Empfehlungen zur Jodprophylaxe bei Reaktorunfällen (Jodblockade) mit speziellen Jod-Tabletten

Anlässlich der Reaktorkatastrophen in Fukushima veröffentlichen wir ein Merkblatt des IPPNW.

Notwendig ist eine rechtzeitige Einnahme, möglichst 1?2 Tage vor dem Eintreffen einer radioaktiven Wolke
Voraussetzung sind zuverlässige Informationen durch die Behörden über die Notwendigkeit der Einnahme und das betroffene Gebiet. Eine schützende Wirkung gibt es nur bei Einnahme vor der radioaktiven Belastung. Eine Einnahme 3 Std. danach wirkt nur noch zu 50 % und 10 Std. danach gar nicht mehr. Eine zu frühe Einnahme ist wirkungslos. Eine zu späte Einnahme kann sogar schaden, nämlich dann, wenn der Körper radioaktives Jod vorher schon aufgenommen hat.

Ebenso notwendig ist eine ausreichend hohe Dosierung
Die gewünschte Schutzwirkung besteht nur bei genügend hoher Dosierung. Die Empfehlung der WHO lautet: Einmalgabe von 130 mg Kaliumjodid (= 2 Tabletten a` 65 mg). Für Schwangere gilt die gleiche Dosisempfehlung, die Schilddrüse des ungeborenen Kindes wird mit geschützt. (Dosierungen für Kinder siehe unten). Mit der ersten rechtzeitigen Einnahme kann man sein Risiko einer schweren Erkrankung der Schilddrüse (einschließlich Krebs) um etwa 90% senken. Eine wiederholte Einnahme von 65 mg (=1 Tablette) am folgenden Tag bzw. auch an weiteren Tagen ist angeraten, wenn die radioaktive Jod-Belastung anhalten sollte. Auch dazu benötigt man zuverlässige Informationen.

Eine zu niedrige Dosierung hilft nicht
Die allgemein bekannten Jodtabletten im 100-Mikrogrammbereich zur Vorbeugung gegen Kropfbildung genügen zum Schutz nicht. Für die Jodblockade benötigt man eine tausendfach höhere Konzentration.

Radioaktives Jod schadet
Bei Aufnahme von radioaktivem Jod drohen anhaltende Strahlenschäden, auch wenn das radioaktive Jod nach einigen Wochen zerfallen oder ausgeschieden worden ist. Nach Jahren bis Jahrzehnten können Schilddru?senkrebs und andere Schilddru?senerkrankungen ausgelöst werden.

Die Tabletten können rezeptfrei in der Apotheke gekauft werden
Wir empfehlen, den Apotheker zu bitten, u?ber die Auslandsapotheke Kaliumjodid 65 mg zu bestellen, z. B. Kaliumjodid „Lannacher“ 65 mg?Tbl. ® (…sterreich). Diese Tabletten sind fu?r Kinder und Kleinkinder teilbar.

Dosierung:

  • Neugeborene (bis 1 Monat) 1/4 Tbl. = 16,25 mg
  • Säuglinge und Kleinkinder (1 – 36 Monate) 1/2 Tbl. = 32,5 mg
  • Kinder von 3 – 12 Jahre 1 Tbl. = 65 mg ab 13 Jahre 2 Tbl. = 130 mg

Die Tabletten mu?ssen in reichlich Flu?ssigkeit aufgelöst und dann sofort eingenommen werden.

Kontraindikationen
Jodallergie, Dermatitis herpetiformis, Jododerma tuberosum, Pemphigus vulgaris, Myotonia congenita, Hypokomplementäre Vaskulitis, Hyperthyreose. Relative Kontraindikationen bei Autoimmunkrankheiten, Nierenfunktionsstörungen, Herzinsuffizienz, Asthma bronchiale. Vor allem Vorsicht bei bestehenden Schilddru?senerkrankungen. Ein sinnvolles Screening dafu?r ist ein TSH-Bluttest. Wenn aus den genannten Gru?nden eine Jodblockade nicht durchgefu?hrt werden kann, gibt es als Ausweichpräparat: Natriumperchlorat – Irenat ¨ Tr. Bitte lassen Sie sich dazu vorab bei Ihrem Hausarzt unter Vorlage dieses Merkblattes beraten.

Zum Alter
Die bisherige offizielle Katastrophenschutz-Rahmenempfehlung, die Jodprophylaxe fu?r Menschen bis zum Alter von 45 Jahren zu begrenzen, ist u. E. u?berholt, da nach der Katastrophe von Tschernobyl in den verseuchten Gebieten eine 6-fache Zunahme von Schilddru?senkrebs auch bis ins hohe Alter nachgewiesen wurde. Ferner wäre auch in Deutschland (wie in Österreich längst durchgefu?hrt) eine flächendeckende ereignisunabhängige Vorverteilung an alle Haushalte sinnvoll. Auch ein flächendeckendes TSH – Screening wäre dringend empfehlenswert.

Warnung: Jodtabletten schu?tzen nicht vor allen anderen Strahlenschäden
Die Jodblockade der Schilddru?se kann einzig und allein nur vor Schilddru?senkrebs und anderen Schilddru?senerkrankungen schu?tzen, nicht aber vor allen anderen Strahlenschäden. Es gibt keine allumfassende „Strahlenschutztablette“. Um sich wirklich wirksam vor atomaren Gefahren zu schu?tzen, mu?ssen weltweit alle Atomreaktoren abgeschaltet werden.

www.ippnw.de

Stand: 22.03.2011