Gorleben wird zur Genehmigung vorbereitet – ergebnisoffene Standortsuche nur ein Alibi?

Bei der Suche nach dem vergleichsweise sichersten Endlagerstandort für Atommüll geht es Bundesumweltminister Norbert Röttgen angeblich um einen echten Neuanfang. Doch die Durchführung der „Vorläufigen Sicherheitsanalyse Gorleben“ (VSG) steht dazu in krassem Widerspruch. Denn in diesem Forschungsprojekt werden mit einem enormen finanziellem und personellem Aufwand schon jetzt die Genehmigungsgrundlagen für Gorleben erarbeitet. So werden Fakten geschaffen, die die notwendige Offenheit der angekündigten Standortsuche konterkarieren.

Eine vorläufige Sicherheitsanalyse soll eine Prognose darüber abgeben, ob ein sicheres Endlager an einem Standort möglich ist. Voraussetzung ist jedoch, dass der betreffende Standort als Ergebnis eines sicherheitsorientierten Auswahlverfahrens festgelegt worden ist. Das trifft auf Gorleben bekanntlich nicht zu.

Dennoch will der Bund die VSG unbedingt zu einem „qualifizierten Abschluss“ bringen. Doch eine Fortführung dieses Projekts würde den Standort Gorleben weiter zementieren. Dafür sprechen mehrere Gründe:

  • Bis jetzt sind wesentliche Aspekte der Bewertung der Langzeitsicherheit von Endlagerstandorten noch nicht abschließend geklärt. Sie unterliegen der Gefahr, im Rahmen der VSG durch gorlebenspezifische Sachverhalte und Interessen beeinflusst zu werden.
  • In der VSG werden keine Abbruchkriterien für Gorleben genannt. Daher gibt es den immanenten Zwang, in Gorleben weiterzumachen: Auch bei einem kritischen Ergebnis der VSG werden Bewertungen vorliegen, die eine weitere Erkundung in Gorleben als sinnvoll erscheinen lassen.
  • Angesichts der vom Bundesumweltministerium mit der VSG beauftragten Wissenschaftler kann von einer unabhängigen Bewertung keine Rede sein. Die beteiligten Gutachter bzw. Wissenschaftsinstitutionen haben sich entweder schon seit Jahrzehnten auf Gorleben festgelegt, sind bekannte Atomlobbyisten oder zumindest eng mit der Atomindustrie verflochten.

Dazu sagt Asta von Oppen, die Vorsitzende der Rechtshilfe Gorleben:

„Wir fordern den sofortigen Abbruch der Vorläufigen Sicherheitsanalyse Gorleben. Andernfalls ist alles Gerede von einer ergebnisoffenen und sicherheitsorientierten Standortsuche eine Farce.“

Hintergrund: Der Atomfilz und die VSG

Die mit der Vorläufigen Sicherheitsanalyse Gorleben (VSG) beauftragten Experten sind fast ausschließlich Wissenschaftler bzw. Sachverständigenorganisationen, die sich seit Jahrzehnten auf den Standort Gorleben festgelegt haben oder eng mit der Atomindustrie verflochten sind. Zum Teil handelt es sich auch um dieselben Institutionen, die einst die Skandalkippe Asse für unbedenklich erklärt haben und nun die Genehmigung von Gorleben vorbereiten.

An der VSG beteiligte Wissenschaftsinstitutionen:

  • Gesellschaft für Anlagen- und Reaktorsicherheit (GRS): Die traditionell atomfreundliche GRS hat die Federführung für die VSG. Ihr Chef, Prof. Frank-Peter Weiß, saß vor Kurzem noch im Präsidium des Deutschen Atomforums, einem Lobbyverband der Atomwirtschaft.
  • Institut für Sicherheitstechnologe (IStec) GmbH: ein Tochterunternehmen der GRS.
  • Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR): Die Fachbehörde des industriefreundlichen BMWi hat sich seit Jahrzehnten auf das Endlagermedium Salz und den Standort Gorleben festgelegt. Führende BGR-Geologen waren Anfang der 80er Jahre auch mitverantwortlich dafür, dass – entgegen den Empfehlungen etlicher Experten – mit der Erkundung von Gorleben als einzigem Salzstock begonnen wurde. Die BGR soll im Rahmen der VSG quasi die von ihr selbst aufbereiteten Erkundungsergebnisse bewerten. Auf ihrer Homepage heißt es dazu: „Trotz der noch nicht abgeschlossenen Erkundung des Erkundungsbereiches 1 (EB 1) kann nach den bisherigen Untersuchungen festgestellt werden, dass aus geowissenschaftlicher Sicht keine Erkenntnisse aus dem Salinar gegen die langzeitsicherheitliche Eignung des Salzstocks Gorleben für die Endlagerung radioaktiver Abfälle vorliegen.“ (Quelle BGR: www.bgr.bund.de/DE/Themen/Endlagerung/Endlagerstandorte/Gorleben/gorleben_inhalt.html )
  • Karlsruher Institut für Technology (KIT): Das Institut finanziert sich zu großen Teilen über Drittmittel aus dem BMWi. Es ist über den „Kompetenzverbund Kernenergie“ eng mit den Atomkonzernen verbündet.
  • DBE Technology (DBETec): Tochterunternehmen der DBE (Deutsche Gesellschaft zum Bau und Betrieb von Endlagern für Abfallstoffe), die zu 75 Prozent den vier großen Energiekonzernen gehört und direkt an den Bauarbeiten in Gorleben verdient.
  • Nuclear safety engineering GmbH (nse): Die Firma wurde 2010 gegründet, unmittelbar vor Vergabe der Aufträge für die VSG. Alleiniger Gesellschafter ist ausgerechnet der bekannte Atomlobbyist und ehemalige Vattenfall-Manager Prof. Bruno Thomauske, heute Inhaber eines von RWE Power subventionierten Lehrstuhls an der RWTH Aachen. Nach SZ-Informationen soll Thomauske im Rahmen der VSG für mehr als 800.000 Euro zentrale Fragen bei der Bewertung von Gorleben bearbeiten. Zitat Thomauske 2004 zu Gorleben: „Der Eignungsnachweis, ob der Standort für hochradioaktive, wärmeentwickelnde Abfälle geeignet ist, könnte schon heute erfolgen.“ (Quelle: BT-Drucksache 17/6639 der Fraktion Die Grünen).
  • Prof. Klaus-Jürgen Röhlig: Der Experte für Sicherheitsanalysen soll als „unabhängiger“ Gutachter die Qualität der VSG-Ergebnisse überprüfen. Röhlig ist an der TU Clausthal (TUC) Inhaber eines Stiftungslehrstuhls, der von der Gesellschaft für Nuklearservice (GNS) – also zu 100 Prozent von den vier Atomkonzernen – finanziert wird. Dazu heißt es in der Antwort auf eine Kleine Anfrage der Grünen im Niedersächsischen Landtag: „Das Anforderungsprofil und die vorgesehenen Arbeitsschwerpunkte der Stiftungsprofessur werden im Einvernehmen zwischen der GNS und der TUC abgestimmt.“ (Februar 2012)

Quelle: www.rechtshilfe-gorleben.de; 16.04,2012