Brennelementesteuer: Atomkonzerne haben verloren

Erstmals hat ein Gericht in Deutschland die umstrittene Brennelementesteuer für verfassungsgemäß erklärt. Die von den Atomkraftwerksbetreibern erhobene Abgabe, mit Hilfe der Gewinne aus der Laufzeitverlängerung abgeschöpft werden sollten, sei sowohl mit dem Grundgesetz als auch mit Europarecht vereinbar, erklärte das Finanzgericht Baden-Württemberg. Ein weiterer Rückschlag für die Lobbyisten der Atomenergie in Deutschland, die nun für jeden Brennstab, der in den neun AKW zum Einsatz kommt, Millionen zahlen müssen.

Im Zeitraum vom 1. Januar 2011 bis 31. Dezember 2016 wird der Verbrauch von Kernbrennstoff nach § 2 Kernbrennstoffgesetz, der zur gewerblichen Erzeugung von elektrischem Strom verwendet wird, besteuert. Die Steuer setzt an der Masse des Kernbrennstoffs an und entsteht, wenn ein Brennelement oder einzelne Brennstäbe in einen Kernreaktor erstmals eingesetzt werden und eine sich selbsttragende Kettenreaktion ausgelöst. Damit sollen ein Teil der Gewinne durch längere AKW-Laufzeiten abgeschöpft und jährlich 2,3 Milliarden Euro für die Staatskasse eingebracht werden. Nach der Abschaltung der ältesten Reaktoren verbleiben geschätzt 1,3 Milliarden Euro Staatseinnahmen. Bei neun verbleibenden Meilern liegt die Steuerbelastung pro AKW im Schnitt bei knapp 150 Millionen Euro jährlich. Für das Jahr 2011 sollten es rund 920 Millionen Euro sein.

Die Energiekonzerne RWE und E.ON hatten im Juni 2011 Klage gegen die am 01. Januar 2011 eingeführte Kernbrennstoffsteuer eingelegt. Im Juni 2011 stimmte bekanntlich auch die Bundesregierung mit einer großen Mehrheit aus Regierungs- und Oppositionsparteien für die dreizehnte Änderung des Atomgesetzes – und damit für die Aufhebung der Laufzeitverlängerung. Am gleichen Tag gab der Verfassungsrechtler Prof. Uwe Battis von der Humboldt-Universität zu Berlin dem ZDF ein Interview, in dem er die Auffassung äußerte, die Bundesregierung habe in Sachen Brennelementesteuer „ganz schlechte Karten“.

RWE begründet die Klage, die beim erstinstanzlich zuständigen Münchner Finanzgericht eingereicht wurde, damit, dass die 2010 im Zuge der von der schwarz-gelben Bundesregierung beschlossenen Laufzeitverlängerung vereinbarte staatliche Abgabe auf den nuklearen Brennstoff in den Reaktoren europarechts- und verfassungswidrig sei. Die Bundesregierung habe sich im Jahr 2001 gegenüber den Atomkraftwerksbetreibern verpflichtet, keine einseitigen Maßnahmen zu Lasten der Atomenergie zu ergreifen. Die Steuer sei daher ein Eingriff in die Eigentumsrechte. Die Klage bezieht sich nur auf die zu zahlenden Abgaben für das Atomkraftwerk Gundremmingen B.

Im September 2011 konnten die Energiekonzerne E.ON, RWE und EnBW vor dem Finanzgericht Hamburg einen ersten Erfolg erzielen: die Verfassungsmäßigkeit der Sonderabgabe wurde angezweifelt und die grundsätzliche Bedeutung der Beschwerde anerkannt und damit beim Bundesfinanzhof zugelassen. Nach Ansicht des 4. Senats hat der Bund wahrscheinlich gar keine Gesetzgebungskompetenz zum Erlass einer Brennelementesteuer, weil es sich wohl nicht um eine Verbrauchsteuer handele, so der SPIEGEL. Zudem sei zweifelhaft, ob der Bund eine neue im Grundgesetz nicht vorgesehene Steuer erfinden dürfe.

Anfang September gab das Münchener Finanzgericht bekannt, dass es „ernsthafte Zweifel an der Rechtmäßigkeit“ der sog. Brennelementesteuer habe. Die Richter zweifeln im Fall der Klage von RWE in concreto an der formalen Gesetzgebungskompetenz des Bundes für eine solche Steuer. Die entscheidende Frage ist, ob es sich bei der Brennelementesteuer um eine in die Gesetzgebungskompetenz des Bundes fallende Verbrauchssteuer handelt.

Nun entschied das Stuttgarter Finanzgericht in dem Verfahren um vorläufigen Rechtsschutz, dass es keine Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des Kernbrennstoffsteuergesetzes gebe (Az: 11 V 2661/11 und 11 V 4024/11). Die Richter urteilten in dem Eilverfahren, für die Gesetzgebungskompetenz des Bundes zur Einführung der Steuer in Form einer Verbrauchsteuer komme es nicht darauf an, ob die Steuer auf die Stromkunden abwälzbar sei oder nicht. Zudem liege keine Verletzung des Eigentumsrechts der Betreiber von Atomkraftwerken vor, sofern es diesen weiterhin möglich sei, ihre Anlagen wirtschaftlich zu betreiben.

Die Entscheidung der Richter in Stuttgart ist aber nur eine Etappe in einem langen Rechtsstreit. Denn das Finanzgericht erwartet, dass die EnBW gegen die Entscheidung beim Bundesfinanzhof Beschwerde einlegen wird. Ein EnBW-Sprecher sagte, die Entscheidung werde nun geprüft.

Atomkraftgegner weisen darauf hin, dass das Geld u.a. für die Sanierung der Asse eingesetzt werden soll:

„Jahrzehntelang haben die AKW-Betreiber das ehemalige Endlager als billige Müllkippe genutzt und ein Desaster provoziert. Nun müssen sie – zwar über Umwege – dafür zahlen.“

  • Mit Atomkonzerne geht es bergab
    12. Dezember 2011 – Atomkraftgegner haben das Ende der Technologie lange voraus gesagt. Mit Fukushima geht es nun mit den großen Energiekonzernen steil bergab. Zwar sind viele Arbeitsplätze in Gefahr – das als Argument für einen Weiterbetrieb der Atomindustrie darf aber nicht geltend gemacht werden. Die Zeichen stehen auf Wandel, meinen Atomkraftgegner.
  • Ein Akt der Demokatisierung contra das große Wehklagen der Atomkonzerne
    6. August 2011 – E.ON will drei Standorte schließen und 10.000 Stellen abbauen, EnBW hat angekündigt, dass man selbst eine Kapitalerhöhung in Betracht ziehe, um nach dem starken Halbjahresverlust finanziell beweglich zu bleiben. RWE prüft den Verkauf mehrerer Tochterfirmen, der Atomausstieg beeinträchtigt das Ergebnis von Vattenfall um 10,2 Milliarden Schwedische Kronen. Doch das Problem ist hausgemacht – und das Wehklagen nicht gerechtfertig.
  • E.ON will Schadensersatz für Atomausstieg
    19. Oktober 2011 – Der Energiekonzern E.ON will mehrere Milliarden Euro Schadensersatz von der Bundesregierung einklagen, weil im Zuge des Atomausstiegs mehrere Atomkraftwerke abgeschaltet werden mussten. Atomkraftgegner fordern den Konzern auf, Schadensersatz an die Menschenheit für die Produktion von hochgefährlichem Atommüll zu leisten.
  • Kampfansage: Energiekonzerne stoppen Öko-Zahlungen
    9. April 2011 – Die vier AKW-Betreiber haben ihre Zahlungen an den Fonds zur Förderung regenerativer Energien eingefroren. Ihr Argument: Die Beiträge seien an die Laufzeitverlängerung gebunden – und diese sei nun fraglich. Eine Kampfansage an die Regierung – und die Bevölkerung.

Quellen (Auszug): fr-online.de, de.wikipedia.org, spiegel.de, handelsblatt.com, taz.de; 13.01.2012