine „anlagenspezifische Bewertung“ nach der aktuellen Fassung des Atomgesetzes. Das sei auch der Grund, warum man die Planungen für die im Jahr 2007 avisierten Maßnahmen einstweilen auf Eis gelegt habe: „Zeitweise ruhen hierfür die Projekte, die noch unter alten Prämissen geplant worden waren.“ Ein „anlagenspezifisches Maßnahmenpaket“ werde die Firma vorlegen. Die letzte große Sicherheitsüberprüfung in Neckarwestheim I gab es im Jahr 2007.

Spannend wird es um die Stilllegung des Meilers Ende März: Die SPD in Baden-Württemberg zieht mit dem Versprechen in den Landtagswahlkampf, den Reaktor schnellstmöglich stillzulegen. Und den in Philippsburg ebenfalls.

Quellen (Auszug): duh.de, Spiegel Online; 21.01.2011