Atommüllproduktion stoppen – Castor-Transporte aussetzen!

Nachdem die Bundesregierung die Castortransporte nach Gorleben „unbefristet“ aussetzen will, brauchen die Behälter aus den Wiederaufarbeitungsanlagen andere Ziele in Deutschland. Die Politik ist bemüht, möglich sind zum Beispiel die Standortlager am AKW Philippsburg oder Brunsbüttel. Atomkraftgegner meinen: Atommüllproduktion stoppen und Castortransporte aussetzen – bis eine wirkliche Entsorgungslösung gefunden ist.

Castortransporte künftig nicht mehr nach Gorleben? Karte: googleearth

Castortransporte künftig nicht mehr nach Gorleben? Karte: googleearth

Die Kritik ist nicht neu: ohne eine Endlagerlösung werden seit Jahrzehnten Atommüllbehälter durch die Republik gekarrt, zum Beispiel nach Gorleben. Wissentlich, dass wenn ein Endlager gefunden wird, das nicht Gorleben heisst müssen alle Castoren wieder abtransportiert werden. Ein enormer Aufwand – denn in der Regel gegen den Willen der Bevölkerung und deswegen teuer. Niemand will die strahlenden Abfälle in seiner Region. Verständlich, denn die Gefahr die von den Hinterlassenschaften der Atomära ausgehen sind einerseits extrem langlebig, andererseits extrem gefährlich. Wird ein Behälter undicht, könnte sich das Inventar in der Umgebung verteilen – Radioaktivität in einer Größenordnung des GAU von Tschernobyl.

Um die Endlagerdebatte glaubwürdiger zu gestalten und für einen Konsens auch Niedersachsen zu gewinnen, müssen nun andere Ziele für den Abfall gefunden werden. Schleswig-Holstein und Baden-Württemberg bieten sich an, und zeigen sogar Gesprächsbereitschaft: am AKW Brunsbüttel etwa oder in Philippsburg sind durch den vorgezogenen Atomausstieg und die Abschaltung der Meiler in den Standortzwischenlagern Kapazitäten freigeworden. Die Hallen sind nahezu baugleich mit der in Gorleben, der entscheidende Vorteil wären viele Kilometer quer durch Deutschland weniger, auf denen potentielle Unfälle passieren könnten.

Als Zeitraum für die Rückführung des deutschen Atommülls aus der Wiederaufarbeitungsanlage Sellafield werden vom Transporteur Gesellschaft für Nuklearservice (GNS) der Zeitraum 2015-2019 angegeben. Es handelt sich um drei Fuhren mit voraussichtlich je 6 Behältern. Die kämen mit dem Schiff und würden dann direkt in einem Hafen umgeschlagen werden, der nah an dem möglichen Bestimmungsort liegt.

Parallel sollen aus der Wiederaufarbeitungsanlage La Hague in Frankreich noch drei Behälter mit Müll kommen, für die es bislang offiziell noch kein avisiertes Zeitfenster gibt. Wie die Transporte nach Gorleben erfolgt auch dieser mit der Bahn. Im Gegensatz zu Gorleben verfügt etwa das AKW Philippsburg über eine Schienenanbindung. Die Umladung auf LKW und ein Straßentransport als zusätzliches Risiko würden hier entfallen. Deswegen hatte Greenpeace vor dem letzten Transport nach Gorleben 2011 auch die Einlagerung im grenznahen AKW Philippsburg gefordert.

  • Einerseits ist es löblich und kommt den jahrelangen Forderungen nach, Gorleben nicht weiter als Atommüll-Standort zu zementieren. Doch andererseits wird das Problem selbst – nämlich die grundsätzlich fehlende Entsorgung – nicht aus der Welt geschafft. Eigentlich sogar verschärft, denn auch wenn es zu einer Standortdebatte in ganz Deutschland kommt, mit einem Endlager in Brunsbüttel rechnet niemand. Dass die Betriebszeiten der Zwischenlager wegen des Entsorgungsproblems über die einst genehmigten 40 Jahren hinausgehen, ist schon fast obligatorisch.

„Jeder Transport mit hochradioaktivem Material stellt ein erhebliches Risiko dar und deshalb sollte jede unnötige Atommüll-Fuhre vermieden werden. Dies entspricht auch dem Minimierungsgebot der Strahlenschutzverordnung, wonach jede vermeidbare Strahlenbelastung vermieden werden muss“, meint Jochen Stay von ausgestrahlt. „Besser als die Umleitung der Castor-Transporte in andere Zwischenlager ist es, diese so lange auszusetzen, bis geklärt ist, wo der Atommüll langfristig gelagert werden soll.“

Greenpeace macht noch auf ein ganz anderes Problem aufmerksam: innerhalb der verhältnismäßig kurzen Zeit bis 2015 könnten notwendige Genehmigungen für eine Einlagerung in den Standortzwischenlagern nicht erteilt werden. Erfahrungsgemäß würde der Prozess schlicht zu lange dauern. Damit bleibt erstmal nur Gorleben für die Rücknahme der hochaktiven Glaskokillen aus Sellafield.

Wegen der stets wiederholten Ansage, man müsse den Müll wegen völkerrechtlicher Verträge zurücknehmen, verweist Jochen Stay darauf, dass damit kein konkreter Zeitpunkt festgelegt ist. Deshalb mache es Sinn, erst dann zu transportieren, wenn das eigentliche Ziel feststeht.

Doch eigentlich täuscht diese Debatte über das tatsächliche Problem hinweg: Tag für Tag produzieren neun Atomkraftwerke weiter Atommüll – für den es keine Lösung gibt. Als ersten Schritt müssen also alle Atomanlagen stillgelegt werden.

  • “Schluss mit dem Atommülltourismus!” – Castor-Stopp nach Gorleben hängt von Atomwirtschaft ab
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    14. März 2013 – In einem Artikel der Landeszeitung Lüneburg kündigt der Sprecher der GNS weitere Atommülltransporte ins Wendland an. Seiner Ansicht nach sollen noch vier Abfall-Züge nach Gorleben rollen, der letzte 2018/19.
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    1. März 2013 – “Teile der deutschen Atombranche” arbeiten laut Süddeutsche Zeitung weiter an konkreten Pläne für eine Entsorgung von Atommüll im Ausland. Die Überlegungen bei EnBW seien “durchaus fortgeschritten” gewesen, strahlenden Abfall in Russland zu verklappen. Heute seien die Pläne aber “längst beerdigt”. Atomkraftgegner fordern erneut ein definitives Exportverbot.
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    17. Januar 2013 – Die Atommüll-Misere offenbart sich am Standort Biblis: die vorhandenen Kapazitäten zur Lagerung von Strahlenschrott reichen nicht aus, Betreiber RWE hat den Bau einer zweiten Halle beantragt. Wie lange der Mül dort lagert ist ungewiss, den eine Entsorgungslösung gibt es nicht. Die AKW-Betreiber versuchen unterdessen, den Druck auf Gorleben und Schacht Konrad zu erhöhen.

Quelle (Auszug): PE ausgestrahlt, 28.03.2013