Atomausstieg? Die Wahrheit Teil 16: Leukämie um AKWs bleibt Zufall

Deutschland steigt aus. Bis 2022 sollen in einem Stufenplan alle Atomkraftwerke abgeschaltet werden, das erste bereits 2015. Schwarz/gelb feiert das eigene Einknicken im Fortbestand der Atomenergie als Erfolg, rot/grün stimmt mit dem Argument “alternativlos” zu. Die erhöhte Leukämie-Erkrankung von Kindern im Nahbereich um Atomkraftwerke ist aber weiterhin ungeklärt – Wissenschaftler meinen, alles sei reiner „Zufall“.

Die „Epidemiologische Studie zu Kinderkrebs in der Umgebung von Kernkraftwerken“, besser bekannt unter dem Akronym KiKK, war im Dezember 2007 zu dem Ergebnis gekommen, dass mit zunehmender Wohnortnähe zu einem von 16 Atomkraftwerken in Deutschland das Leukämierisiko von unter 5-jährigen Kindern steigt.

Für die Studie wurde die Entfernung des Wohnorts der Kinder vom Atommeiler mit einer Genauigkeit von 25 Metern bestimmt. Zudem wurden neben 1.692 an verschiedenen Krebsformen erkrankten Kindern auch 4.735 nicht erkrankte Kinder aus derselben Gegend einbezogen. Die Untersuchung konstatierte dann für die 41 Landkreise in der Umgebung von 16 AKW-Standorten einen “entfernungsabhängigen Risikoanstieg”. Das Risiko, an einem Tumor oder Leukämie zu erkranken, steigt demnach statistisch signifikant mit der Nähe des Wohnortes zu einem Reaktor an.

  • Für die 5-km-Zone ermittelte Peter Kaatsch von der Universität Mainz eine Odds Ratio von 2,19, die bei einer unteren Grenze des 95-Prozent-Konfidenzintervall von 1,51 signifikant war (Deutsches Ärzteblatt 2008; 105: 725-32). Auch für die 10-km-Zone war das Risiko signifikant um 33 Prozent erhöht.

Ob das erhöhte Krebsrisiko für Kinder aber tatsächlich durch die Strahlenbelastung aus einem Atomkraftwerk verursacht wird, steht laut Bundesumweltministerium und Bundesamt für Strahlenschutz nicht fest. Denn die Studie befasst sich nicht mit dem Auslöser der Krankheit. Die Strahlenbelastung der Bevölkerung müsste durch den Betrieb der Atomkraftwerke in Deutschland um mindestens das tausendfache höher sein, um den beobachteten Anstieg des Krebsrisikos nach heutigem Stand der Wissenschaft erklären zu können, erklärte das Ministerium.

Seit Jahren beschäftigt die Häufung von Blutkrebsfällen (Leukämie) in der Umgebung des AKW Krümmel Wissenschaftler. Seit 1990 werden in der Umgebung des Atomkraftwerkes Krümmel gehäuft Leukämiefälle bei Kindern festgestellt. Insgesamt sind es bis heute 11 offizielle Fälle; davon entfallen 8 auf die Elbmarsch, in der nach der statistischen Erwartung nur etwa alle 20 Jahre ein kindlicher Leukämiefall auftreten dürfte. Drei weitere Fälle sind außerhalb der Elbmarsch, aber im 5 km-Radium um das Atomkraftwerk aufgetreten. Atomkraftgegner machen die Atomanlagen in Krümmel verantwortlich.

Im November 2010 belegte dann eine Studie des Instituts für Biomathematik und Biometrie der Helmholtz-Gemeinschaft in München, dass im 35km-Radius um deutsche und schweizerische AKWs vor allem weniger Mädchen als im Landesdurchschnitt auf die Welt kommen. Ursache ungeklärt.

Im Mai 2011 wurde in England eine Studie veröffentlicht, die zu dem gleichen Ergebnis kam, dass die KiKK-Studie nicht alle Störgrößen berücksichtigt und der Zusammenhang zwischen Erkrankung und Strahlung nicht nachgewiesen habe. Ein Zusammenhang zwischen AKW-Nähe und Krebserkrankung sei damit ausgeschlossen: Die KiKK-Studie habe nicht alle Störgrößen berücksichtigt und der Zusammenhang zwischen Erkrankung und Strahlung sei nicht nachgewiesen. Verfälscht worden sei die Studie auch wegen des Bezugs zur Leukämiehäufung in der Elbmarsch. Laut Alex Elliott von der Universität Glasgow könnten viralen Infektionen Leukämie-Auslöser sein.

In einer weiteren Studie kommen im Juli 2011 auch Schweizer Wissenschaftler zu dem Schluss, dass das Risiko im Umkreis von AKW nicht erhöht ist. Am ehesten lassen sich Abweichungen nach Angaben der Forscher so erklären: reiner Zufall. Für die schweizer Studie hatten Forscher der Universität Bern Daten von mehr als 1,3 Millionen Kindern von Null bis 15 Jahren in der Nähe der fünf Schweizer Atomkraftwerke untersucht. Die beobachteten Abweichungen der einzelnen Gebiete seien so klein, dass sie am ehesten durch Zufall erklärt werden könnten, so die Forscher. Es könne aber weder ausgeschlossen werden, dass Atomkraftwerke das Leukämierisiko verminderten, noch dass sie das Risiko erhöhten. Dr. Alfred Körblein vom Umweltinstitut München meint, die Studie sei wegen zu geringer Fallzahlen „unterpowert“ und kann damit nicht als Nachweis für die Unbedenklichkeit von Atomkraftwerken herhalten.

2002 belebte eine Studie britischer Wissenschafter die Diskussion um ein erhöhtes Krebsrisiko für Kinder in der Umgebung der englischen Wiederaufbereitungsanlage Sellafield im Nordwesten Englands neu: Die Experten der Universität Newcastle fanden nach einem Bericht des Wissenschaftsmagazins “New Scientist” heraus, dass sich das Risiko für Leukämie und für das Non-Hodgkins Lymphom bei Kindern, deren Väter in der Anlage beschäftigt waren, verdoppelt. In der laut “New Scientist” bisher umfangreichsten Studie zu dem Thema verglichen die Wissenschafter die gesundheitliche Entwicklung von 9.859 Kindern, deren Väter Strahlung bei Sellafield ausgesetzt waren, mit 256.851 anderen Kindern, die zwischen 1950 und 1991 in der Grafschaft Cumbria geboren wurden. Dabei wiesen sie nach, dass Leukämie und Non-Hodgkins Lymphom bei den Sellafield-Kindern zwei Mal so häufig auftraten. In dem Dorf Seascale in unmittelbarer Nähe von Sellafield stiegen die Fälle gar um das 15-Fache an. Das Risiko der Erkrankungen stieg im Verhältnis zu dem Grad der radioaktiven Verseuchung der Väter, hieß es in der Studie. Ein Zusammenhang zwischen der Beschäftigung in der radioaktiven Umgebung der Anlage und dem Krebsrisiko von Kindern war schon 1990 in einer Studie der Universität Southampton festgestellt worden. Die Hypothese ist jedoch heftig umstritten.

Eine US-Studie der Universität von South Carolina belegte 2007, dass mehr Kinder und Jugendliche in der Umgebung von Atomanlagen an Leukämie erkranken als in anderen Regionen. Je nach Altersgruppe ist das Krebsrisiko um bis zu 21 Prozent erhöht. Der genaue Grund für den Zusammenhang zwischen Atomkraftwerken und erhöhter Leukämie-Gefährdung sei bislang aber nicht bekannt, betonten die Forscher. Die Mediziner der Universität von South Carolina werteten in der Metaanalyse insgesamt 17 Studien aus, die zwischen 1984 und 1999 erstellt wurden und 136 Atomanlagen in Nordamerika, Japan, Frankreich, Spanien und Deutschland einschlossen. In der Altersgruppe bis neun Jahre ist demnach das Erkrankungsrisiko je nach Entfernung um 14 bis 21 Prozent erhöht. Das Risiko, an der Krankheit zu sterben, liegt in dieser Gruppe um bis zu 24 Prozent höher als bei Gleichaltrigen, die nicht in der Nähe von Kernkraftwerken leben.

WHO-Direktorin: Keine Strahlung ist ungefährlich

  • “Es gibt keine ungefährlichen Niedrigwerte radioaktiver Strahlung”, erklärte WHO-Generaldirektorin Margaret Chan am 06. Mai 2011 bei einem kurzfristig anberaumten Treffen mit Mitgliedern der kritischen “Initiative für eine unabhängige WHO”.

Chan bezog sich bei ihrer Aussage auf die interne Strahlung radioaktiver Partikel – beispielsweise Jod131, Cäsiums137, Strontium90, Plutonium – die über Nahrungsmittel, Wasser oder Atemluft in den Körper aufgenommen werden und sich in der Schilddrüse, Knochen oder inneren Organen ablagern und dort weiterstrahlen. Diese Partikel sind nach zahlreichen Untersuchungen unabhängiger Wissenschaftler, die seit der Atomkatastrophe von Tschernobyl im April 1986 durchgeführt wurden, verantwortlich für bis zu 95 Prozent aller durch radioaktive Strahlung verursachten Krebsfälle und genetischen Veränderungen. Die WHO hat die interne Strahlung bis heute negiert, und sich in allen Aussagen zu potentiellen Gesundheitsgefahren immer nur auf externe radioaktive Strahlung – etwa durch Vorbeizug einer radioaktiven Wolke – und die diesbezüglichen Messungen nach den Atombombenabwürfen von Hiroshima und Nagasaki im Jahre 1945 bezogen.

Es darf nicht sein

Einigkeit unter Medizinern bestehen darin, dass Leukämie-Erkrankungen bei Kindern durch ionisierende Strahlen ausgelöst werden können und dass die Latenzzeit kurz sein muss. Ein methodischer Mangel aller bisherigen Studien besteht aber darin, dass sich die tatsächliche Dosis, denen die Patienten vor der Erkrankung ausgesetzt waren, nicht rekonstruieren lässt – was wegen Verhinderungspraktiken von zuständigen Stellen in Atomaufsicht, Politik und Anlagenbetreibern auch nicht gewollt ist.

  • Laut Strahlenschutzgesetz dürfen durch AKW keine Strahlungsrisiken ohne einen daraus resultierenden überwiegend positiven Nutzen entstehen. Mögliche Leukämieerkrankungen bei Kindern sind kein “positiv-Nutzen” gegenüber billiger Stromerzeugung!
  • Das Eingeständnis, dass der “Normalbetrieb” von Atomkraftwerke Krebs auslösen könnte, wäre ein massiver Verstoss gegen das Grundgesetz Artikel 2, Absatz 2: Recht auf körperliche Unversehrtheit.
  • Da eine mögliche Gefährdung durch AKW nicht grundsätzlich auszuschließende ist, greift das Grundgesetz §2.2.! Auch das im europäischen Umweltrecht verankerten „Vorsorgeprinzip“ gibt Anlass für eine sofortige Stilllegung.

Da eine Gefährdung der Bevölkerung durch Atomkraftwerke nicht ausgeschlossen werden kann, fordern wir die sofortige Stilllegung aller Atomanlagen!

  • Niedrigstrahlung aus Atomkraftwerken im „Normalbetrieb“
    Durch die Kernspaltung entstehen radioaktive Stoffe, die in unterschiedlichem Maße strahlen. Diffusionsfähige radioaktive Spaltgase gelangen nach und nach in den ersten Kühlwasserkreislauf. Durch nicht zu vermeidende Defekte an den Brennstäben treten andere radioaktive Spaltprodukte ebenfalls aus und gelangen bei der regelmäßig notwendigen Reinigung des Kühlwassers und anderen Instandhaltungsarbeiten in die Umwelt. Auch im Kühlmittel selbst entstehen radioaktive Stoffe, die nicht vollständig zurückgehalten werden können. Große bzw. größere Mengen radioaktiver Stoffe gelangen bei einem Störfall in die Umwelt.
  • KIKK-Studie: Krebsgefahr im Nahbereich von Atomanlagen erhöht
    Das Risiko für Kinder an Leukämie (Blutkrebs) zu erkranken nimmt nach der Studie “Epidemiologische Studie zu Kinderkrebs in der Umgebung von Kernkraftwerken (KiKK-Studie)” zu, je näher ihr Wohnort an einem Kernkraftwerk liegt. Das ist das Ergebnis einer Untersuchung des Deutschen Kinderkrebsregisters in Mainz, teilte das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) als Auftraggeber der Studie am Samstag, den 08.12.2007 mit. BfS-Chef König: “Das Risiko für Kinder, an Leukämie zu erkranken, ist umso größer, je näher sie am Reaktor wohnen”.

Quellen: diverse aus www.contratom.de/nachrichten, Zugriff 14.07.2011