Atomausstieg – Die Wahrheit Teil 2: Restlaufzeiten wurden verlängert

Deutschland steigt aus. Bis 2022 sollen in einem Stufenplan alle Atomkraftwerke abgeschaltet werden, das erste bereits 2015. Schwarz/gelb feiert das eigene Einknicken im Fortbestand der Atomenergie als Erfolg, rot/grün stimmt mit dem Argument “alternativlos” zu. Doch eigentlich wurde die Laufzeit der neun verbleibenden AKW verlängert.

Nach hartem Ringen hatten die Bosse der großen Stromkonzerne sowie die Bundesregierung im Jahr 2001 den sogenannten „Atomkonsens“ unterzeichnet. Er sah im Kern die Befristung der Laufzeiten der damals noch 19 Reaktoren auf 32 Jahre ab dem Beginn der Stromproduktion vor: Als letzte Meiler wäre Neckarwestheim 2 um das Jahr 2022 vom Netz gegangen. Allerdings wurden keine fixen Abschaltdaten für die einzelnen Reaktoren festgelegt. Stattdessen sollten die AKW noch Reststrommengen von 2623 Terawattstunden erzeugen dürfen, die auch noch zwischen den Meilern nach bestimmten Kriterien hin- und herverschoben werden konnten. Nicht nur diese Regelung öffnete Tricksereien der Konzerne Tür und Tor. In Neckarwestheim-1 wurde im vergangenen Sommer über Monate die Leitung gedrosselt, um den Reaktor über die Bundestagswahl zu retten. In Biblis brauchten Techniker Monate für das Kontrollieren und Nachziehen von Dübeln. Brunsbüttel und Krümmel stehen seit 2007 fast durchgängig für Reparaturen still.

Im Prinzip hat die Bundesregierung nun wieder an die rot-grüne Kontingente-Regel angeknüpft. Sie reduzierte die Reststrommengen rechnerisch wieder auf 32 Jahre Laufzeit. Allerdings verkündete die Regierung mit dem Jahr 2022 ein festes Datum, an dem das letzte AKW ungeachtet eventuell noch nicht verbrauchter Kontingente abgeschaltet wird. Sechs große Atomkraftwerke – Grohnde, Gundremmingen C, Brokdorf, Isar 2, Neckarwestheim 2 und Lingen – sollen noch mehr als zehn Jahre weiterlaufen und Strom sowie Atommüll produzieren dürfen.

Betrachtet man die (geplanten) Laufzeiten von 2001 (rot/grün) und 2011 (schwarz/gelb) im Vergleich, fällt für die neun noch in Betrieb befindlichen AKW eine de facto Laufzeitverlängerung – statt verkürzung auf:

AKW-Laufzeit nach rot/grünem (rechnerisch) und schwarz/gelben Konsens

AKW-Laufzeit nach rot/grünem (rechnerisch) und schwarz/gelben Konsens

Besonders unverständlich ist die unterschiedliche Restlaufzeit für die Blöcke in Gundremmingen: Die zwei baugleichen Reaktoren sind im gleichen Jahr in Betrieb gegangen und sollten entsprechend identische Abschaltdaten erhalten. Bayern als Bundesland mit dem höchsten Atomstromanteil im Strommix beklagte schon früh das Abschalten seiner Reaktoren – und hat sich offenbar mit einer Laufzeitverlängerung von 5 Jahren für Block C durchgesetzt.

Was letztlich den Gipfel darstellt: Beim aktuellen Ausstiegsszenario hat sich die FDP mit der Forderung durchgesetzt, einen oder zwei der älteren Meiler bis 2013 als sogenannte Kaltreserve im Stand-by-Modus zu fahren, um so auf tatsächliche oder behauptete Stromengpässe reagieren zu können. Das bedeutet, dass zwei Altmeiler jederzeit wieder angefahren werden können! Um welche Anlagen es sich handelt, ist bislang nicht bekannt.

  • Wir begrüßen die Abschaltung der sieben ältesten Meiler sowie Krümmel – und fordern jetzt deren sofortige und endgültige Stilllegung!
  • Ein Atomausstieg, der aber de facto eine Laufzeitverlängerung für neun Meiler darstellt ist keine Lobeshymne wert! Deswegen werden die Proteste gegen die menschenverachtende Atomenergie weitergehen!

Wir fordern den sofortigen Atomausstieg und die Stilllegung aller Atomanlagen!

Quellen (Auszug): neues-deutschland.de, 22.06.2011