Gegen Umweltaktivisten: Erst Gewalt, dann Repression

Während einer Blockade des AKW Neckarwestheim Ende April 2013 raste ein PKW durch mehrere Absperrungen bis in die Demonstration hinein. Der Fahrer, der ohne das Eingreifen der Protestierenden bei dieser massiven Gefährdung nicht nur einen von ihnen verletzt hätte, wird von Polizei und Justiz geschützt. Diese geht gegen die eigentlich Betroffenen: Mit Polizeigewalt vor Ort und lächerlichen Ermittlungen und Anklagen im Nachgang.

29.04.2013 - Blockade des AKW Neckarwestheim; Bild: http://neckarwestheim.antiatom.net

29.04.2013 - Blockade des AKW Neckarwestheim; Bild: http://neckarwestheim.antiatom.net

So soll ein Aktivist am Montag, 06.10.2014 um 11:00 vor dem Amtsgericht Besigheim wegen einer »Beleidigung« verurteilt werden: »Laber doch ned so ne Scheiße, Mann«, soll er zu einem Polizisten gesagt haben.

Im Laufe der etwa 10-stündigen Blockadeaktion für einen sofortigen Atomausstieg durchbrach plötzlich ein PKW die Absperrungen und Transparente an der Zufahrt zum Gelände, die ihm die Sicht auf möglicherweise dahinter befindliche Personen versperrt haben müssen und fuhr in die Demonstartion hinein auf weitere hölzerne Blockadekonstruktionen – auf denen sich in fünf Metern höhe Menschen befanden – zu. Herbeieilende Aktivist_innen zwangen den Fahrer vorerst anzuhalten. Der blieb aber nicht dabei. Trotz der Aufforderung, den Wagen zu stoppen, gab er erneut Gas und setzte mehrmals vor und zurück. Hierbei zogen sich mehrere Personen Prellungen zu, einem Demonstranten fuhr er trotz Warnrufen über den Fuß und blieb mehrere Sekunden darauf stehen. Erst nachdem der Fahrer überzeugt war, vom Fuß herunter zu fahren und weitere Fahrversuche zu unterlassen kam die Polizei herbei, die sich bis dahin nicht in ihrer Beobachtung der Versammlung stören ließen.

Als sie sich einmischte, beschwerte sich der Amokfahrer darüber, dass sein Auto beschädigt worden sei – was augenscheinlich nichteinmal der Fall war – so dass die Polizist_innen gegen die Demonstrant_innen vorgingen und diese mit Gewalt (schlagen und würgen) abzudrängen und Personalien aufzunehmen versuchten. Dabei wurde einer Aktivistin ein Finger gebrochen und möglicherweise die Bänder gerissen. Derjenige dessen Fuß unter den Reifen geriet, klagt bis heute über Schmerzen.

Statt Spurensicherung zu betreiben verharmloste die Polizei den Vorgang als »Verkehrsunfall« und »fahrlässig« und weigerte sich Anzeigen der Betroffenen aufzunehmen. Nun, nachdem die trotzdem erwirkten Verfahren gegen den Mann, der seiner Aussage zufolge wegen des »Packs« Umweltaktivist_innen »schon viel Geld verloren« habe, eingestellt wurden, sollen sich die Aktivist_innen wegen Lächerlichkeiten und Kleinigkeiten verantworten.

So wurden einige der rund 40 Aktivist_innen vorgeladen, um wegen angeblicher Sachbeschädigung, Bedrohung und Beleidigung vernommen zu werden. Einem soll am Montag, den 06.10.2014 um 11:00 vor dem Amtsgericht Besigheim im Sitzungssaal 100 der Prozess gemacht werden, weil er einen Polizisten Beleidigt haben soll. Er hätte ihn geduzt und aufgefordert: »Laber doch ned so ne Scheiße«.

Im niedersächsischen Lingen sind derzeit ebenfalls mehrere Verfahren in Sachen Widerstand gegen die Atomindustire anhängig. Am 24. September, 14. Oktober, 17. Oktober, 24. Oktober, 7. November und 14. November (an einigen Tagen bis zu drei Prozesstermine an einem Verhandlungstag) wird gegen eine ganze Reihe von Aktivist_innen anlässlich einer Blockade der dortigen Brennelementefabrik verhandelt.

„Solidarische und Atomkraftkritische Menschen“ seien aufgefordert und eingeladen, so der Betroffene, ihn zu unterstützen und den Prozess zu
begleiten: »Wir werden es uns natürlich auch nicht nehmen lassen, unserer Kritik an der Atomindustrie auch vor Gericht Ausdruck zu verleihen. Wenn sie den Prozess wollen, sollen sie ihn auch bekommen.«

Auch die in Lingen betroffenen geben sich kämpferisch:

»Wir wollen uns von der staatlichen Repression nicht einschüchtern lassen und deshalb kommen wir wieder. Egal wie die Prozesse ausgehen – Wir blockieren direkt nach der Verhandlung am 24. September erneut!«

Mehr zu den Lingener Verfahren und die dortige Blockade unter http://nirgendwo.info/lingen/#camp2013

  • Bußgeldverfahren gegen die Blockierer*innen der Brennelementefabrik in Lingen
    20. September 2014 – Beim Anti-Atom-Camp 2013 wurde die Einfahrt der Brennelementefabrik im niedersächsischen Lingen blockiert. Die ca. 40 Blockierer*innen erhielten unter Anderem Bußgeldbescheide, weil sie sich von einer aufgelösten Versammlung nicht entfernt haben sollen. Die meisten legten Widerspruch ein. Jetzt stehen Gerichtstermine gegen die ersten Betroffenen fest.
  • Von wegen Atomausstieg: Unbefristete Betriebsgenehmigung für Brennstoffwerke
    11. September 2013 – Wie das NDR-Wirtschaftsmagazin “Plusminus” in seiner heutigen Sendung berichtet, werden in Deutschland auch nach Stilllegung des letzten Atomkraftwerks weiterhin Brennelemente für den Export produziert. Die Urananreicherungsanlage Gronau und das Brennelementewerk in Lingen erhielten nämlich unbefristete Betriebsgenehmigungen. Für Atomkraftgegner ist das mit einem Atomausstieg nicht vereinbar.
  • Brennelementefabrik Lingen durch Umweltaktivist_innen blockiert
    25. Juli 2013 – Rund 50 Aktivist_innen protestieren seit heute früh 5:00 Uhr vor der Brennelementefabrik im niedersächsischen Lingen. Sie fordern die sofortige Stilllegung der Uranfabriken Lingen und Gronau. Die Atomkraftgegner_innen zeigen ihre Entschlossenheit durch eine Sitzblockade, eine Kletteraktion und den lautstarken Protest der Sambaband. Der Zulieferungsverkehr zur Anlage ist unterbrochen.
  • “Atomausstieg sofort!” – Blockade der Zufahrt des AKW Neckarwestheim
    29. April 2013 – Seit den frühen Morgenstunden ist die Zufahrt des Atomkraftwerk Neckarwestheim blockiert. Mehrere Menschen haben sich mit sechs Meter hohen Tripods (Dreibeinen) in der Einfahrt verfestigt. Die etwa 30 AKW-Gegner/innen aus regionalen und überregionalen Anti-Atom-Zusammenhängen protestieren mit dieser Aktion gegen die aktuelle Atompolitik: Keinen weiteren Atommüll! Abschalten jetzt – Atomausstieg sofort!

Quelle: PE der AktivistInnen, 03.10.2014