Atomausstieg? Die Wahrheit Teil 9: Die Atomstromimport-Lüge

Deutschland steigt aus. Bis 2022 sollen in einem Stufenplan alle Atomkraftwerke abgeschaltet werden, das erste bereits 2015. Schwarz/gelb feiert das eigene Einknicken im Fortbestand der Atomenergie als Erfolg, rot/grün stimmt mit dem Argument “alternativlos” zu. Ein noch schnellerer Ausstieg sei unmöglich, weil wir dann Strom aus Nachbarländern und möglicherweise unsicheren AKW zukaufen müssten.

Als Anfang April 2011 die Temperaturen stiegen, brauchten sowohl die viel mit Strom heizenden Franzosen wie Tschechen weniger Strom. Da man Atomkraftwerke ungern runterfährt, boten unsere westlichen und östlichen Nachbarn den Atomstrom zu Niedrigpreisen an. Da lassen die deutschen Stromkonzerne lieber ihre Kohle-, Öl- und Gaskraftwerke aus, kaufen zu den Dumpingpreisen den Strom und verkaufen ihn an Industriekunden für den fünf- bis zwanzigfachen Preis. Und öffentlich tönen sie, nach dem Abschalten deutscher AKW müsse man jetzt Atomstrom importieren. Aber wir haben noch viele Kraftwerke in Reserve.

Klassisch sind zwei Lügen:

  • wenn wir stilllegen, müssen wir Atomstrom aus Frankreich und Tschechien importieren
  • das Abschalten der AKW und Umschalten auf Energieeffizienz und Erneuerbare Energien kostet uns sehr viel Geld für den Netzumbau, die teure Photovoltaik usw.

Fakt ist: Deutschland kann allein mit seinen konventionellen Kraftwerken und seinen Wasserkraftwerken rund 80 Gigawatt Strom erzeugen, was dem maximalen Strombedarf entspricht. Meist wird erheblich weniger Strom verbraucht. Der Strom aus allen 17 deutschen Atomkraftwerksblöcken mit maximal rund 20 Gigawatt ist vollkommen überflüssig, selbst wenn man die Stromerzeugung aus Windenergie, Photovoltaik und Biomasse mit einer Spitzenleistung von heute schon 38 Gigawatt nicht berücksichtigt. Wenn Atomstrom aus dem Ausland importiert wird, dann liegt das zum einen an fehlerhaften Mechanismen an den Strombörsen. Zum anderen daran, dass etwa die Chemische Industrie auf dem Import französischen Atomstroms zu Dumpingpreisen besteht, statt die eigenen Stromsparpotenziale zu mobilisieren.

Deutschland ist Stromnettoexporteur und hat viele Kraftwerksreserven

Im Jahr 2009 hat Deutschland 14 Milliarden Kilowattstunden Strom mehr exportiert als importiert. Im Jahr 2010 sogar 17 Milliarden kWh.

1.1. Der internationale Stromaustausch hat eine lange Geschichte und ist vernünftig
Schon in den 1920er Jahren bauten RWE aus dem Rhein-Ruhr Gebiet und die Vorarlberger einen Stromverbund zum beiderseitigen Nutzen auf. Denn die Österreicher errichteten viele Wasserkraftwerke und hatten so im Winter, wenn die Niederschläge als Schnee liegen bleiben, wenig Strom. RWE hingegen ließ im Winter gerne seine Kohlekraftwerke laufen, verkaufte die dabei auch anfallende Wärme (Kraft-Wärme-Kopplung) an die Hausbesitzer und transportierte einen Teil des Stromes nach Österreich. Im Sommer ging es dann andersherum.

1.2. Stromaustausch Frankreich – Deutschland
Als Anfang April 2011 die Temperaturen um über 10 Grad stiegen, brauchten sowohl die viel mit Strom heizenden Franzosen wie Tschechen viel weniger Strom. Da man Atomkraftwerke ungern runterfährt, boten unsere westlichen und östlichen Nachbarn den Atomstrom zu Niedrigpreisen von geschätzt 2 bis 3,5 Cent je Kilowattstunde an. Da lassen die deutschen Stromkonzerne lieber ihre brennstoffverbrauchenden Kohle-, Öl- und Gaskraftwerke aus, kaufen zu den Dumpingpreisen den Strom und verkaufen ihn an Industriekunden für 8 bis 12 und an Privatkunden für über 23 c/kWh.

Billig ist der französische und tschechische Atomstrom jedoch nur, weil er nicht die immensen Versicherungskosten zu tragen hat. Die Risiken also auf die im Fall des Falles keine Entschädigung erhaltenen Menschen und den Staat abwälzt. Und weil die Atomkonzerne zig Milliarden an Forschungsgeldern und Markteinführungssubventionen erhalten haben und insbesondere ihnen Milliarden von Atommüllkosten nicht in Rechnung gestellt, sondern auf unsere Nachkommen verlagert werden. Beispiel Asse 2.

Frankreichs Stromversorgung ist schlecht aufgestellt: Unser Nachbarland hat einseitig auf an 19 Standorten laufende 58 Atomreaktoren gesetzt. Sie decken fast 80 % des Stromverbrauchs. Deutschland zum Vergleich deckte im Jahr 2010 rund 23 Prozent seines Strombedarfs aus 15 Atomreaktoren. (Zwei weitere, nämlich die AKW Brunsbüttel und Krümmel stehen seit 3 ½ Jahren still). Frankreich muss seine vielen AKW zur Anpassung rauf und runter regeln. Dies nutzt die Anlagen übermäßig ab. Da zudem die AKW schon alle abgeschrieben und alt sind, fallen immer auch viele AKW nicht nur wegen planmäßiger Revisionen sondern auch wegen ungeplanter Störungen aus. Zudem heizen die Franzosen ein Drittel ihrer Wohnungen mit Strom. Sinkt im Winter die Temperatur um ein Grad, verbrauchen die Franzosen über 2000 MW (= 2 Millionen Kilowatt oder 2 Gigawatt) mehr Strom. Ist es im Winter sehr kalt, laufen in Deutschland zusätzlich viele Kohlekraftwerke, um Frankreich zu versorgen. Ist es im Sommer sehr heiß, müssen französische AKW wegen Kühlwassermangels gedrosselt werden und wieder verkaufen die Deutschen viel Strom nach Frankreich.

Auf eines muss man achten: Die Franzosen liefern erheblich mehr Strom an Deutschland als umgekehrt die Deutschen an Frankreich. Der meiste aus Frankreich nach Deutschland kommende Strom ist jedoch Transitware und fließt weiter durch Österreich oder die Schweiz nach Italien. Betrachtet man nur die Käufe und Verkäufe von Strom, stellt man überrascht fest, dass Deutschland mehr Strom an Frankreich verkauft als umgekehrt.

1.3. Wir haben keinen Kraftwerks- oder Strommangel
Der Nettostromverbrauch schwankt in Deutschland zwischen 35 bis maximal 73 bis 80* Gigawatt (1 Gigawatt, GW = 1.000.000 Kilowatt). Und so sieht unser Kraftwerkspark aus:

  • Fossile Kraftwerke (Kohle, Öl, Gas) 70 GW
  • Atomkraft 20 GW
  • Wasserkraft 4,8 GW
  • Biogas- und Biomasse 6,4 GW
  • Windkraft 28 GW
  • Solarkraft (Photovoltaik) 18 GW
    *seit Jahren werden die Statistiken des Bundesverbandes der Elektrizitätswirtschaft, BDEW, immer intransparenter

Solar- und Windkraft produzieren immer mehr Strom in unserem Land. Aber ihre Leistungen schwanken enorm. Der Ausbau der Erneuerbaren Energien muss deswegen begleitet werden durch intelligentes Verbrauchsmanagement („Lastmanagement“), Umbau des Stromnetzes und Schaffung vielfältiger und dabei bevorzugt dezentraler Energie- und Stromspeicher.

„Das Abschalten wird uns viel Geld kosten“

Rund ein Drittel unseres Strompreises entfällt auf die Netzentgelte. Es ist geradezu lächerlich, dass seit Jahrzehnten die Stromkonzerne ihre Stromleitungen überwiegend abgeschrieben und dabei viel Geld verdient haben und jetzt so tun, als wenn die fälligen Investitionen sie überfordern würden. Auch BMW und Mercedes stöhnen doch nicht, wenn sie in ihre Fabriken investieren.

Das eingesetzte Kapital dieser ziemlich risikolosen Investition in Stromnetze wird laut Aussagen der Bundesnetzagentur mit über zehn Prozent verzinst. Seit Jahren verzögern die Stromkonzerne erforderliche Neuinvestitionen zur Ausrichtung des Stromnetzes auf die Erneuerbaren Energien. Sie wollen ja gar nicht diese Konkurrenz und wollen lieber ihre alten Atom- und Kohlekraftwerke weiter laufen lassen. Und dafür reicht das bisherige Stromnetz. Ja es behindert in für RWE, EON & Co gewünschter Weise den Zubau neuer und konkurrierender Solar- und Windkraftwerke.

  • Studie: Auch ohne Atomkraft keine Stromlücke
    28. April 2011 – Auch mit einem schnellen Atomausstieg ist weder die Versorgungssicherheit in Gefahr, noch muss mit erheblich höheren Kosten gerechnet werden. Das zeigt ein von der Deutschen Umwelthilfe (DUH) in Auftrag gegebenes Gutachten der Universität Flensburg. Machbar sei damit ein Atomausstieg bis 2017 oder sogar bis 2015.

Atomausstieg? DIE WAHRHEIT:

Quellen (Auszug): atommuell-lager.de, ippnw.de; 28.06.2011