Megaskandal: EU erlaubt offenbar Subventionen für AKW-Bau in England

Großbritannien erhält von der EU laut Insidern staatliche Beihilfen für den ersten Neubau eines Atomkraftwerks seit der Katastrophe im japanischen Fukushima. Atomkraftgegner halten diese Zusage für einen „Megaskandal“. Gleichzeitig ist damit aber auch bewiesen, dass neue AKWs nur mit staatlicher Hilfe realisiert werden können.

Atomkomplex Hinkley Point, England; Bild: maps.google.de

Atomkomplex Hinkley Point, England; Bild: maps.google.de

Die für staatliche Beihilfen zuständige Behörde werde das knapp 19 Milliarden Euro teure Projekt im englischen Hinkley Point voraussichtlich innerhalb der kommenden zwei Wochen absegnen, berichtet das Handelsblatt.

Das neue AKW mit zwei Blöcken und einer Leistung von mehr als 2.000 Megawatt hat für England eine große Bedeutung, denn es gibt in wenigen Jahren Versorgungslücken: jeder fünfte Reaktor muss wegen des hohen Alters ersetzt werden. Hinkley Point-C wäre der erste AKW-Neubau seit 20 Jahren in England.

Für Europa hat diese Entscheidung brisante Tragweite: Seit Monaten gibt es Streit, ob der Bau von Atomkraftwerken staatlich gefördert werden darf oder nicht. Im Februar hiess es noch, die geplanten Milliarden-Subventionen seien „EU-rechtswidrig“, die EU-Kommission hatte „schwere rechtliche Bedenken“ gegen das geplante Fördermodell der britischen Regierung, denn es wäre eine „wettbewerbsverzerrende und rechtswidrige Subvention“. England will dem Betreiber über Jahrzehnte eine Preisgarantie für den verkauften Strom versprechen. Bei dem Projekt Hinkley Point würden den Produktionskosten von über 100 Euro pro Megawattstunde einem Strombörsepreis von 38 Euro gegenüber stehen. Die bisherigen Pläne würden eine Subvention von mehr als einer Milliarde Euro pro Jahr erfordern – garantiert über 35 Jahre.

  • Würden diese Pläne nun erstmals durchgewunken, hätte das möglicherweise Auswirkungen auf andere Atomprojekte in Europa, die bislang an der Finanzierung gescheitert sind.

Für den französischen Staatskonzern EDF ist die Anlage ein wichtiges Exportgeschäft. Am Standort sollen zwei Meiler vom Typ „Europäischer Druckwasserreaktor“ (EPR) gebaut werden, mit dem es auf den einzigen beiden Baustellen in Europa immer wieder zu Problemen kommt. Am Standort Oliluoto in Finnland haben sich die Kosten fast verdreifacht, der Zeitpunkt für die Inbetriebnahme wird immer wieder verschoben. Tschechien hat AREVA kürzlich eine Abfuhr erteilt, in Temelin den EPR zu bauen.

Es gibt Anzeichen auf einen politischen Deal im Hintergrund: Das Interregnum in der Wettbewerbskommission vor dem Amtsantritt der designierten Kommissarin Margrethe Vestager solle im Interesse einer britisch-französischen Machtachse für ein Durchwinken des Projektes genutzt werden, berichtet Oberösterreichs Umwelt-Landesrat Rudi Anschober.

Atomkraftgegner sprechen nun von einem „Megaskandal“, solle die EU dem Subventionsmodell tatsächlich zustimmen:

„Der Strom aus dem geplanten AKW Hinkley Point wird deutlich teurer sein als Strom aus Wind- oder Solaranlagen“, so Jochen Stay von ausgestrahlt. „Dass die EU dieser veralteten und hochriskantem Technologie mit ihrer Entscheidung auf die Sprünge hilft, ist ein Skandal.“

„Wir fordern ein generelles Subventionsverbot für Atomkraftwerke, da sich dadurch Neubauten nicht rechnen“, so Jan Becker von contrAtom. „Eine Energieform, die uns einem so hohen Risiko aussetzt und für tausende Jahre tödlich strahlenden Abfall hinterlässt, darf von Staaten nicht mehr gefördert werden.“

Oberösterreichs Umwelt-Landesrat Rudi Anschober spricht von einem „Sündenfall der Wettbewerbskommission“ und fordert bereits rechtliche Schritte: Durch eine Nichtigkeitsklage müsse seine Bundesregierung das Projekt vor den Europäischen Gerichtshof bringen.

  • Zehntausende EU-Bürger fordern: Keine weiteren Atomsubventionen!
    8. April 2014 – Sollen hohe staatliche Subventionen für Atomkraft erlaubt sein? Über diese Frage muss zurzeit die Europäische Kommission entscheiden. Großbritannien hatte letzen Herbst um die Genehmigung von festgelegten Einspeisevergütungen für Strom aus dem noch in Planung befindlichen Atomkraftwerk Hinkley Point C im Süden des Landes angefragt. Damit sollen dem Betreiber, der Electricité de France (EdF), über 35 Jahre feste Einnahmen garantiert werden, umgerechnet 11 Ct/kWh plus Inflationsausgleich. Zehntausende EU-Bürger fordern nun: Keine weiteren Atomsubventionen!
  • England: Milliardensubvention für AKW sind EU-rechtswidrig
    6. Februar 2014 – Medien sprechen von einem “gewaltigen Dämpfer” für die britischen AKW-Baupläne am Standort Hinkley Point: die geplante Milliardensubvention durch Preisgaratien für Atomstrom sind mit dem EU-Recht nicht vereinbar.
  • Die Mär vom günstigen und sauberen Atomstrom
    30. Oktober 2013 – Großbritannien setzt auf Atomkraft: Sieben neue Meiler sollen bis 2030 gebaut werden- obwohl das Potenzial für Windenergie auf der Insel riesig ist. Dabei ist die Atomenergie weder sauber noch besonders günstig, schreibt Hermann Falk, Geschäftsführer des Bundesverbandes Erneuerbare Energie (BEE).
  • Neue britische Atomreaktoren sind energiepolitischer Irrsinn
    24. Oktober 2013 – Die britische Regierung will in Hinkley Point in der Grafschaft Somerset zwei neue Atomreaktoren errichten und diese spätestens im Jahr 2023 in Betrieb nehmen. Die beiden Druckwasserreaktoren mit einer Kapazität von je 1,6 Gigawatt sollen nach den ersten Planungen 19 Milliarden Euro kosten. Für alle Mehrkosten wird der britische Staat haften. Die NaturFreunde Deutschlands kündigen Widerstand gegen den Bau der AKW in England an.

Quellen (Auszug): handelsblatt.com, ots.at, ausgestrahlt.de; 18./19.09.2014