Asse-II: Atommüll-Bergung nicht mehr möglich?!

Stürzt die Asse noch vor der Bergung der Atommüllfässer ein? Laut eines Expertenpapiers könnte ab 2012 die Bergung des Mülls aus Gründen des Strahlenschutzes und wegen der Einsturzgefahr des Bergwerks zu riskant werden. Atomkraftgegner fordern die Rückholung des Mülls, denn jeder Kubikmeter geborgenen Atommüll ist ein Sicherheitsgewinn.

Bis 2010 haben die Behörden alles darangesetzt, möglichst viele Kammern des Salzbergwerks zu verfüllen, um die Grube stabiler zu machen. Das Bergwerk ist einsturzgefährdet, weil Wasser zufließt. Doch Anwohner und Atomkraftgegner wehrten sich gegen die Plöäne, das Atommüllendlager komplet mit Beton zu versiegeln. Eine Belastung des Grundwassers durch den Austritt radioaktiver Laugen und eine große Umweltverseuchung ist möglich, da viele der Fässer bereits defekt sind, radioaktive Lauge schwappt durch das Bergwerk. Aus diesem Grund muss der komplette Müll zurüclgeholt werden. 2010 kam Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) diesen Forderungen nach: Der gesamte Abfall solle herausgeholt werden.

„Insgesamt deuten alle dargestellten Indikatoren darauf hin, dass im Verlauf der nächsten Monate bis gegen Ende 2012 eine Sachlage eintreten wird, die eine weitere Verfolgung der Stilllegungsoption ,Rückholung‘ als sicherheitstechnisch nicht mehr vertretbar erscheinen lässt“, heißt es in der Einschätzung der Experten, die dieser Zeitung vorliegt. Deshalb schlage man vor, „bereits jetzt alle fachlichen und kommunikativen Vorbereitungen für eine Aufgabe des Projekts ,Rückholung‘ zu treffen.“ Im Klartext: Die Bergung des Mülls könnte aus Gründen des Strahlenschutzes und wegen der Einsturzgefahr des Bergwerks zu riskant werden. Laut BfS soll im Januar ein erneutes Expertengespräch Klarheit bringen.

Laut eines vertraulichen Memorandums aus dem BfS, das bereits am 14. November erstellt worden ist, könnten die bisherigen Zeitpläne nicht eingehalten werden, das Risiko „eines unbeherrschbaren Lösungszutritts“ drohe sowie der „Verlust eines zum Zweck der Rückholung ausreichenden, gebrauchstauglichen Grubengebäudes“. Das Risiko, dass man während der Rückholung das Projekt abbrechen müsse, sei gegeben. Bislang waren nach einer Machbarkeitsstudie acht Jahre für die Rückholung der 126.000 Fässer veranschlagt worden. Die Rückholung sollte nach Abschluss der Erkundungs- und Genehmigungsverfahren von 2020 bis 2025 durchgeführt werden.

Bürgerinitiativen hegen schon lange den Zweifel, ob die Rückholung des Mülls ernsthaft in Angriff genommen werden soll. Hinter der Idee, die Rückholung zu torpedieren und am Ende die Asse II doch zu fluten, sehen sie in erster Linie das Bundesumweltministerium. Denn: Sicherheits- und Kostenerwägungen stehen gegeneinander. Für die Rückholung und den Verschluss des maroden Endlagerbergwerks werden bis zu 4 Milliarden Euro veranschlagt.

Die zuständige Behörde, das Bundesamt für Strahlenschutz versucht sich in Schadensbegrenzung: Die Behörde bleibe bei ihrer Linie, den Atommüll aus der Asse schnellstmöglich zurückzuholen, so ein Sprecher. Was jetzt an die Öffentlichkeit geraten sei, sei eine interne Stellungnahme von mit Bergbaufragen befassten Fachleuten der Behörde. Sie argumentieren, dass eine Rückholung immer unwahrscheinlicher werde, wenn das jetzige Tempo beibehalten werde. Diese Stellungnahme sei dem Bundesumweltministerium zugeschickt worden.

Auch sei fraglich, ob bis zum Beginn der Rückholbarkeitsarbeiten ein betriebsbereites Pufferlager bereitgestellt werden kann. Anwohner protestieren gegen eine mögliche oberirdische Lagerung des radioaktiven Mülls in der Umgebung, die eine Größe mehrerer Fussballfelder beanspruchen würde. Der Müll soll später entweder in Schacht Konrad oder sogar in Gorleben eingelagert werden. Zudem sei es schon jetzt nahezu „unmöglich“ selbst gering belastete Lösungen aus dem Salzstock an Dritte abzugeben, so ein BfS-Experte. Erst Mitte Dezember hatte sich der Braunschweiger Stadtrat gegen einen Ausbau des Betriebsgeländes der Firma Eckert & Ziegler entschieden. Diese plante im großen Stil, radioaktive Rückstände aus der Asse-Lauge zu entfernen.

Seit Anfang des Jahres 2010 arbeitet das BMU unter Norbert Röttgen gegen die Rückholung, unterstellen Atomkraftgegner aus der Region. Das BMU hat die sog. Faktenerhebung erzwungen, das verzögert die Organisation der Rückholung um drei Jahre. Das Ministerium hat nicht einmal seine Fachbehörde, das BfS, in den Stand versetzt, die Rückholung in einem vernünftig und umfassend durchgeführten Projekt zu organisieren. Minister Röttgen hat bislang weder das Bergwerk besucht noch sich zur Rückholung bekannt.

Auch das Niedersächsische Umweltministerium übt sich in Vezögerung: vor ersten Testbohrungen, auf deren Erkenntnisse sich dann die Bergung stützen soll, muss ein umfangreicher Katalog von Auflagen erfüllt werden. So zum Beispiel die Einrichtung einer Feuerlöscheinrichtung, für die es bislang keinen Lieferanten gibt. Im Ganzen geht es nicht um einen Sicherheitsgewinn, sondern den Versuch, die Rückholung des Atommülls absichtlich zu verzögern.

  • Der Koordinierungskreis Asse vermutet, dass hinter diesem Vorstoss des BfS Taktik steckt: mit dem Expertenpapier soll Druck auf einige politisch verantwortliche Kräfte ausgeübt werden, das Rückhol-Verfahren zu beschleunigen. Es gibt immer noch einige, die die Versiegelung des Salzbergwerks mitsamt seiner Atomfracht seit Jahrzehnten betreiben und nicht aufgeben wollen.

Die Asse ist ein ehemaliges Salzbergwerk das durch eindringes Wasser einsturzgefährdet ist. Die zur Einlagerung genutzen Metallfässer sind teilweise schon beschädigt, genaue Einlagerungspläne gibt es nicht. Niemand sollte deshalb erwarten, in der Asse noch intakte Fässer oder Einlagerungskammern vorzufinden, die Fässer waren reine Transportbehälter. Die Organisation der Rückholung muss sich schon jetzt auf einen Mix aus Atommüll, chemotoxischen Abfällen, Behälterresten und Salz einstellen. Jeder Kubikmeter geborgenen Atommülls ist ein Sicherheitsgewinn.

„Es muss bei der Rückholung des Mülls bleiben, um eine Verseuchung des Grundwassers auszuschließen, die Sicherheit hat einen Preis, den aus unserer Sicht die Abfallverursacher zu zahlen haben! Die Asse II, der Schacht Konrad bei Salzgitter und Gorleben sind alles Projekte der 70er Jahre, bei denen die Sicherheitsbedenken klein geredet wurden, um kostengünstig Atommüll einlagern zu können. Wir können nur hoffen, dass der Schacht Konrad noch einmal auf den Prüfstand kommt und dass Gorleben endgültig als Endlagerstandort aufgegeben wird, bevor in ferner Zukunft sich ein absehbares Dilemma in Salzgitter oder Gorleben wiederholt”, so Wolfgang Ehmke, Sprecher der BI Lüchow-Dannenberg.

Unterdessen dringt die niedersächsische CDU erneut auf Ende des Asse-Untersuchungsausschusses im Landtag. „Mit neuen Erkenntnissen sei nicht mehr zu rechnen“, sagte Unions-Obmann Martin Bäumer. Diese Forderung erfolgt zu einem Zeitpunkt, wo es für die Verantwortlichen aus der Politik ungemütlich wird: in der letzten Zeugenvernehmung sei verdeutlicht worden, dass die Verantwortlichen im Niedersächsischen Umweltministerium spätestens im November 2007 Kenntnis von den übermäßig radioaktiv belasteten Laugen im Atommülllager gehabt haben müssen.

Atomkraftgegner betonen, dass die Untersuchungen mindestens ergeben haben, dass „man eigentlich nichts weiss“:

„Die Menge und die Art der radioaktiven Stoffe ist nicht festzustellen, es gab umdeklarierte Fässer oder Behälter mit unbekannten Inhalten und Langzeitsicherheitsprognosen, die innerhalb von wenigen Jahrzehnten ihren Wert verloren. Im Ganzen ist mit der Asse der Wunsch nach einer günstigen Atommüllentsorgung unter Tage abgesoffen. Es ist an der Zeit, aus den Fehlern zu lernen – und Schacht Konrad und Gorleben sofort zu stoppen!“

Der Asse II-Koordinationskreis fordert: „Minister Röttgen, bekennen Sie sich zur Rückholung! Sie haben die Führungsverantwortung für die Sanierung der Asse. Nehmen Sie diese endlich wahr!“

  • Auf der Pressekonferenz des Asse II-Koordinationskreises am Di., den 3.1.2012, um 10.30 Uhr im Hotel Concorde beim Leineschloss in Hannover werden wir unsere Beurteilung der gegenwärtigen Lage und unsere Forderungen in dieser Situation ausführlich darstellen.
  • Asse-II: Schwarz/gelb drückt sich vor Verantwortung
    5. Oktober 2011 – 125.000 Fässer mit schwach- und mittelaktiven Atomabfällen wurden teilweise ohne Rückholoption einfach abgekippt. Es gab kein Versuchs- sondern faktisch ein Endlager. Nun dringt Wasser ein und es droht einzustürzen. Und schwarz/gelb drückt sich vor der Verantwortung, die Atommüllberge aus dem havarierten Endlager Asse-II zu bergen – und pokert auf eine Billiglösung.
  • 25 Hektar Atommüll: Aus den Augen aus dem Sinn ist vorbei
    23. Juni 2011 – Auf 250.000 Quadratmeter sollen die schwach-, mittel- und wohl auch hochradioaktiver Hinterlassenschaften der Atomindustrie aus dem ehemaligen Endlagerberwerk Asse-II bis zu einer Lösung zwischengelagert werden. Diese Lösung ist nicht in Sicht – und in Deutschland wird trotzdem weiter auf einen Salzstock als Endlager spekuliert.
  • Angela Merkel trägt Mitverantwortung für das Scheitern in der Asse II, Morsleben und Gorleben
    10. Januar 2011 – Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) trägt eine Mitschuld am Scheitern der Endlager Asse und Morsleben sowie am umstrittenen Vorgehen bei der Erkundung des Salzstocks Gorleben. Während ihrer Amtszeit als Bundesumweltministerin von 1994 bis 1998 hat Merkel aus Kostengründen für einen Verzicht auf eine umfassende Erkundung in Gorleben plädiert. Die BI Lüchow-Dannenberg erhebt schwere Vorwürfe: Merkel habe aufgrund von Kostenoptimierung in Gorleben bewusst auf eine umfassende Sicherheitsanalyse verzichtet.
  • Weniger Mädchen-Geburten um die Asse
    7. Dezember 2010 – Die atomkritische Ärzteorganisation IPPNW widerspricht der jüngsten Einschätzung der Bundesregierung, die vermehrten Krebsfälle in der Asse-Region seien rein zufällig. Während des Betriebs des Atommülllagers Asse sind dort in der Region neben den schon bekannten gehäuften Krebsfällen bei Erwachsenen nun auch deutlich zu wenig Mädchengeburten festgestellt worden. Dieses Ergebnis ist signifikant. Den Zufall als Ursache anzunehmen, erscheint extrem unwahrscheinlich.

Quellen (Auszug): ndr.de, haz.de, asse2.de, bi-luechow-dannenberg.de, heise.de, dpa; 23.12.2011

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