England will AKW bauen – ausgerechnet ein „EPR“

Erstmals seit 1995 soll in Großbritannien ein neues Atomkraftwerk entstehen. Wie das Ministerium für Energie und Klimawandel mitteilte, wurde die Baugenehmigung für das Akw des französischen Stromkonzerns EDF in Hinkley Point in Westengland erteilt. Die Errichtung von zwei Meilern des Typs „EPR“ in Finnland und Frankreich ist bereits massiv teurer geworden als geplant. Nun droht auch England ein finanzielles Desaster, das mit Steuergeldern kompensiert werden soll.

Atomkomplex Hinkley Point, England; Bild: maps.google.de

Atomkomplex Hinkley Point, England; Bild: maps.google.de

Der französische Staatskonzern EDF plant, am Standort Hinkley Point im Südwesten Englands zwei Kraftwerkseinheiten mit einer Gesamtleistung von 3.260 MW des Typs „Europäischer Druckwasserreaktor“ (EPR) zu bauen. EDF besitzt bereits die Standortbewilligung und die Genehmigung der lokalen Behörden für die vorbereitenden Bauplatzarbeiten. Wie das Ministerium für Energie und Klimawandel mitteilte, wurde die Baugenehmigung für das Akw nun erteilt. Die von der UK Environment Agency erteilten drei Umweltgenehmigungen erlauben dem künftigen Betreiber:

  • Ableitung und Entsorgung schwachaktiver flüssiger, gasförmiger oder fester Stoffe in niedriger Menge
  • Ableitung des Kühlwassers und weiterer flüssiger Abwässer in den Bristol-Kanal
  • Betreiben der Notstromversorgungsysteme mit Dieselgeneratoren

Den endgültigen Investitionsentscheid über Hinkley Point C will die EDF Energy aber erst Ende des Jahres fällen. Für die Umsetzung des Projekts ist nämlich noch eine Einigung über ein sogenanntes Differenz-Geschäft erforderlich, das die Rentabilität der erzeugten Energie garantieren soll. Es ist ein Mindestpreis pro erzeugter Kilowattstunde über 40 Jahre im Gespräch, der dem Betreiber für die Zukunft garantiert werden soll. Damit würde das Kraftwerksprojekt zu einer Staats-Subvention ungeahnter Größe, denn Strompreise werden eigentlich durch Angebot und Nachfrage bestimmt.

  • Wird einem Erzeuger ein Mindestpreis gewährt, verzerrt das den gesamten Wettbewerb. Ein absolut unverständliches Handeln einer Regierung in Zeiten, wo die Zeichen auf Energiewende stehen.

Atomkraftgegner warnen zudem vor einem finanziellen Desaster, weil zwei Prototyp-Reaktoren des EPR, die in Finnland und Frankreich gebaut werden, drastisch teuerer geworden sind als angenommen. Immer wieder kommt es auch zu Skandalen und Verzögerungen.

Die deutschen Energiekonzerne E.ON und RWE hatten sich von den Plänen, auf der Insel Reaktoren zu bauen, verabschiedet. Es sei ein zu hohes finanzielles Risiko, heute noch an dem Bau von neuen Atomkraftwerken festzuhalten.

„Rational lässt sich die Entscheidung der britischen Regierung nicht erklären, heute noch eine staatliche Subvention unabsehbarer Größe für den Bau eines Atomkraftwerks zur Verfügung zu stellen“, so Jan Becker von contrAtom. „Mit Gewalt aber ohne Vernunft hält England an dem Credo fest, eine Atommacht zu bleiben. Als Argument bleibt der Klimaschutz – doch eine tatsächliche Wirkung durch Atomkraft ist längst widerlegt. Eine Lösung für den Atommüll bleibt aber auch die Insel schuldig.“

Am Standort Hinkley Point befinden sich bereits vier Meiler, von denen zwei bereits stillgelegt sind.

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Quellen (Auszug): nuklearforum.ch, donaukurier.de; 18.03.2013