Katastrophenschutz wird nachgebessert: AKWs sind gefährlicher als bislang zugegeben

Die Strahlenschutzkommission reagiert als Lehre aus dem Super-GAU von Fukushima mit neuen Leitlinien für die Katastrophenschutzbehörden in Deutschland: demnächst müssen um alle Atomkraftwerke herum für viermal größere Gebiete als bisher Evakuierungspläne ausarbeiten werden. Atomkraftgegner fordern deutlich mehr.

Die Evakuierungzonen um die AKW sollen demnach von 10 auf 20 Kilometer Radius ausgedehnt, Jodtabletten gar für das gesamte Bundesgebiet vorgehalten werden, berichtet ausgestrahlt. Zudem hält die Strahlenschutzkommission den Grenzwert, ab dem ein Gebiet dauerhaft geräumt werden muss, für viel zu hoch. Umgesiedelt werden soll künftig die Bevölkerung aller Gebiete, in denen mit einer jährlichen Strahlenbelastung von mehr als 50 Millisievert in Folge des radioaktiven Fallouts zu rechnen ist. Bisher gelten 100 Millisievert pro Jahr als zumutbar. Die Halbierung des bisherigen Grenzwerts hätte zur Folge, dass bei einer Freisetzung radioaktiver Stoffe weit größere Gebiete dauerhaft geräumt werden und weit mehr Menschen umsiedeln müssten als nach der bisherigen Regelung.

„Atomkraftwerke sind viel gefährlicher, als Behörden und AKW-Betreiber bisher behauptet haben“, so Jochen Stay, Sprecher der Anti-Atom-Organisation .ausgestrahlt. „Das sollten vor allem die PolitikerInnen von CDU/CSU und SPD bedenken, die derzeit über die künftige Energiepolitik verhandeln. Die neun noch immer laufenden Atomkraftwerke müssen viel schneller abgeschaltet werden, als es das Atomgesetz bisher vorsieht.“

Ein schnellerer Atomausstieg würde nicht nur das Atomrisiko deutlich senken, sondern auch der Energiewende nützen, so Stay. Denn jedes AKW, das vom Netz geht, verbessere die Situation der Gaskraftwerke, die derzeit reihenweise stillgelegt werden, obwohl wir sie als flexible Ergänzung der erneuerbaren Energien dringend brauchen.

„Die jetzt vorgesehenen Änderungen reichen noch nicht aus“, so Stay. „In Japan liegt der Grenzwert für Umsiedlungen bei 20 Millisievert im Jahr, in Tschernobyl wurden sogar schon ab 5 Millisievert umgesiedelt. Nach einer Untersuchung des Bundesamtes für Strahlenschutz müssten bei der Anwendung des japanischen Grenzwertes die Menschen sogar noch in 170 km Entfernung vom AKW umgesiedelt werden.“

Eine Ausweitung der Evakuierungszonen und Absenkung der Grenzwerte sei damit überfällig. Die Innenminister von Bund und Ländern müssten diese auf ihrer Sitzung vom 4. bis 6. Dezember in Osnabrück beschließen. Dies dürfe allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, dass auch der beste Katastrophenschutz im Falle einer Atomkatastrophe so gut wie machtlos ist. Denn wirklichen Schutz vor den Atomgefahren biete nur die Stilllegung der Reaktoren.

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Quelle (Auszug): ausgestrahlt.de, 04.11.2013