Rückholung sei „Mission Impossible“: Wieder Streit um die Asse

Michael Sailer, einer der „wichtigsten Regierungsberater“ für das Thema warnt, der Bergungsplan für die eingelagerten 126.000 Fässer aus dem havarierten Endlager Asse-2 sei völlig unrealistisch. Wenn man nicht verfülle, drohen der Einsturz des Bergwerks und ein unkontrollierter Austritt von Radioaktivität. Atomkraftgegner halten dagegen: Wer jahrelang nicht an Lösungen arbeitet, handelt fahrlässig!

Asse: Balast der Republik; Bild: publixviewing.de

Asse: Balast der Republik; Bild: publixviewing.de

Michael Sailer ist als Vorsitzender der Entsorgungskommission (ESK) des Bundes einer der wichtigsten Berater der Bundesregierung bei der Atommüllentsorgung. In der „Frankfurter Rundschau“ stellt er nun die politisch offiziell gewollte Bergung des Atommülls aus dem Endlagerbergwerk Asse-2 in Frage. Die Rückholung entwickle sich immer mehr zur „Mission Impossible“, so Sailer. Seiner Ansicht nach sei Gefahr im Verzug, denn die schon heute täglich in das Bergwerk eindringende Wassermenge von 12.000 Litern könne „plötzlich rasant ansteigen“ und damit einen Einsturz und unkontrollierte Freisetzung von Radioaktivität ins Grundwasser provozieren. Als Problemlösung schlägt Sailer die Verfüllung des Bergwerks mit Feststoff und den Bau von „Barrieren“ vor die Atommüllkammern vor. So solle der Austritt kontaminierter Flüssigkeit verhindert oder wenigstens verlangsamt werden.

Laut Sailer „müssten schon mindestens drei Viertel des Atommülls geborgen sein, um die Grundwasser-Gefährdung deutlich zu senken“. Das könne 30 bis 40 Jahre dauern – und so lange bleibe das Bergwerk offen und damit weiter offen für eindringendes Wasser.

  • Kurzum: das seit Jahren scharf kritisierte Verfüllkonzept, bei dem jedes Kilo Atommüll in der Erde bleibt, soll nach Sailers Meinung umgesetzt werden.

Schon im Januar stellte der Asse II – Koordinationskreis in Frage, ob Sailer als Vorsitzender der Entsorgungskommission noch „haltbar“ sei. Damals hatte er einem Fachseminar zur Asse „keine konkreten Resultat“ attestiert. Sailer sei gegenu?ber einer Räumung des Atommu?lls aus der Asse seit vielen Jahren „vorfestgelegt“, auch schon vor dem Optionenvergleich, bei dem sich das Bundesamt für Strahlenschutz mit Rückendeckung durch die Politik für die „Räumung“ entschieden hatte. Sailer stelle die Probleme der Ru?ckholung breit dar und verharmlost die Auswirkungen der Flutung des Atommu?lls in Asse II. Auch die der Räumung der Asse vorgeschaltete Faktenerhebung gehe auf eine Intervention der Entsorgungskommission (ESK) vom 5.1.2010 zuru?ck und habe sich mittlerweile als Blockade der Ru?ckholung und als Hintertu?r zum Ausstieg aus der Ru?ckholung erwiesen.

Die Äußerungen Sailers sind also nicht neu.

„Herr Sailer und die Entsorgungskommission schichten seit Jahren Probleme der Rückholung auf“, so Udo Dettmann vom Asse-II-Koordinationskreis.Doch sie sähen sich nicht imstande, auch nur ein einziges Problem zu lösen. „Dass Probleme benannt werden, ist gut, richtig und wichtig. Aber nicht an Lösungen von Problemen zu arbeiten, ist Arbeitsverweigerung und fahrlässig und deutet sogar auf Inkompetenz hin“, so Dettmann gegenüber der dpa.

Seit dem Frühjahr stockt die Rückholung der Fässer, weil eine Passage des Werks wegen Einsturzgefahr gesperrt werden musste. Dann stockte auch eine erste Bohrung in eine der Atommüllkammern immer wieder, mit Hilfe der erste Erkenntnisse über den inneren Zustand erlangt werden sollen.

Für den niedersächsischen Umweltminister Stefan Birkner (FDP) bleibt die Rückholung der Atommüllfässer aus dem maroden Salzbergwerk Asse aber weiterhin das Ziel: „Unser Ziel ist und bleibt es, die Abfälle da herauszuholen. Ob und inwieweit es gelingt, muss geklärt werden“, sagte er am Samstag der Nachrichtenagentur dpa in Hannover.

Atomkraftgegner fordern, sofort mit Massnahmen zur Bergung erster Fässer zu beginnen. Denn mit jedem Fass weniger sinkt das Risiko einer großflächigen Verseuchung.

  • Asse-2: Noch immer keine Erfolge bei Probebohrung
    13. August 2012 – Im havarierten Endlager Asse-2 gibt es erneut Probleme mit der Probebohrung in eine Atommüllkammer. Wieder gäbem es die Gefahr einer Verschmierung des Bohrkopfs. Die Grundlage für die Rückholung des Atommülls wird weiter verschleppt.
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    16. Juli 2012 – Ein Entwurf zum Abschlussbericht des Asse-Untersuchungsausschusses im niedersächsischen Landtag legt einen desaströsen Eindruck vom Zustand im das ehemalige Endlagerbergwerk vor: das radioaktive Inventar ist möglicherweise höher, als offiziell deklariert worden. Ein Geologe betonte am Freitag in Dannenberg, er habe schon 1979 vor Risiken gewarnt.
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    5. Juli 2012 – Ein Beamter, der bis vor wenigen Wochen das Projekt Rückholung im Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) geleitet hat, erhebt schwere Vorwürfe gegen Behörde und Politik. Der ehemalige Fachbereichsleiter für die “Sicherheit nuklearer Entsorgung aus dem Bundesamt für Strahlenschutz”, Michael Siemann, hält es im Interview mit Panorama für nahezu unmöglich, den Atommüll aus dem Salzbergwerk Asse II zu bergen: “Ich bin fassungslos, dass in der Politik davon nichts angekommen ist”, so Siemann gegenüber Panorama. Der Asse II-Koordinationskreises, ein Zusammenschluss von AtomkraftgegnerInnen nimmt dazu Stellung.

Quelle (Auszug): spiegel.de, dpa, fr-online.de, faz.de; 22.09.2012