Crash-Tests für Atommüll-Zwischenlager gestartet

Das Bundesumweltministerium hat Stresstests für die atomaren Zwischenlager und weitere Atom-Einrichtungen gestartet. Bis Mitte August sollen bundesweit die Betreiber von entsprechenden Anlagen auf den Schutz vor extremen Erdbeben, Flugzeugabstürzen, Hochwasser, Wetterkatastrophen, Explosionen, Stromausfällen und Bränden befragt werden. Atomkraftgegner monieren fehlende Schutzkonzepte und fordern einen Einlagerungsstopp.

Standortzwischenlager Brunsbüttel

Bald mit Mauer: Standortzwischenlager Brunsbüttel

Auch für Gorleben sind über 27 Jahre nach Inbetriebnahme des atomaren Fasslagers, 17 Jahre nach dem Einlagerungsbeginn von hochradioaktiven Abfällen in das Zwischenlager und knapp 12 Jahre nach den Flugzeugcrashs in das World Trade Center ein Fragenkatalog an das zuständige Bundesland Niedersachsen verschickt worden. Bis zum 17. August sollen die 41 Fragen beantwortet werden, abschließende Ergebnisse sollen bis Ende des Jahres vorliegen.

Die Untersuchung berührt neben Gorleben auch die weiteren dezentralen Zwischenlager in Ahaus, Jülich und bei Lubmin, die zwölf Standortzwischenlager an den AKW-Standorten aber auch die Urananreicherungsanlage Gronau und die Brennelementefabrik in Lingen. Gorleben ist laut Bürgerinitiative Umweltschutz Lüchow-Dannenberg sogar doppelt betroffen: auch die vergessene Pilot-Konditionierungsanlage soll neben der Castorhalle geprüft werden. Auch soll die ehemalige Wiederaufarbeitungsanlage und eine angegliederte Verglasungsanlage für hochradioaktive Abfälle in Karlsruhe auf den Prüfstand.

“Auch wenn der Fragenkatalog umfassend ist wird einem mulmig, denn auf diese Schwachpunkte haben wir schon immer hingewiesen, trotzdem wurde der Einlagerungsbetrieb nie unterbrochen”, sagte BI-Sprecher Lennart Müller und kritisiert vor allem das schleppende Verfahren.

Die BI fordert die umgehende Sicherheitsprüfung des Zwischenlagers Gorleben, einen Einlagerungs- und Baustopp und die Unterrichtung der Bevölkerung, welchem Risiko sie hier mutwillig von Regierungen und Atomindustrie ausgesetzt wird.

Die Stresstests für die Zwischenlager waren im vergangenen Jahr nach der Reaktorkatastrophe von Fukushima angekündigt worden, parallel zu den inzwischen abgeschlossenen Überprüfungen der Atomkraftwerke. Doch die Umsetzung hatte sich verzögert. Im letzten Herbst waren sogar weitere Behälter in das Zwischenlager Gorleben gebracht worden, der Betrieb in Gronau wurde fortgeführt und auch nach Lubmin weiterer Atomschrott gebracht. Der Betreiber der Urananreicherungsanlage Gronau gibt sogar offen zu, dass die Anlage gegen einen Flugzeugabsturz unzureichend geschützt ist.

„Die oberirdische Zwischenlagerung in drei zentralen und dreizehn dezentralen Zwischenlagern ist unverantwortlich gefährlich!! Wir wissen, dass es panzerbrechende Waffen gibt, mit denen die Hallen der Zwischenlager wie auch die Castoren geknackt werden können. An den Längsseiten der meisten Zwischenlager sollen deswegen jetzt neue Atomschutzmauern gebaut werden“, so Raimund Kamm vom FORUM Gundremmingen, die sich seit Jahren gegen das dortige Zwischenlager engagieren.

Diese Mauern werden unabhängig von dem Stresstest um alle Zwischenlager nachgerüstet, um sie gegen mögliche Terrorangriffe besser zu sichern. Dieses Defizit ist seit Anfang des Jahres bekannt. Schon im Herbst 2011 hatte das niedersächsische Umweltministerium auf Mängel in Gorleben hingewiesen. Ein Bauantrag wurde aber bis heute nicht gestellt.

„Die Verantwortlichen verschleppen mögliche Schutzkonzepte, die in der Realität aber auch nicht besser sind als der billige Versuch, Unmögliches möglich machen zu wollen. Sicherheit gegen Terror oder gezielte Sabotage kann es real nicht geben – nur die Stilllegung der Anlagen hilft“, so Jan Becker von contrAtom. „Deshalb fordern wir, dass die Millionen Euro besser in die Energiewende als den Ausbau von wahnsinnigen AKW-Festungen investiert werden müssen.“

Das der gesamte „Stresstest“ eine Alibiveranstaltung ist, zeigt die Antwort des Betreibers des Zwischenlagers in Gorleben: Jürgen Auer, Pressesprecher des Zwischenlagers in Gorleben, bleibt auf kritische Fragen gelassen – denn die wichtigsten Punkte seien bereits im Genehmigungsverfahren des Zwischenlagers berücksichtigt worden. Neue Erkenntnisse oder gar Handlungsempfehlungen oder -auflagen sind also nicht zu erwarten.

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Quellen (Auszug): wendland-net.de, www.bi-luechow-dannenberg.de, dpa; 08.06.2012